Der talentierte Mr. Gibson

CIA enttarnt eigenen Agenten

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Der neueste Fund in den JFK-Akten ist auf mehreren Ebenen skurril. So wird das Vorenthalten der noch gesperrten Akten mit dem Anliegen begründet, noch lebende Agenten zu schützen. Doch nun hat die CIA allerdings einen 87jährigen Spion verraten – wirklich versehentlich?

Beim nun verbrannten CIA-Informanten handelt es sich um den bekannten Linksintellektuellen Richard Gibson (*1931), der in den 1950er Jahren in Paris für die französische Presseagentur arbeitete. Dort schloss er Freundschaft mit prominenten afroamerikanischen Literaten wie Richard Wright, James Baldwin und Chester Himes, die vor dem US-Rassismus nach Frankreich emigriert waren.

Doch Gibson beschränkte sich nicht auf die Rolle eines beobachtenden Journalisten, sondern manipulierte: So kritisierte er im Life-Magazin die koloniale Algerienpolitik der französische Regierung, benutze allerdings nicht seinen eigenen Namen, sondern den eines Freundes von Wright – was Gibson die Freundschaft mit Wright kostete. 1957 wechselte Gibson zu CBS und berichtete u.a. über die Kubanische Revolution und deren charismatischen Anführer Fidel Castro.

Fair Play for Cuba

Gibson stieß auf CBS-Mann Robert Taber, der auf Vermittlung des Kubaners Santos Buch einst Castro während dessen Partisanenkampf in den Bergen interviewt hatte. Taber gründete mit Gibson in New York das „Fair Play for Cuba Committee“ (FPCC) und veröffentlichte eine ganzseitige Anzeige in der New York Times, für die sich 30 prominente Intellektuelle wie Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Norman Mailer, Dan Wakefield und Truman Capote verwandten. Das Anzeigenhonorar hatte heimlich Santos Buch aus Havanna besorgt. Die Aktion wurde von manchen als die Geburtsstunde einer neuen Linken gesehen.

Zu den Lesern des Aufrufs gehörten auch hochrangige CIA-Männer wie der Leiter der Gegenspionage James Jesus Angleton und der für Kuba zuständige William King Harvey. Haudegen Harvey hielt wenig von Fairness, sondern leitete das berüchtigte „Secret Team“, das die Drecksarbeit für die CIA wie politische Morde erledigte. Harvey rekrutierte Exilkubaner für die von der CIA geplante und vorbereitete Gegenrevolution und ließ das FBI wissen, dass sich die CIA für alle Unterstützer des FPCC interessierte. Dementsprechend infiltrierten sowohl das FBI als auch die CIA das FPCC.

Die eigentlich nur für den Aufruf der Intellektuellen zu einem objektiveren Blick auf Kuba gegründete Organisation wuchs innerhalb weniger Monate auf 7.000 Mitglieder, in etlichen Städten und an Universitäten entstanden FPCC-Ableger. Gibson verließ CBS und leitete nun das FPCC. Seine Aktivisten bekamen Wind von Harveys Revolutionsvorbereitungen und warnten die Öffentlichkeit vor einem Unternehmen, das am 17.04.1961 als „Invasion in der Schweinebucht“ bekannt wurde. Dass die Anzeige seinerzeit von Havanna bezahlt wurde, war der CIA längst bekannt, denn Santos Buch hatte inzwischen genug von der Revolution und arrangierte sich mit dem Geheimdienst in der Hoffnung, dieser könne seine Familie von der Insel ausschleusen.

Not so fair play

Und noch jemand anderes bot zunächst anonym Informationen an. Gibson hatte das FPCC Mitte 1962 verlassen und war in die Schweiz gegangen, wo er für ein neues Magazin La Révolution Africaine arbeitete. Die CIA kannte Gibson bereits etwas genauer, denn er wurde abgehört und von CIA-Informanten ausgespäht. Der vorgeblich linksgerichtete Journalist, der sich nun auf die Payroll des Geheimdienstes setzen ließ, war sich nicht dafür zu schade, an die CIA über Redaktionsinterna zu berichten. Außerdem wollte die CIA nach den Schüssen von Dallas wissen, welche Beziehungen der nun berühmteste vorgebliche Vertreter des FPCC zur Organisation gepflegt hatte: Lee Harvey Oswald, einziges Mitglied des FPCC von New Orleans. Viel hatte Gibson nicht beizutragen.

Delikat ist allerdings die (wohl nicht unmittelbar mit Gibson zusammenhängende) Tatsache, dass die CIA-gesteuerte FPCC-Sektion in Miami nach dem Kennedy-Mord am 22.11.1963 die allererste JFK-Verschwörungstheorie ausgab und Oswald als den Attentäter ausrief. Der Warren-Kommission wurde dieses Detail verschwiegen. Die Akten über den CIA-Chef von Miami George Joannides sind noch immer gesperrt. (500.000 $ für einen toten Agenten). Nach dem Kennedy-Mord beendete das FPCC seine Aktivitäten. Die Rekrutierung des Mitbegründers Gibson passt zum CIA-Programm CHAOS bzw, FBI-Programm COINTELPRO, mit dem Bürgerrechtsorganisationen wie etwa die Schwarzen-Bewegung ausspioniert und zersetzt wurden. (Vier Jahrzehnte vor Snowden: "The Citizens Commission to Investigate the FBI")

Bereits 1964 verdächtigte ihn sein Herausgeber des La Révolution Africaine, ein Agent für FBI und CIA zu sein. Gibson stritt dies stets ab, zuletzt 2006 in einem Inteverview. Tatsächlich allerdings berichtete er der CIA für ein stattliches Sümmchen über linke und linksextreme Bewegungen in Europa und Afrika und erschlich sich hierzu etwa das Vertrauen des Schriftstellers Amiri Baraka. Der Journalist stand noch mindestens 1977 in den Diensten der CIA, als sich ein Untersuchungsausschuss mit den Attentaten auf die Kennedys und Martin Luther King befasste. Damals wurde auch das CIA-Programm MOCKINGBIRD bekannt, in dem der Geheimdienst etwa 400 einflussreiche Journalisten zur Propaganda einsetzte - oder Redaktionen ausspionierte.

Historiker wie Angleton-Biograph Jefferson Morley halten es für eher unwahrscheinlich, dass die in Geheimhaltung eigentlich versierte CIA ihren eignen Mann versehentlich verraten hat. Morley stellt die Frage, ob hier möglicherweise eine alte Rechnung beglichen wurde. Vorstellbare wäre, dass der Agent schlecht geliefert hätte, sich etwa zum Erhalt seines Agentlohns Geschichten aus den Fingern gesaugt hätte. Oder dass der umtriebige Journalist nicht nur für Kuba und dann die CIA gearbeitet hatte, sondern vielleicht auch das KGB beliefert hätte. Eine Racheaktion wäre gegenüber dem Spionageveteran allerdings wenig ertragreich, denn der 87-jährige Gibson soll nicht mehr ansprechbar sein.