Diesel-Skandal: Bundesregierung wird vor den Kadi gezerrt

Die EU-Kommission findet, dass Deutschland und fünf weitere EU-Mitgliedsländer gegen EU-Recht verstoßen haben. BMW meint derweil, nur aus Versehen gemogelt zu haben

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Nun also doch. Die EU-Kommission zerrt die Bundesrepublik wegen der Stickoxidbelastung in den Städten vor den Kadi. Nicht nur diese übrigens. Auch Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und Großbritannien müssen sich vor dem Gerichtshof der Europäischen Union verantworten, heißt es in einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung der Kommission.

Die sechs Mitgliedsstaaten hätten keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um die Zeiträume, in denen die Grenzwerte überschritten werden, so kurz wie möglich zu halten. In Deutschland wurden die Grenzwerte in 26 Gebieten überstiegen, besonders betroffen seien die Großstädte Berlin, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Düsseldorf.

Zusätzlich zur Klage habe man an Deutschland, Italien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich Aufforderungsschreiben verschickt, da diese Länder die EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen missachten.

Hinter letzterem verbirgt sich offensichtlich die Auffassung der Kommission, dass die Autohersteller zu sehr mit Samthandschuhen angefasst würden. Die entsprechenden Verfahren der EU sähen "vor, dass die Mitgliedstaaten über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionssysteme verfügen, um Autohersteller davon abzuhalten, gegen geltendes Recht zu verstoßen".

Bei Rechtsverstößen, "z. B. durch die Verwendung von Abschalteinrichtungen zur Verringerung der Wirksamkeit von Emissionskontrollsystemen", müssten Sanktionen verhängt werden. Die Kommission beruft sich hierbei unter anderem auf eine seit 2007 geltende Richtlinie des EU-Parlaments und des Rats, die den Rahmen für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen absteckt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union, nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), ist allein für die Auslegung des EU-Rechts und für dessen gleichmäßige Umsetzung in allen Mitgliedsländern und durch alle EU-Institutionen zuständig. Sitz ist Luxemburg. Zu Gericht sitzt jeweils ein Richter aus jedem Mitgliedsland.

Die EU-Kommission ist eine von den Regierungen der EU-Mitglieder eingesetzte Exekutive der Union. Ihre Mitglieder werden vom Kommissionspräsidenten nach Vorschlägen der Regierungen ausgesucht und vom Europäischen Rat, das heißt, den Staats- und Regierungschefs, bestätigt. Das EU-Parlament kann die Kandidaten nur en bloc ablehnen.

Der Kommissionspräsident, zur Zeit der von Angela Merkel gegen britischen Widerstand durchgesetzte Luxemburger Jean-Claude Juncker, wird vom Europäischen Rat vorgeschlagen und muss im EU-Parlament die Mehrheit der Stimmen erhalten. Deutschland hält im Rat rund 16 Prozent der Stimmen.

Aber zurück zum Dieselskandal: Eine kreative Erklärung für die Mogelsoftware hatte dieser Tage auf der BMW-Hauptversammlung Aufsichtsratschef Norbert Reithofer. Es sei versehentlich das falsche Programm aufgespielt worden, erklärte er nach einem Bericht der Tagesschau den versammelten Aktionären. Dahinter habe keine Absicht gestanden. Ob der Einbau zu kleiner Tanks für die Katalysatoren auch unbeabsichtigt war, blieb offen. Eine Nachrüstung der Hardware der betroffenen Fahrzeuge lehnte Reithofe jedenfalls ab.