Sanktionen gegen Iran: Anlass für eine souveräne Außenpolitik der EU

Das erste EU 3-Treffen in Teheran, am 21. Oktober 2003. Mit den Außenministern Jack Straw (Großbritannien), Dominique de Villepin (Frankreich) und Joschka Fischer. Irans Chef-Verhandler, links im Bild, war schon damals Hassan Rouhani. Foto: Mojtaba Salimi / CC BY-SA 3.0

Die USA sanktionieren die EU-Energiebeziehungen zu Russland und Iran, dafür bieten die EU-Staatschefs ihnen an, dass die USA einfacher US-Flüssiggas in die EU importieren können

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Die Auseinandersetzung um das Atomabkommen mit dem Iran lässt sich nur schwer diskutieren, ohne einen Blick auf die wirtschaftlichen Interessen zwischen den EU-Staaten und dem Iran zu werfen. Aufgrund seiner Geographie und seiner zentralen Rolle als Öl- und Gasförderer bedeutet dies natürlich auch, die energiepolitische Bedeutung des Landes zu berücksichtigen. Inzwischen wird die Frage der Iran-Sanktionen zu einem Prüfstein für eine gemeinsame Außenpolitik der EU.

Wie erwartet kündigte der amerikanische Präsident Donald Trump am 8. Mai die Beteiligung seines Landes am Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) mit der Republik Iran. Das Abkommen war unter maßgeblicher Beteiligung der EU, insbesondere auch des damaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel und des französischen Außenministers Laurent Fabius zustande gekommen, daher auch die Bezeichnung P5+1 (permanente Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - China, Frankreich, Russland, Großbritannien - plus Deutschland und die EU).

Ein maßgeblicher Effekt des am 14. Juli 2015 unterzeichneten Abkommens bestand in der teilweisen Aufhebung der durch die UN, die USA und andere Länder verhängten Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Die US-Regierung unter Präsident Obama verband diesen Schritt unter anderem mit der Hoffnung, dass ein Wiedereintritt des Iran in den internationalen Energiemarkt dazu beitragen würde, dass der Rohölpreis sinkt. Mit dem JCPOA war auch die Aufhebung der EU-Sanktionen verbunden, die den Kauf von iranischem Öl und Gas verbieten.

Positionen in der US-Außenpolitik

Mit Blick auf die aktuelle Regierung in den USA ist es wichtig festzuhalten, dass sich hinsichtlich der globalen Energiepolitik in der außenpolitische Szene des Landes zwei Politiktraditionen gegenüberstehen: Ein Lager, repräsentiert etwa durch die Regierung Barack Obama, vertrat eher das volkswirtschaftliche Interesse an niedrigen Energiepreisen. Daher sei notwendig möglichst viele Quellen, etwa für Rohöl, zu erschließen und deren freien Fluss zu gewährleisten. Das andere Lager, maßgeblich vertreten etwa von der Regierung Bush Junior, unterstützte die partikularen Interessen der Öl- und Gasindustrie, die natürlich ein Interesse an hohen Preisen, und damit auch an der Möglichkeit hat, das Angebot künstlich zu verknappen.

Sowohl Sigmar Gabriel als auch Laurent Fabius reisten unmittelbar nach der Unterzeichnung des JCPOA in den Iran und schlossen zahlreiche Vereinbarungen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit ab. Darunter befinden sich unter anderem eine Vereinbarung von Frankreichs Energieunternehmen Total über die gemeinsame Erdgasförderung im Offshore-Gasfeld South Pars im Rahmen eines Joint-Venture mit dem chinesischen Unternehmen CNPC. Insofern hat die US-Politik durchaus zurecht ein wirtschaftliches Interesse der EU-Staaten am Iran festgestellt.

Der französische Energieriese Total hat am Mittwoch gemeinsam mit anderen europäischen Unternehmen signalisiert, dass sie den Iran verlassen könnten, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs die Unternehmen nicht effektiv schützen. Total sagte, dass man auf das Multi-Milliarden-Gasprojekt verzichten würde, wenn nicht sichergestellt ist, dass die USA auf Sanktionen verzichten.

John Bolton veröffentlichte bereits im Januar eine Position zum JCPOA im Wall Street Journal. Seit April ist er Nationaler Sicherheitsberater. In dem Text nimmt die handelspolitische Bedeutung des Abkommens einen zentralen Platz ein ("Die Europäer sind mehr am Handel mit Teheran interessiert als an einem verschärften Abkommen"). Einen Teil der außenpolitischen Sichtweise in der amerikanischen Außenpolitik-Debatte beschrieb Peter Rough in Foreign Policy :

Seit Januar 2016, als das iranische Atomabkommen oder der Gemeinsame Umfassende Aktionsplan (JCPOA) in Kraft trat, hat der Iran Zugang zu 100 Milliarden Dollar an eingefrorenen Geldern, die auf Treuhandkonten auf der ganzen Welt geparkt sind. Gleichzeitig hat der Iran sein Handelsvolumen im Ausland drastisch ausgeweitet, auch mit der EU um Milliarden Euro pro Jahr. Zusammengenommen haben diese Fonds einen anhaltenden iranischen Durchbruch im Nahen Osten bewirkt, der darauf abzielt, die von den Amerikanern geführte regionale Ordnung zu zerstören.

Peter Rough

In diesem und anderen Beiträgen klingt vor allem die Sorge durch, dass eine wirtschaftlich gestärkte Republik Iran stärker als Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten agieren kann. In den vergangenen Jahrzehnten zielte die US-Außenpolitik im Wesentlichen darauf ab, sowohl den Iran als auch den Irak wirtschaftlich, politisch und militärisch mithilfe eines "Ausbalancierens der Macht" (Rebalancing) einzudämmen. Nach der Zerstörung des Irak und dem Krieg in Syrien nahm die regionale Bedeutung und Handlungsfähigkeit des Iran entsprechend zu, eine Entwicklung, die vor allem durch die ab 2011 verhängten Sanktionen gebremst wurde.

Neben den unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen, vor allem auf die weltweiten Energiemärkte, spielen also geopolitische Erwägungen und gemeinsame Interessen der engsten Verbündeten der US-Außenpolitik in der Region, Israel und das Königreich Saudi-Arabien, eine wichtige Rolle. Aus der amerikanischen Sicht kommt Europa, bzw. der EU, in dem Konflikt auch deshalb eine zentrale Position zu, weil sich die zuständigen Stellen einig sind, dass etwa Sanktionen nur wirksam werden, wenn sie gemeinsam mit den EU-Staaten verfolgt werden.

Ali Vaez beschrieb die Position der EU-Staaten in einer erneuten Auseinandersetzung um Sanktionen gegen den Iran wie folgt (Can Europe Save the Iran Deal?):

Obwohl diese Maßnahmen starke Signale für die Ernsthaftigkeit Europas bei der Anerkennung des JCPOA aussenden, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Maßnahmen weniger deutlich. Würden die europäischen Banken und Unternehmen, wenn sie vor einer scheinbar offensichtlichen Wahl zwischen dem 19 Billionen Dollar schweren US-Markt und einem 400 Milliarden Dollar schweren iranischen Markt stehen, das Risiko eingehen, mit dem letzteren Geschäfte zu machen?

Ali Vaez