DSGVO: Mondfinsternis statt Sternstunde

Mit unseren Daten wird frech gedealt - Ist die Datenschutz-Grundverordnung die Rettung? Ein Kommentar

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Ein Ungetüm aus dem Outer Space überrascht derzeit die Europäer: Die Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO). Sie ist heute in Kraft getreten. Eigentlich sollten wir alle aufatmen, dennoch: Uns beschleichen, obwohl lange angekündigt, irgendwie ungute Gefühle. Alles parat in Old Europe? Oder haben wir da irgendwas verpennt?

Die DSGVO: Ihre Regeln stehen seit zwei Jahren. Und doch, schlichte Erdlinge wie Friseure, Werkstattbetreiber oder der Bäcker um die Ecke sind baff, stehen im Regen. Sie erfahren vornehmlich aus den Medien, dass da möglicherweise was Relevantes auf sie zukommt. Strategische Aufklärung? Fehlanzeige. Die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung ist für ein Heer von Unternehmen und Vereinen ein rechtliches und organisatorisches Alien; die dringend notwendige Flankierung von staatlicher Seite blieb bislang aus, und an dem Manko scheint sich auch nicht viel zu ändern.

Nix "Stunde Null"

Im Moment flattern täglich solche Einwilligungsmails in unsre Postfächer wie: "Willst du mit mir gehen?" "Willst du bitte akzeptieren?" Da kann man dann bestenfalls in den Voreinstellungen was ändern, wenn man ganz viel Zeit, Lust und ein Quäntchen Ahnung hat. Was ich allein beim Mailanbieter sehe (in meinem Fall AOL), wer alles am Account ungefragt dranhängt - was wissen die bereits über mich, über mein Kommunikationsverhalten, über Sender und Empfänger, Uhrzeiten, Betreffs, Anhänge - Inhalte? Kann man das jemals wieder auf "Null" stellen?

Die Politik hat geschlafen - und schläft weiter. Landesdatenschutzbeauftragte und Zuständige im Bund zucken die Achseln, ihre stereotype Auskunft auf die Nachfragen besorgter Untertanen: "Wartet ab - dies und das werden die Gerichte schon klären." Man fühlt sich an den Dieselskandal erinnert: Hier wie dort wird Nicht-Politik auf dem Rücken der Bürger ausgetragen. Aus der Situation schlagen die geldschweren Profiteure und ihre gewitzten Kompagnons - Facebook, Google & Co. - nur wieder Kapital. Das beweist gerade auf zynische Weise Datenmilliardär Mark Zuckerberg.

Ende vom Lied: Restloser Ausverkauf?

Bei der Anhörung in Brüssel erledigt Zuckerberg die Befragung lässig als rhetorischen Spaziergang und speist die Politik einmal mehr mit Platitüden ab. "Zu kurz, (…) zu flach, (…) nicht substanziell", moniert da Udo Bullmann, Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten. "Statt Sternstunde gab es Mondfinsternis", räsoniert Nadine Schön, Vize-Chefin der CDU/CSU-Bundstagsfraktion enttäuscht. Nur bleibt die Frage erlaubt, was haben die Volksvertreter denn seit Jahren für einen Generalplan in Sachen Datenschutz?

Die deutsche Politik findet sich durch Nichtstun - wieder mal - unversehens auf der Seite der Geldriesen, in dem Fall der Datenzocker. Am Beispiel zeigt sich überhaupt Politikstil, genau wie im Dieselskandal: Die Kleinen können dann im Zweifel vor Gericht klären, was (für sie) Sache ist. Zuckerbergs Affentheater in Brüssel offenbart: Nicht nur Autobosse regieren zusammen mit Politik und Aufsichtsbehörden über unsere Köpfe hinweg. Jetzt lässt die Politik Firmen, Gewerbe und Selbstständige im datenrechtlichen Labyrinth spießrutenlaufen.

Wir Normalbürger werden unterdes mit der Verlockung rascher Klicks und dürftiger "Aufklärung" weiter zur Kasse gebeten - und hinterrücks ausgehorcht. Dabei fehlt es vor allem an einem: an der dringend nötigen Rechtssicherheit. Denn eins dürfte klar sein: Die Datensammelwut ist ungebrochen! Und das wollen wir Erdbewohner gewiss nicht: Während wir (gewohnt Kopf runter) auf unsere Endgeräte starren, vollzieht sich im Unsichtbaren unser restloser Ausverkauf.