Krill auf dem Rückzug

Krill-Schwarm. Foto: U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) / gemeinfrei

Der Krill bildet in der Arktis den Anfang der Nahrungskette. Wegen Klimawandel, Fischerei und Plastik-Verschmutzung sind die Krill-Vorkommen weltweit bedroht

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Das arktische Meereis ist durchsetzt mit winzigen Plastikpartikeln. Zu diesem Schluss kamen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), die in fünf verschiedenen Regionen um den Nordpol mit Hilfe spektrometrischer Verfahren verschiedene Meereisproben untersuchten. Hier fanden sie zum Teil mehr als 12.000 Mikroplastikteilchen pro Liter Meereis. Die Konzentration an Mikroplastik war zwei bis drei Mal höher als in früheren Proben.

In einer Analyse wurden 17 Kunststoffarten identifiziert, darunter Verpackungsmaterialien wie Polyethylen und Polypropylen, Lacke, Nylon sowie Celluloseazetat. Aus Letzterem werden Zigarettenfilter hergestellt. Besonders viel Polyethylen entdeckten sie in den Eisschollen des Kanadischen Beckens, welches mit dem Pazifik verbunden ist. Die Forscher vermuten, dass es sich hierbei um Reste von Verpackungen handelt, die im Nordpazifischen Müllstrudel treiben.

In Eisproben aus den Meeren vor der nordrussischen Arktisküste hingegen fanden sich Lackpartikel von Schiffsanstrichen und Nylonresten. Diese stammen vermutlich von Fischernetzen. Die Funde deuten auf lokale Verschmutzungen durch zunehmenden Schiffsverkehr und Fischfang in der Arktis hin.

Zwei bis elf Jahre lang in diversen Schichten gebunden

Während sie durch die Arktis treiben, nehmen die Eisschollen an Umfang zu, wobei das aufgenommene Plastik zwei bis elf Jahre lang in diversen Schichten gebunden bleibt. In Grönland angekommen, schmelzen die Eisschollen, wobei die Mikroplastikpartikel wieder freigesetzt werden.

Doch woher stammt das restliche Mikroplastik? Einen großen Einfluss hat der Abrieb von Autoreifen, erklärt Meeresbiologin Ilka Peeken im Interview mit der ARD, zum andern werden Kleinstpartikel aus Plastikkleidung mit jedem Waschgang ins Meer gespült.

Besorgt sind die Experten vor allem über den hohen Anteil kleinster Kunststoffteilchen. Mehr als die Hälfte der Partikel habe eine Größe von weniger als einem Zwanzigstel eines Millimeters. Das Mikroplastik wird vor allem von im Meer lebenden Kleinstlebewesen wie Ruderfußkrebsen und Wimperntierchen gefressen, die in der Arktis am Anfang der Nahrungskette stehen.

In einigen Laborstudien wurden bei Muscheln Entzündungen und bei Fischen Verhaltensänderungen nachgewiesen. Andere Tiere reagieren darauf, indem sie weniger fressen und wachsen oder sich weniger gut fortpflanzen

Krill - Ernährungsgrundlage im Ozean

Insbesondere beschäftigt die Wissenschaftler die Frage, wie hoch die Gefahr durch Mikroplastik für Plankton ist. 98 Prozent der Biomasse der Weltmeere besteht aus Plankton. Es gilt als Grundnahrung für Fische, von den kleinsten bis hin zum größten der Ozeane. Sogar der Walhai ernährt sich außer von kleinen Fischen auch von Plankton.

Kieselalgen, Krill und Bartenwale bilden eine perfekt organisierte Nahrungskette. Verschwinden die Kieselalgen, leidet das tierische Plankton - wie der antarktische Krill, der sich auf Kieselalgen spezialisiert hat.

Um sich vor Räubern zu schützen, zieht sich der Krill bei Tageslicht in die tieferen Wasserschichten zurück und traut sich erst bei Dunkelheit nach oben. Dabei grast der antarktische Krill, der die Nähe zum Meereis bevorzugt, die grünlich leuchtenden Kieselalgen von den Meereisschollen ab.

Die bei Stress rötlich leuchtende Mini-Garnele wird bis zu sechseinhalb Zentimeter groß. Stirbt sie aus, wären viele Meerestierarten vom Hungertod bedroht. Denn Krill dient nicht nur zahlreichen Robbenarten als Nahrung, sondern auch diversen Bartenwalarten, Albatrossen, Seevögeln sowie Adelie-, Zügel-, Goldschopf-, Esels-, Kaiser-, Königs- und Felsenpinguinen. Innerhalb der Nahrungskette werden Pinguine wiederum von Seeleoparden gefressen.

Stress durch Klimawandel und Versauerung

Allein im Südlichen Ozean vermuten Experten 130 Millionen Tonnen Krill, der sich in Schwärmen durchs Wasser bewegt. Der Krill ernährt Blau-, Finn-, Zwerg- und Buckelwale genauso wie Bändereisfisch und wirbellose Meerestiere. Um tausende Leuchtgarnelen zu schlucken, brauchen die Wale einfach nur ihr Maul aufzureißen.

Einer Studie an der Yale-University von 2016 zufolge verringert sich vor allem für den jungen Krill der Lebensraum um bis zu 80 Prozent. Der größte Rückgang an Meereeis wird in der Westantarktis erwartet. In diesem Gebiet befinden sich schätzungsweise die höchsten Krillvorkommen.

So untersuchten Wissenschaftler der Veterinärmedizinischen Universität Hannover, wie sich die diversen Krillarten in der Antarktis verteilen. Im Sommer 2013 beobachteten sie, wie rund 5.000 Finnwale und mindestens 3.000 Buckelwale in das eisfreie Wasser des westantarktischen Teils des Südlichen Ozeans wanderten.

Während Finnwale am Rande der Drake Passage zu finden waren, suchten Buckelwale die Küstengebiete der Bransfield Strait auf. Die höchsten Krill-Vorkommen waren bei der Art Euphausia superba aufgetreten, während sich Euphausia crystallorophias in kleineren Mengen in der Nähe der Küste bewegte.