Angriffe auf US-Botschaftspersonal in Kuba und jetzt in China mit akustischen Waffen?

Bild: David Savochka/pexels.com

Trotz hoher Aufregung sind die Vorfälle ungeklärt. Möglicherweise eine Folge der Interaktion von Lauschmikrofonen und Jammern, sagen Wissenschaftler

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ende 2016 und 2017 gab es in den USA große Aufregung, als Mitarbeiter der US-Botschaft in Havanna plötzlich von seltsamen Geräuschen und körperlichen Problemen berichteten. Der Verdacht kam auf, dass Kuba mit einer Akustikwaffe aus welchen Gründen auch immer die Botschaft angreife -oder vielleicht sogar die Russen, die seit 2016 ja fast hinter allem stecken.

Hintergrund könnte Trumps Abkehr von der Kuba-Politik Obamas sein, der eine Annäherung anstrebte. Trump hatte schon im Wahlkampf angekündigt, Obamas Normalisierungspolitik zu beenden. Angesteckt von der mysteriösen Krankheit wurden auch kanadische Botschaftsangehörige. Kuba wies die Vorwürfe als Science Fiction zurück, das US-Außenministerium und das FBI konnten die Ursache nicht aufspüren und sprachen in Richtung einer Akustikwaffe von einem "Trauma nicht-natürlicher Herkunft". 17 Botschaftsangehörige wurden 2017 wegen des angeblichen Angriffs abgezogen, die Zahl der Botschaftsmitarbeiter verringert, kubanische Botschaftsmitarbeiter aus den USA ausgewiesen und für Amerikaner erneut erschwert, nach Kuba zu reisen und dort Geschäfte zu machen.

Mindestens 24 US-Botschaftsangehörige waren angeblich davon betroffen, 21 haben eine "Gehirnverletzung" erlitten. Dass wurde während einer Anhörung vor einem Senatsausschuss für Auswärtige Politik im Januar 2018 behauptet, bei der es um die "Angriffe" auf die Botschaftsangehörigen und ihre Familien ging. Die angeblich Angegriffenen würden sich über Kopfweh, stechende Ohrenschmerzen, Tinnitus, Sehstörungen, große Müdigkeit, Schwindel und Gehschwierigkeiten beklagen und führten dies auf hohe Geräusche zurück, denen sie nicht nur in der Botschaft, sondern etwa auch in einem fahrenden Auto ausgesetzt gewesen seien.

Allerdings war die Symptomatik individuell verschieden und ergibt kein einheitliches Krankheitsbild, das auf eine Ursache verweisen könnte. Die bekannten akustischen oder Lärmwaffen wie das Long Range Acoustic Device (LRAD) oder das israelische Scream sollen aber keine Hirn-Traumata wie bei den Amerikanern in Kuba verursachen. LRAD gibt einen schrillen, bis zu 150 dB lauten Ton ab, der sehr schmerzhaft ist. 120 dB gelten als Schmerzschwelle, an der bereits nach kurzer Zeit Hörschäden entstehen können. Scream soll Menschen durch Aussetzung an akustische Wellen schwindlig machen und Übelkeit hervorrufen. Mosquito soll mit unschädlichen schrillen Tönen (17 kHz) und einer Lautstärke von 5 dB über dem Hintergrundgeräusch Jugendliche vertreiben.

Warum die Kubaner oder wer auch immer einige Botschaftsangehörige akustisch belästigen sollte, blieb zudem schleierhaft. Die Töne wurden als hämmernd, quietschend oder brummend beschrieben, mal seien sie kurz nacheinander für 10 Sekunden gekommen, dann sollen sie auch schon mal eine halbe Stunde angedauert haben. Nach einer Aufnahme, die AP im Oktober 2017 erhalten hat, könnte das Geräusch so geklungen haben.

"Leichte und vage, aber anomale Hör- und Druckempfindungen"

Die Ursache blieb aber weiterhin unklar, vor allem republikanische Senatoren machten die kubanische Regierung verantwortlich. Das erinnert an den Skripal-Fall, wo allerdings noch viel schneller auf einen vagen Verdacht hin russische Diplomaten ausgewiesen wurden. So sagte Steve Goldstein vom US-Außenministerium: "Wir glauben, dass die kubanische Regierung die Antwort darauf hat und mehr tun sollte, uns zu unterstützen, um dies zu einer Lösung zu bringen." Der damalige Außenminister Tillerson hatte von "gezielten Angriffen" gesprochen. Die Regierung auf der "kleinen Insel" müsse zumindest wissen, wer das macht. Nach einem kurz vor der Ausschusssitzung bekannt gewordenen FBI-Bericht, die Bundespolizei war mehrere Male in Kuba gewesen, habe es aber keine Hinweise auf akustische Angriffe gegeben.

Vor wenigen Tagen kam das Thema erneut hoch. Ein Angehöriger des US-Konsulats in Guangzhou hatte von "leichten und vagen, aber anomalen Hör- und Druckempfindungen" zwischen Ende November bis April gesprochen, der der Botschaft in Peking am 18. Mai mitgeteilte Befund lautete auf eine "leichte traumatische Gehirnverletzung". Die Botschaft hatte daraufhin eine Warnung ausgesprochen.

Schnell kam wieder der Verdacht auf, dass nach den Kubanern nun auch die Chinesen US-Diplomaten traktieren wollen. US-Außenminister Pompeo fand das "sehr ähnlich und vollständig konsistent" wie in Kuba. Man werde herausfinden, was in Kuba und jetzt in China los war, sagte er.

Kevin Fu von der University of Michigan hat eine Vermutung formuliert, wie Quartz berichtet, die auch ganz interessant ist. Es soll sich nicht um akustische Waffen handeln, sondern die Symptome der Botschaftsangehörigen könnten mit Versuchen zu tun haben, die Botschaften und Konsulate mit modernen Ultraschall-Geräten abzuhören und dabei mit den Abwehrmaßnahmen eine akustische Interferenz zu verursachen. Im März hatte er mit Kollegen in der Zeitschrift IEEE Spectrum einen Artikel geschrieben und einen Bericht veröffentlicht, in dem sie das in Kuba aufgenommene Geräusch analysieren.

Sie vermuten es könne sich um eine Intermodulation zwischen verschiedenen Ultraschall-Signalen handeln. Ultraschall-Signale sind unhörbar, aber es kann bei einer Intermodulation zu einem Nebengeräusch kommen. Ihre Hypothese haben sie auch simuliert und in einem Experiment getestet, bei dem sie die Geräusche mit einem Smartphone aufzeichneten.

Zudem überprüften sie die Hypothese mit einem Experiment mit einem Lauschmikrofon, das Musik aus einem Raum mit einer Frequenz von 32-kHz zu einem weiter entfernt sich befindenden Ultraschall-Sensor schickte. Wurde die Übertragung durch eine 32-kHz Sinusschwingung gestört, traten die von Botschaftsangehörigen in Kuba beschriebenen metallischen Quietschgeräusche auf. Die Wissenschaftler meinen daher, dass dann, wenn ein Ultraschall-Mikrofon etwa mit einem Störsender (Jammer) konfrontiert wird, könne dies zu hörbaren Geräuschen führen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.