Waffen Made in Italy - Garantie für beste Qualität

Der kleine Klassiker: Die Beretta M1935. Foto: M62. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Wirtschaftsprofessor Sergio Parazzini im Interview

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Italien einer der weltgrößten Waffenlieferanten der Welt. Im April wurde gegen die Rheinmetall-Tochter RWM Italia Strafanzeige wegen Bombenlieferungen an Saudi-Arabien erstattet. Besagte Waffen sollen im Jemen gegen Zivilisten eingesetzt worden sein.

Internationale Kooperationen gibt es im Rüstungssektor seit eh und je, wobei es sich um einen Wirtschaftszweig handelt, in dem viele namhafte Unternehmen verwickelt sind. Er stellt einen signifikanten Zweig der italienischen Realwirtschaft dar, der, anders als die Regierung, auch keine Krisen kennt.

Weit über das alltägliche Politikgeplänkel und das aktuelle Filibustern hinaus, beeinflussen Beziehungen im Waffensektor in unvorstellbarem Ausmaße die Innen- und Außenpolitik. In diesem Interview mit dem langjährigen Experten zum Thema Waffenherstellung und Waffenexport, Sergio Parazzini, Professor für Angewandte Wirtschaft an der Universität Cattolica in Piacenza und Cremona, wollen wir versuchen, die aktuelle Lage ein wenig zu beleuchten.

Welche Länder sind die größten Waffenlieferanten? Welchen Platz nimmt Italien unter ihnen ein?

Sergio Parazzini: Das Stockholmer International Peace Research Institute (SIPRI) veröffentlicht dazu jährlich eine Statistik. Dieser können wir in absteigender Reihenfolge folgende Spitzenreiter entnehmen: 1. USA, 2. Russland, 3. Frankreich, 4. Deutschland, 5. China, 6. Großbritannien, 7. Spanien, 8. Israel, 9. Italien, gefolgt von Holland. Italien hat schon seit langem einen festen Platz unter den ersten 10 Waffenexporteuren, auch wenn es in den letzten Jahren vom vierten auf den 9. Platz dieser besonderen Liste zurückgesetzt worden ist.

Von welchem Volumen ist hier die Rede?

Sergio Parazzini: Im jährlichen Ministerratsbericht an das italienische Parlament kann nachgelesen werden, dass im Jahr 2016 die Exporte einen Wert von 14.637.770.000 Euro erreicht haben. Das sind 85,7% mehr als im Vorjahr. Der Grund dafür ist weitgehend der Vertrag mit dem Kuwait zur Lieferung von 28 Typhoon Eurofightern, für die Italien in diesem Fall Hauptauftragnehmer ist.

Was können Sie über den Import von Kriegsgerät berichten?

Sergio Parazzini: 2016 waren das knappe 612 Millionen Euro. Komponenten großer Waffensysteme werden oft in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus anderen Ländern der EU oder der NATO hergestellt.

Wer kauft Waffen Made in Italy?

Sergio Parazzini: Im Jahr 2016 war Kuwait der beste Abnehmer, gefolgt von den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Saudi-Arabien. Der Exportumfang nach Saudi-Arabien liegt in etwa bei 427 Millionen Euro. Das ist interessant, weil es weitgehend dem Produktionsquantum der RWM Italia entspricht. Dann folgen Katar, Norwegen, Türkei, Pakistan und Thailand. In den letzten Jahren exportierte Italien auch in die Länder des Nahen Ostens, insbesondere in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Bis jetzt sind wir noch im legalen Bereich. Wann wird der Waffenhandel eine schmutzige Angelegenheit?

Sergio Parazzini: Abgesehen von den internationalen Abkommen gibt es in Italien das Gesetz des 9. Juli 1990 Nr. 185 (und die daraus folgende Gesetzgebung, z.B. die Ministerratsverordnung 14. Januar 2005 Nr. 93 mit Vorschriften zur Kontrolle von Waffenlieferungen, oder das Legislativdekret des 22. Juni 2012 Nr. 105) und eine ganze Reihe daraus resultierender Normen, die die Ausfuhr von Rüstungsmaterial regeln.

Diese Richtlinien sollen vor allem die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten verbessern und vervollständigen. Eine weitere Maßnahme ist das Gesetz des 17. Juni 2003, das sich auf die Ratifizierung und Umsetzung der Rahmenvereinbarung zwischen Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden, Großbritanniens und Nordirland bezieht.

Problematisch wird es - und der Fall RWM Italia ist dafür emblematisch - wenn Waffen offiziell an ein Land geliefert werden sollen, in dem kein Krieg herrscht, sie aber dann in einem anderen Land eingesetzt werden, das einem Waffenembargo unterliegt. Bei RWM Italia waren die Exporte für Saudi-Arabien bestimmt, wurden aber dann gegen Zivilisten im Jemen in Anwendung gebracht.

Das alles ist schwer zu kontrollieren. Bei diesem Sachverhalt wird es der italienischen Staatsanwaltschaft nicht leicht fallen, die Art des Exports zu bewerten. Es wurde allerdings eine Strafanzeige eingereicht.

Small Arms

Welche Art von Waffen werden produziert und exportiert?

Sergio Parazzini: Italien produziert vor allem Flugzeuge, Hubschrauber und Schiffe. Die meisten dieser Waffensysteme werden in Zusammenarbeit mit Firmen aus anderen Ländern hergestellt. Der Eurofighter etwa, wurde von deutschen, italienischen und englischen Firmen entwickelt; Schiffe und Fregatten hingegen in Zusammenarbeit mit Frankreich.

Es gibt zwar keine gesellschaftliche Beteiligung zwischen den europäischen Unternehmen, aber es wurden Kooperationsvereinbarungen geschlossen, wie für die Leonardo-Tornados (Leonardo ist mit 25% am MBDA beteiligt) oder für Hubschrauber, insbesondere für die H101 und MH90. In Italien werden auch Kommando- und Kontrollsysteme für die NATO, Boden-Luft-Raketen, Fregatten und Raketen vom Typ Meteor hergestellt.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Genfer Jahresbericht über den Verkauf und den Export von Kleinwaffen, den sogenannten Small Arms and Light Weapons. Hier liegt Italien an zweiter Stelle, gleich nach den USA, und brilliert insbesondere mit dem Hersteller Beretta.

In den letzten Jahren haben auch andere Länder, unter ihnen auch Deutschland, begonnen, sich in diesem Bereich zu profilieren. Wir achten immer auf die großen Waffensysteme, in Wahrheit sind es Kleinwaffen, die den meisten Schaden anrichten und die meisten Opfer fordern.

Das ist ein sehr großes Problem, da die meist heimlichen Transporte von Waffen kleinen Kalibers am schwersten zu kontrollieren sind. Oft werden leichte Waffen im Balkan, bzw. in osteuropäischen Ländern zwischengelagert, wo meist jede Spur von ihnen verloren geht. Eine typische Waffe dieser Art ist die Kalaschnikow, die AK-47, die viele Nach- und Umbildungen erfahren hat. Auch in verschiedenen afrikanischen Ländern werden jetzt Waffen kleinen Kalibers hergestellt.

Damit befinden wir uns immerhin noch im Kontext der sogenannten konventionellen Waffen. Der Handel von Atomwaffen, chemischen und biologischen Waffen ist hingegen offiziell weiterhin nicht existent. Atomwaffen werden von den Herstellerländern kontrolliert, weshalb sie auch als strategisch gelten. Problematisch und unübersichtlich ist die Verbreitung der Techniken und von Know-how zum Bau von Atomwaffen.

Dual Use

Ist das Geschäft mit den Waffen eine reine Männerdomäne?

Sergio Parazzini: Meistens sind Männer involviert.

Ist ein gerüstetes Land auch ein sicheres Land?

Sergio Parazzini: Kein Land ist sicher. Alle Rüstung sollte politische Projekte allenfalls begleiten, doch immer mit dem Endziel eines friedlichen Zusammenlebens von Staaten. Das Vertrauen zwischen den Ländern sollte nicht auf Stärke oder Angst basieren, sondern auf Zusammenarbeit - auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wir müssen versuchen, Spannungen abzubauen. Aufgabe der Politik ist es, dahingehend zu vermitteln.

Dazu kann es manchmal der Kraft bedürfen; nicht der Gewalt; wobei Rüstung nicht das alleinige Werkzeug zur Etablierung internationaler Beziehungen sein sollte. Eine wichtige Rolle spielen da die pazifistischen Bewegungen.

Zu glauben, in einer friedlichen Welt zu leben, wäre allerdings völlig weltfremd. In Europa sollten wir zum Beispiel eine gemeinsame Verteidigungsindustrie anstreben, um Kosten zu senken. Das würde auch die konstante Suche nach Absatzmärkten überflüssig machen; denn ohne Absatzmärkte im Ausland könnten die Unternehmen momentan gar nicht überleben.

Können Sie mir etwas zum Dual Use sagen?

Sergio Parazzini: "Es ist nicht immer einfach die endgültige Verwendung einiger Werkzeuge zu überprüfen. Ein Helikopter etwa, der für den zivilen Gebrauch hergestellt wird, kann problemlos umgebaut und zu einem militärischen Gerät werden. Technologie an sich ist Dual Use und kann immer einen doppelten Verwendungszweck haben. Konflikte zwischen Großmächten werden jetzt nicht mehr im klassischen Sinne, zwischen Armeen und Heeren ausgetragen. Heute haben sie eher einen kybernetischen Charakter und zumindest auf verbaler Ebene herrscht heute weltweit ein kontinuierlicher Konflikt.