Oberster Gerichtshof Spaniens will Auslieferung Puigdemonts nur wegen Rebellion annehmen

Carles Puigdemont. Foto: Chatham House. Lizenz: CC BY 2.0

El Pais zufolge lehnt Richter Llarena "mit dem Rückhalt seiner Kollegen" eine Überstellung ab, wenn diese nur wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder erfolgt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der den spanischen Sozialdemokraten nahestehenden separatismuskritischen Tageszeitung El País zufolge will das Tribunal Supremo (TS), das Oberste Gericht Spaniens, eine "Übergabe" des abgesetzten katalanischen Regionalregierungschefs Carles Puigdemont "nicht annehmen", "wenn Deutschland bei der Ablehnung der Übergabe wegen Rebellion oder Auflehnung bleibt und sie auf Veruntreuung öffentlicher Gelder beschränkt". "Der Flüchtige" solle dann "in Deutschland oder wo auch immer bleiben".

Anlass für die Entscheidung, für die Richter Llarena angeblich den "fast einhelligen […] Rückhalt seiner Kollegen" hat, sind die Zwischenentscheidungen des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts, die nach Ansicht des TS darauf hinweisen, dass auch die endgültige Entscheidung "ausgehen könnte wie die erste". Am Obersten Gericht, so El País dazu, "herrscht die Überzeugung, dass es den Separatistenführern gelungen ist, ihr 'verlogenes' Narrativ bei einem großen Teil der öffentlichen Meinung in Belgien und Deutschland durchzusetzen und dass die Richter dieser Länder dagegen nicht immun waren".

"Praktische Straflosigkeit" wäre falsche "Botschaft" an Separatisten

Die zeitweise in Erwägung gezogene Möglichkeit, eine auf den Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder beschränkte Übergabe zu akzeptieren, wurde den Informationen der Zeitung nach "verworfen", weil sie "für Puigdemont eine praktische Straflosigkeit bedeuten" könnte, da in diesem Fall "nur jemand den veruntreuten Betrag […] begleichen und Puigdemont […] nicht ins Gefängnis" müsste.

Den abgesetzten katalanischen Regionalregierungschef "nur für ein Vermögensdelikt zu akzeptieren" wäre den Informanten von El País nach deshalb "nicht nur eine Benachteiligung der nicht flüchtigen Beschuldigten, sondern würde auch eine erratische Botschaft [aussenden] die die Separatisten glauben lässt, was in den Monaten September und Oktober im Parlament und auf der Straße passierte, sei gratis und es somit keine Straftat, ein illegales Referendum zu veranstalten, wenn es mit privatem Geld geschieht".

Bezüglich der Option, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzurufen, "um klären zu lassen, ob Deutschland das Recht des europäischen Haftbefehls richtig auslegt", ist Llarena inzwischen angeblich "unsicher geworden", da dies "eine Angelegenheit zwischen den europäischen Richtern ist, die auf gegenseitigem Vertrauen beruht und in die die Regierungen nicht einbezogen sind, während diese hingegen bei der traditionellen Auslieferung das letzte Wort haben."

Möglicher Regierungswechsel

Währenddessen zeichnet sich in Spanien ein möglicher Regierungswechsel ab. Der könnte geschehen, wenn es der sozialdemokratischen PSOE am Freitag gelingt, den bisherigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in einem konstruktiven Misstrauensvotum durch ihren Kandidaten Pedro Sánchez abzulösen. Dazu brauchen sie im (insgesamt 350 Sitze umfassenden) Unterhaus, dem Congreso de los Diputados, nicht nur die Stimmen ihrer 84 Abgeordneten und die 67 der Linkspartei Podemos, sondern auch die mehrerer Regionalparteien.

Separatisten, Autonomisten, Regionalisten (18 Bilder)

Alle Fotos: Claus Jahnel

Gabriel Rufián, ein Sprecher der mit neun Abgeordneten im Nationalparlament vertretenen katalanischen Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), hat bereits erklärt, seine Partei werde trotz der unabhängigkeitsfeindlichen Politik der PSOE für Sánchez stimmen, weil es "keine Option, sondern eine Pflicht [sei], die Diebe und Kerkermeister zu vertreiben". Gleiches gilt für die acht Abgeordneten der Partit Demòcrata Europeu Català (PDeCAT), der Partei von Carles Puigdemont, und die zwei Abgeordneten der baskischen Euskal Herria Bildu.

Auch der Abgeordnete der kanarischen Regionalpartei Nueva Canarias (NC), die (wie die ERC) der Europäischen Freien Allianz (EFA) angehört (vgl. "Katalonien ist eine europäische Angelegenheit"), dürfte dafür stimmen. Unsicher sind dagegen die fünf Stimmen der baskischen Euzko Alderdi Jeltzalea, die auf Spanisch Partido Nacionalista Vasco heißt und mit PNV abgekürzt wird. Sie verschaffte Rajoy unlängst eine Mehrheit, um seinen Haushalt zu verabschieden, und fordert von den Sozialdemokraten, dass Sánchez mit diesem Haushalt weiterarbeitet.

Die mit Rajoys Partido Popular (PP) konkurrierenden Ciudadanos wollen den durch mehrere Finanzaffären stark belasteten Ministerpräsidenten zwar loswerden, aber nicht Sánchez, sondern umgehende Neuwahlen, bei denen sie den Umfragen nach mit kräftigen Stimmenzuwächsen zu Lasten der PP rechnen könnten. Für den Fall, dass das von ihnen deshalb nicht mit unterstützte konstruktive Misstrauensvotum der Sozialdemokraten scheitern sollte, haben sie angekündigt, einen eigenen Misstrauensantrag zu stellen, der auf Neuwahlen abzielt (vgl. "Diebe und Kerkermeister" in Spanien aus der Regierung vertreiben).