Deutschland schneidet bei der Digitalisierung nur mittelmäßig ab

Der von der EU-Kommission erstellte Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) legt nahe, dass Deutschland auch innerhalb der EU abgehängt ist

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Ganz an der Spitze stehen Dänemark, Schweden, Finnland und die Niederlande, ganz am Ende stehen Italien, Bulgarien, Griechenland und Rumänien. Es geht um den von der EU-Kommission veröffentlichten Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI), der einmal jährlich zu erfassen sucht, wie weit die EU-Mitgliedsländer bei der Digitalisierung vorangeschritten sind. Deutschland schneidet dabei nur mittelmäßig ab, hinter Österreich und Spanien.

Die EU-Kommission will die Digitalisierung der Europäischen Union vorantreiben, schließlich liegt die EU gegenüber anderen Ländern teils weit zurück. Das sieht man auch bei der Einführung des 5G-Standards für Mobilfunknetze, nachdem Europa bereits bei LTE hinterherhinkt. Die USA, China, Südkorea oder Japan werden noch dieses Jahr mit der Einführung von 5G beginnen. Zwar will Telia auch in Stockholm und Tallinn mit Versuchen in diesem Jahr beginnen, aber in der EU wurde erst auf Druck der Kommission über den 5G-Aktionsplan im März eine Einigung über Voraussetzungen für die Einführung wie Telekommunikationsvorschriften und Frequenzvergabe erzielt.

Die Kommission strebt für 2025 die "5G-Gigabit-Gesellschaft" an, geplant war eigentlich 2020. Andere Staaten könnten da also viel schneller sein. Digitalkommissar Ansip drängt: "Wir müssen sofort auf 5G umschalten. Keine Zeit für eine Reflexionsphase, Geldsammeln oder sowas.". Allerdings ist fraglich, ob die Menschen überhaupt bereit sein werden, deutlich mehr für das 5G-Tempo zu zahlen. Das könnte vor allem für Deutschland ein Problem sein, da hier die Kunden bereits jetzt mehr für ihre Datenverbindungen zahlen als in vielen anderen europäischen Ländern, während es in den skandinavischen Ländern ebenso wie in Japan oder Südkorea kein Datenlimit gibt.

Wenn die derzeitige wirtschaftliche Lokomotive nur mittelmäßig ist und mit 55,6 DESI-Punkten nur knapp über dem EU-Durchschnitt von 54 Punkten auf Rang 14 von 28 kommt, liegt dies auch an der Konnektivität, womit Festnetzbreitband, Mobilfunkbreitband, Mobilfunkgeschwindigkeit und Preise erfasst werden. So wird Deutschland zwar bescheinigt, es sei zwar gut bei der Festnetzbreitbandnutzung und den diesbezüglichen Preisen, aber es gebe weiterhin eine "digitale Kluft zwischen Stadt und Land bezüglich der Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen", zudem sei der Anteil der Glasfaseranschlüsse im ganzen Land mit gerade einmal 2 Prozent "sehr niedrig". Bei der 4G-Netzabdeckung der Haushalte steht Deutschland ebenso wie bei der Mobilfunkbreitbandnutzung im letzten Drittel. Attestiert werden langsame Fortschritte.

Für den ehemaligen Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, und seine Staatssekretärin Dorothee Bär, die in der neuen Regierung zur Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragten der Bundesregierung für Digitalisierung wurde, ist das nicht gerade eine Erfolgsmeldung. Er hatte bei Amtsantritt getönt: "Deutschland braucht das schnellste und intelligenteste Netz der Welt. Nur so kann der Vorsprung in Technologie und Wohlstand gehalten werden."

Den Deutschen werden gute digitale Kompetenzen zugeschrieben, was unter Humankapital läuft. Die Deutschen hätten überdurchschnittliche digitale Kompetenzen, die Bevölkerung nutze das Internet regelmäßig. Wie in anderen Ländern gäbe es aber zu wenige IKT-Fachkräfte, was einen "signifikanten Kompetenzmangel" ausmache, auch die Zahl der MINT-Absolventen ist nicht sehr hoch, auch wenn er in den letzten Jahren leicht gestiegen ist.

Verschläft die Wirtschaft die Digitalisierung

Bei der Internetnutzung, eines weiteren DESI-Kriterium, liegt Deutschland nur auf Platz 21, da 30 Prozent der Deutschen das Internet in den bei der Umfrage 2017 vergangenen 3 Monaten nicht genutzt haben. Bei der Nutzung der Sozialen Netzwerke liegt Deutschland auf dem vorletzten Platz. Auch was Online-Banking angeht, sind die Deutschen zurückhaltend, nur 62 Prozent haben dies in den letzten 3 Monaten gemacht. Allerdings kaufen die Deutschen überdurchschnittlich gerne online ein, hier landet Deutschland auf Platz 6.

Und bei der "Integration der Digitaltechnik" wird Deutschland Fortschritt zuerkannt. Aber auch hier steht der Online-Handel im Vordergrund. Aber ansonsten sind die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eher träge: "KMU nehmen nur langsam digitale Technologien in Anspruch und 34,6 % davon weisen nur eine sehr geringe Digitalisierung auf. Nur 5,3 % der deutschen KMU zum Beispiel verwendeten im Jahr 2016 Big Data Analytik, verglichen mit fast 10 % der europäischen KMU."

Weit hinten rangiert Deutschland bei der Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgern bzw. den öffentlichen digitalen Diensten. Nutzer von eGovernment-Angeboten gibt es vergleichsweise wenig, hier kommt Deutschland mit 39 Prozent auf Platz 25 von 28. Digitale Gesundheitsdienstleistungen nutzen nur 7 Prozent, was Platz 26 ergibt, im europäischen Durchschnitt sind es 18 Prozent. Zurückgeführt wird das auf die niedrige Akzeptanz solcher Dienste bei Allgemeinmedizinern und Krankenhäusern.