YPG ziehen ihre letzten "Berater" aus Manbidsch ab

SDF/YPG kündigen Fortsetzung des Kampfs gegen die verbliebenen Stellung des IS im Osten des Euphrat an.

Einmal wieder scheinen die USA und die Türkei eine Einigung über die syrische Stadt westlich des Euphrats kurz vor den Wahlen erreicht zu haben, Ankara will aber mehr und rückt auch im Nordirak vor

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie schon länger zu erwarten war, opfert die US-Regierung die syrischen Kurden den türkischen geopolitischen Interessen. Dass US-Präsident Donald Trump, der am liebsten die USA militärisch aus Syrien zurückziehen würde, wenn da nicht auch wie im Irak die Konfrontation mit dem Iran stattfinden würde und israelische Interessen auf dem Spiel stünden, die vom Pentagon unter Obama unterstützten bzw. als Bodentruppen instrumentalisierten Kurden nicht vor der Türkei schützen wird, war nach der Invasion in Afrin bereits klar. Jetzt haben sich Washington und Ankara geeinigt, dass die kurdischen Milizen die schon lange von der Türkei begehrte Stadt Manbidsch (Manbij) räumen und sich Richtung Osten hinter den Euphrat zurückziehen sollen.

US-Außenminister Mike Pompeo und sein türkischer Kollege Mevlut Cavusoglu haben gestern einen "Fahrplan" beschlossen, der zu "Sicherheit und Stabilität in Manbidsch" führen soll. Damit hätte sich Erdogan nach langen Konflikten mit Washington in dieser Frage durchgesetzt, türkische Truppen mit ihren teils islamistischen Milizen werden dann einen weiteren Teil von Syrien besetzt halten - unter dem Deckmantel, dass "lokale Führer" die Verwaltung übernehmen. Die vom US-Außenministerium veröffentlichte Mitteilung enthält keine Einzelheiten, wie der Abzug vonstattengehen soll.

Von türkischer Seite heißt es, es gebe dafür einen Zeitplan, der weniger als ein halbes Jahr vorsieht. Der türkische Außenminister sprach von 10 Tagen bis zum Beginn des Abzugs, beim Verlassen der Stadt würden die Kämpfer entwaffnet. Von amerikanischer Seite wird ein Zeitplan bestritten, so dass durchaus möglich scheint, dass Washington trotz scheinbarer Zustimmung eine Lösung des Problems weiter aufschieben will. Die Türkei verspricht, nur einen Stützpunkt außerhalb von Manbidsch zu errichten, aber im Unterschied zu Afrin wolle man militärisch keine weiteren Operationen durchführen, sondern nur sicherstellen, dass es keine "terroristische Präsenz" an der Grenze gibt. Überdies erwarte man nicht, dass die USA die YPG als Terrororganisation liste.

Die Kurden scheinen Manbidsch aufzugeben

Die YPG meldet wahrscheinlich in einem Versuch, die Amerikaner noch umzustimmen, dass man die "letzten militärischen Berater" aus Manbidsch abziehen werde oder bereits abgezogen habe. Man sei 2016 einer Bitte des Manbidsch Militärrats, der mit Unterstützung der SDF gegründet wurde, nachgekommen, die Stadt vom Islamischen Staat zu befreien. Man habe dies in Kooperation mit den "internationalen Streitkräften" erreicht. Nach dem Sieg habe man die Verwaltung dem Militärrat übergeben, einige "Berater" seien auf Wunsch des Militärrats in der Stadt geblieben, sie hätten aber jetzt ihre Pflicht getan. Danach scheinen die YPG/SDF Manbidsch aufzugeben. Bewohner der Stadt, so kurdische Medien, würden sich gegen die Einnahme durch die Türkei zur Wehr setzen.

Zudem erklären die YPG, sie hätten die Operation Jazeera Storm wieder aufgenommen, um die letzten Reste des IS östlich des Euphrats in Syrien zu vertreiben. Währenddessen soll der Widerstand gegen die türkische Besetzung von Afrin weitergehen.

Wahlkampfgeschenk für Erdogan

Schon vor Monaten war die Übergabe von Manbidsch schon einmal angedacht worden, kam aber dann nicht zustande, nachdem türkische Truppen in Afrin einmarschiert waren. US-Spezialeinheiten versicherten damals, dass sie die kurdischen SDF verteidigen würden. Ob jetzt türkische und amerikanische Truppen den Abzug überwachen sollen, wie es damals vorgesehen war, ist nicht klar. Schon bei dem Vorstoß der SDF nach Manbidsch gegen den IS hatte die Türkei protestiert und gefordert, dass die Kurden den Euphrat nicht überschreiten dürften.

In Ankara wollte man um jeden Preis vermeiden, dass die Kurden mit der Vertreibung des IS den Korridor zwischen den von ihnen kontrollierten Gebieten schließen könnten. Die USA versprachen, dass die SDF sich aus Manbidsch zurückziehen und die Verwaltung lokalen Kräften übergeben würde, was aber mit dem Manbidsch Militärrat nur nach außen hin geschah und zur Verbitterung in Ankara führte. Die Türkei war erst gegen den IS an der Grenze vorgegangen, als die Gefahr bestand, dass die Kurden von beiden Seiten den Korridor nach Syrien von Dscharablus im Norden schließen könnte, womit die von der Türkei unterstützten "Rebellen" und islamistischen Milizen in Syrien von der Versorgung abgeschnitten worden wären - für Erdogan die Garanten, um den türkischen Einfluss in Syrien und den Widerstand gegen Assad zu sichern.

Für Erdogan ist die Einigung, wenn sie denn auch wirklich umgesetzt wird, ein Geschenk vor der anstehenden Wahl, wahrscheinlich auch auf dem Hintergrund der Konflikte um den Kauf von F-35-Jets, was Washington hinauszögert, und des russischen Raketenabwehrsystems S-400, wogegen Washington opponiert. Für die USA ist es womöglich ein Versuch, weiter Einfluss in den von der Türkei besetzten Gebieten zu erhalten und den Kurden und damit der direkten eigenen Kontrolle das Gebiet östlich des Euphrat zu erhalten. Mit der Androhung, gegen Manbidsch vorzurücken, hatte auch Frankreich Spezialeinheiten dort stationiert. Inwieweit Paris in die Verhandlungen mit der Türkei einbezogen ist, wurde bislang nicht klar.

Nato-Mitglied Türkei dringt weiter in den Irak vor

Derweilen eskaliert die Türkei den militärischen Konflikt mit dem Irak. Man habe die Militärpräsenz in den kurdischen Gebieten im Nordirak verdoppelt, sagte Regierungschef Binali Yildirim am Sonntag. Man habe jetzt bereits 11 Stützpunkte: "Unser Ziel ist es, den Terror zu eliminieren, bevor er auf unseren Boden vordringt, und unsere Grenze zu sichern."

Ähnlich wie in Syrien nimmt sich die Türkei auch im Irak heraus, militärisch ohne Genehmigung mit der Zentralregierung zu intervenieren. Im Nordirak bombardiert die Türkei schon lange PKK-Ziele, im März sind erstmals türkische Bodentruppen in den Nordirak einmarschiert. Allerdings sind die Pläne größer, als die PKK zu vertreiben und deren Hauptstützpunkt in den Qandil-Bergen einzunehmen (Türkei setzt Expansionskurs ungehindert fort).

Yildirim sagte, man syrisches Territorium in einer Länge von 250 km westlich des Euphrat "vom Terror gesäubert" habe. Jetzt wende man den Blick auf die andere Seite des Flusses: "Wir haben noch immer Aufgaben im Osten des Euphrat, der bis zur irakisch-iranischen Grenze reicht. Das bedeutet, wir haben dort noch Aufgaben in einem Bereich von 1000 km zu erledigen." Mit der Kontrolle über den Euphrat könnte die Türkei noch stärker die Wasserversorgung in Syrien und auch im Irak steuern.