Die Rezession der Neuen Rechten

Kommentar: Der kommende Krisenschub wird durch die Politik des Rechtspopulismus in den USA und Europa beschleunigt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auf einmal scheint dem exportgetriebenen Dauerboom in der Bundesrepublik sehr schnell die Luft auszugehen. Es seien "dunkle Wolken", die sich über Deutschlands Industrie zusammenzögen, kommentierte die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) die jüngsten konjunkturellen Frühindikatoren. Spiegel-Online berichtete, dass es in Europa nicht besser aussehe. Der wirtschaftliche Ausblick der Eurozone habe sich "dramatisch verschlechtert", Ökonomen warnten inzwischen auch einem Abwärtstrend.

Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge ist der Auftragseingang der deutschen Industrie in vierten Monat in Folge zurückgegangen. Dies sei die "längste Auftragsflaute seit der letzten Finanzkrise", konstatierte die FAZ. Analysten, die eine konjunkturelle Belebung erwarteten, zeigten sich überrascht von dem schwachen Jahresauftakt. Der Auftragsrückgang um 2,5 % im April sei "eine weitere kalte Dusche", erklärte beispielsweise Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba-Bank gegenüber der Zeitung. "Die Entwicklung sieht nicht gut aus", kommentierte auch der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Der "Dämpfer" wurde zumeist mit der "jüngsten Debatte um Strafzölle" erklärt, da die handelspolitischen Konflikte "erhebliche Verunsicherung" in die Wirtschaft hineintragen würden.

Inzwischen entwickle sich der zunehmende nationalistische Protektionismus zu einer regelrechten "Bedrohungslage" für die deutsche Exportindustrie, berichtete die Frankfurter Allgemeine. "Unsere international aufgestellte Wirtschaft droht zwischen die Mühlsteine zu geraten", klagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, gegenüber der FAZ. Schlimmstenfalls - bei einer Eskalation zu einem globalen Handelskrieg zwischen den USA, EU und China - drohten der Exportindustrie "irreparable Rückschläge".

Donald Trump: Vorbild und Liebling der AfD

Trumps rechtspopulistische Politik scheint somit bereits Wirkung zu zeigen - noch ehe sie umgesetzt wurde. Die Neue Rechte, die von Trump bis zur AfD von einer glorreichen Rückkehr in den nationalen Mief fabuliert, scheint somit endlich am Ziel: Grenzen dicht! Und alle Lichter gehen aus. Es zeichnet sich bereits jetzt überdeutlich ab, dass die exportabhängige Bundesrepublik samt der austeritätsgeplagten Eurozone besonders stark von den kommenden Handelskriegen in Mitleidenschaft gezogen werden wird, die der Rechtspopulist Trump entfacht.

Dabei stellt der selbstverliebte und zunehmend erratisch agierende US-Präsident auch einen Posterboy der Neuen deutschen Rechten dar, die schon immer darauf hoffte, von seiner Wahl zu profitieren. Es waren nicht nur die Heerscharen rechter Forentrolls, die Trumps Wahlsieg bejubelten, auch Parteigrüßen der AfD zeigten sich begeistert - und kündigten umgehend an, die Methoden des amerikanischen Populisten zu übernehmen.

Der AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron zeigte sich nach der Wahlnacht im November 2016 "heiser von den Jubelschreien" für seinen Präsidenten Trump. Bundesvorsitzender Jörg Meuthen sah Trumps Sieg als ein "gutes Signal für die Welt", das eine "Zeitenwende" markiere. Dutzendfach hätten sich AfD-Funktionäre dahingehend geäußert, dass der Sieg Trumps auch ein Sieg "gegen illegale Einwanderung" und für eine "Rückbesinnung auf den Nationalstaat" sei, so die FAZ damals.

In den Reihen der AfD wurde die Hoffnung geäußert, dass dies ein Omen für den "Triumph aller Nationalgesinnten und Einwanderungskritiker" in der Bundesrepublik sei. Die AfD-Fraktion in Sachsen Anhalt verband ihre Glückwünsche an Trump gar mit einer Kampfansage an "Merkels Globalismus". Auch der Rechtsaußen der AfD, Björn Höcke, fand im März 2017 lobende Worte für Trump.

Das Weiße Haus zeigte sich erkenntlich angesichts so viel Bewunderung - und lud im Februar 2018 AfD-Größen zum sogenannten nationalen "Gebetsfrühstück" mit dem Präsidenten in Washington ein. Volker Münz von der AfD erklärte, er freue sich auf das Treffen mit mehr als 3000 einflussreichen Teilnehmern. Er hoffe auf "wertvolle Gespräche und Kontakte mit interessanten Persönlichkeiten aus den USA und aus den eingeladenen Delegationen." Auch der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, agiert de facto als Unterstützer der AfD.

Der egomanische Rechtspopulist, dessen Protektionismus den Exportweltmeister Deutschland nun ins Mark zu treffen droht, wurde von den "Patrioten" der AfD als eine Art Messias gefeiert - gerade weil Trump und AfD tatsächlich die Grundzüge ihrer rechtspopulistischen Politik teilen. Die nationalistische Deutschtümelei stellt einen Eckpfeiler der Rhetorik und des Programms der neuen deutschen Rechten dar - zumeist garniert mit der Sorge um die "Souveränität" einer Bundesrepublik, die in der vergangenen Dekade die Politik Europas dominierte. Auch der Protektionismus findet sich im Wahlprogramm der AfD - gemeinsam mit neoliberalen Dogmen.

Rückkehr zur Nation und die Globalisierung

In der historischen Periode der Globalisierung die Ursache für die aktuellen Krisen und Verwerfungen erblickend, propagiert die Neue Rechte in den USA wie in Europa eine Rückkehr zur Nation. Die Rückbesinnung auf die nationale Volkswirtschaft, auf dem souveränen Nationalstaat wird als ein Gegengift zu der Auflösung nationaler Identitäten in einer krisenhaften globalisierten Weltwirtschaft propagiert. Das Zurückdrehen der Uhr ins 20. Jahrhundert, die ethnische Homogenisierung der Gesellschaft, sie sollen die Krise überwinden, die oftmals als das Produkt einer Verschwörer-Clique von "Globallisten" halluziniert wird.

Dabei ist es gerade diese durch den Rechtspopulismus befeuerten protektionistische Tendenzen, die den Krisenprozess noch zusätzlich verschärfen und in neue Dimensionen zu eskalieren drohen. Anstatt der erhofften Rückkehr zur heilen heimatlichen Scholle im engen nationalen Mief droht ein euer Krisenschub, der in seiner Intensität den der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts - als zuletzt viele Nationalstaaten mit Protektionismus auf eine Weltwirtschaftskrise reagieren - übertreffen könnte.

Doch wieso entfaltet eigentlich der Protektionismus, der dumpfe rechtspopulistische Drang zur Rückkehr zur nationalen Volkswirtschaft, eine solch verehrende Wirkung? Globalisierung bildet nicht die Ursache des Krisenprozesses mit seinen Verwerfungen, wie Finanzmarktblasen und zunehmenden Flüchtlingsströmen, sondern seine historische Verlaufsform.

Die Globalisierung war vor allem eine Globalisierung der Verschuldungsdynamik, die in den vergangenen Dekaden sehr viel schneller anstieg als die Weltwirtschaftsleistung - und folglich als ein wichtiger Konjunkturmotor durch Generierung kreditfinanzierte Nachfrage fungierte. Dies wird gerade aufgrund der aktuellen handelspolitischen Auseinandersetzungen evident, da die USA nicht mehr bereit sind, ihr enormes Defizit hinzunehmen, da es zu Deindustrialisierung und Pauperisierung führt und eben solche politischen Gestalten wie Trump hervorbringen kann. Umgekehrt wird auch evident, dass exportorientierte Volkswirtschaften wie die Bundesrepublik von diesem Schuldenexport in die USA abhängig sind. Die gesamte spätkapitalistische Weltwirtschaft lebt somit auf Pump.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.