Ein unberechenbarer Saboteur und das Ende des Westens

Gruppenfoto G-7. Foto: kantei.go.jp/ CC BY 4.0

Reaktionen auf Trumps nachträgliche Rücknahme seiner Unterschrift unter die G-7-Erklärung

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Der Satz, dass jetzt Schluss ist - "Sie sind gefeuert" - macht viel vom Drama der Fernsehshow "The Apprentice" aus, die Donald Trump in den USA nochmal richtig berühmt gemacht hatte. Dass Erfolgsrezepte, die beim Publikum ankommen, immer und immer wieder verwendet werden, liegt auf der Hand. Die Wähler in den USA werden seit ewigen Zeiten wie das Publikum einer Unterhaltungsshow angesprochen.

Es ist also gut möglich, dass Trump mit der nachträglichen Rücknahme seiner Unterschrift unter der G-7-Erklärung klug gehandelt hat und Erfolg bei seinen Wählern hat, die letztes Mal ja immerhin in der Mehrheit waren. Anfang November steht die wichtige Wahl zum Repräsentantenhaus an und bislang kommt die "America First"-Politik von Trump in den Staaten gut an (außer bei der New York Times).

Der Bruch mit den Regeln wird Trump bei seinen Anhängern nicht und bei der Wählerschaft in den USA vermutlich kaum schaden, es sei denn, es würde sich schon in absehbarer Zeit deutlich und unmissverständlich zeigen, dass der Alleingang und die Unzuverlässigkeit, die mit seinen Kurswechseln verbunden sind, Konsequenzen für den US-Arbeitsmarkt haben.

Langfristig sehen europäische Kommentatoren große Probleme. Wenn nun auch der Termin mit Kim Jong-un am Dienstag zu keinem Ergebnis führt, dann wird er alleine dastehen, liest man zum Beispiel im österreichischen Standard und das dürfte in Europa keine Einzelmeinung sein:

Er hält keine Kritik aus, reagiert emotional und schlägt dann wild um sich - zu Hause genauso wie in der Weltpolitik. Das macht ihn und seine Politik völlig unberechenbar. (…)

Für den kommenden Gipfel mit Kim ist das ein böses Omen. Trump hat bereits erklärt, dass er sich für das Treffen nicht vorbereitet, sondern sich von seinem Instinkt leiten lassen wird. (…)

In achtzehn Monaten hat Trump alle Verbündeten vergrault und sein Land in die internationale Isolation geführt. Nun steht er vor seinem größten Härtetest. Die Supermacht USA hätte zwar alle Mittel, um aus dem Treffen mit Kim einen diplomatischen Erfolg zu machen. Doch dass Trump diese Instrumente auch nur annähernd beherrscht, glaubt inzwischen niemand mehr.

Standard

Neben der auf Inszenierung fixierten Persönlichkeit Trumps gerät aber noch ein Problem in den Blick: die Bedeutung des G-7-Treffens. Man kann sich sicher sein, dass es international auch einige Schadenfreude darüber gibt, dass das Einverständnis und das Selbstverständnis der sechs anderen mit dem Ausscheren der USA unter Trump, der sich möglicherweise noch weitere sechseinhalb Jahre im Amt hält, den nächsten Einbruch erlitten hat. "Der Westen ist vorbei", heißt es in der Gegenöffentlichkeit.

Keine überzeugende unabhängige Haltung

Wahr ist, dass sich in der abweichenden Meinung Merkels und Macrons zu Trumps Ausstieg aus der Iran-Affäre keine echte, von sich selbst überzeugte, unabhängige Haltung geformt hat, aus der eine andere Politik zu machen wäre. Zu wenig will man auf eigenen Beinen stehen angesichts der Finanzmacht USA oder man traut sich nicht, hat gar kein eigenes Konzept, sondern übernimmt nur Forderungen aus dem Skript der USA (Nachverhandlungen bei den Punkten "Raketen, Präsenz Irans im Nahen Osten"), ohne mit eigenen Vorstellungen aufzutreten.

Das Iran-Abkommen war auch Thema beim G-7 in Kanada. Es zählte zu den Erfolgserlebnissen, schreibt Le Monde. Bei außenpolitischen Themen war der gemeinsame Nenner noch zu erreichen - um den Preis, dass man vor allem die Position der USA annimmt.

Generell schildert die französische Zeitung den Verlauf der Gespräche, wo die Europäer, Kanada, Japan den USA gegenüberstanden als von Trump geprägt. Hinter der freundlichen Fassade für die Fotografen seien die intensiven Diskussionen von einer Herbheit gewesen, die für solche Anlässe rar sei. Trump habe schon beim Arbeitsabendessen am Freitag bittere Anklagen erhoben.

Regelungen und Machtkämpfe

Der Passus, dass sich die Unterzeichner des Abschluss-Kommuniqués beim internationalen Handel an Regeln halten wollen, sei zusammen mit den Abmachungen zur WTO einer der am meisten umkämpften Streitpunkte gewesen, berichtet die Finanzzeitung Les Echos. Dort fürchtet man ungute langfristige Konsequenzen auf den Handel durch Trumps Ausstieg und seine Abneigung gegen multilaterale Regelungen.

Trump selbst beharrte auf den 270 Prozent kanadische Zölle auf Milchprodukte, auf die Nachteile der US-Industrie durch Stahl aus der EU und Kanada und die Autoproduktionen. Zudem ging ihm Trudeaus Pressekonferenz auf die Nerven. Der hatte gesagt, dass sich Kanada nicht von den USA herumstoßen lassen wolle. Man darf gespannt sein, wie dieses Machtspiel fortgesetzt wird. Der Handel zwischen den USA und Kanada ist enorm.

Welchen Erfolg Trump bei der gegenseitigen Abhängigkeit damit haben wird, auf Härte zu setzen? Zu den Europäern erklärte er Journalisten, wie es die US-Publikation The Hill herausstellt, dass sie in diesem Machtkampf keine Wahl haben: "They have no choice. I'll be honest with you, they have no choice."

Bemerkenswert ist, dass, zumindest in der Darstellung von Le Monde, der französische Staatspräsident Macron keinen unbedingt schlechten Eindruck vom G-7 hatte. Es habe immerhin einen Dialog da gegeben, wo es seit Wochen nur einseitige Akte gegeben habe, wird er zitiert. Der französische Präsident hat sich sehr für den gemeinsamen Block gegen Trump engagiert. Seiner Meinung nach bilden die 6 einen Wirtschaftsraum, der stärker ist als die USA.

Besser doch mit Putin?

Vielleicht wollte Macron auch einen positiven Ausblick, weil Frankreich den nächsten G-7 im Sommer 2019 (wieder an einem postkartenschönen Ort, nämlich Biarritz) ausrichten will. Wenn es dann noch einen G-7 gibt ….

Aber anders als Merkel war Macron auf die Frage nach einer Einladung Putins längst nicht so bestimmt abweisend, statt wie die deutsche Kanzlerin auf die Krim zu verweisen, sprach Macron lediglich davon, dass die Minsker Vereinbarungen umgesetzt werden müssten. Mit Russland würde das Treffen wieder mehr Gewicht bekommen, so viel ist sicher.