Die Amerikaner sind nachrichtenmüde geworden

Das Ergebnis einer PEW-Umfrage, die das eher als Folge einer Informationsflut interpretiert, könnte aber auch eine Folge neuer politischer Konstellationen sein

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Es ist, wie man uns sagt, die Zeit der hybriden Kriege und der Verbreitung von Desinformationen oder Fake News, die gegnerische oder konkurrierende Gesellschaften destabilisieren sollen. Man unterstellt damit eine Amnesie, als wäre nicht das, was man seit Jahrzehnten als Psychologische Operationen bezeichnet, im Verein mit ausgestreuten Gerüchten und nationalen Medien, keine geläufige Strategie gewesen. Und als gäbe es keine Ahnung mehr von den Zeiten des Kalten Kriegs, als der Konflikt zwischen dem kapitalistischen Westblock gegen den kommunistischen Ostblock loderte, während jetzt der bröckelnde Westblock, dem unter Donald Trump seine Führungsmacht abhanden gekommen ist, mit Russland im Kampf um Einflusszonen liegt. Dabei geht es nur nicht mehr um Links oder Rechts, um Kommunismus oder Kapitalismus, sondern um wirtschaftliche und geopolitische Interessen.

Es geht um Macht, wobei nur noch manche der früheren ideologischen Bruchstücke ein vermeintliches Narrativ des Guten gegen das Böse simulieren. Aber diese Simulation ist für viele Menschen bereits nach den Eskapaden des angeblich epochalen Kriegs gegen den Terrorismus oder der "Achse des Bösen" (Saddam Hussein, den Iran oder Nordkorea) bereits im Leerlauf gelandet, die suggerierte Alternativenlosigkeit greift immer weniger. Der Kampf gegen das Böse und die Bösen hat die Welt nicht besser gemacht, sondern sie nur stärker fragmentiert und polarisiert. Daher greift die mit immer denselben Mitteln von Politikern, so genannten Think Tanks, die man eher Beeinflussungsorganisationen nennen sollte, und Medien betriebene Konstruktion des Bösen, den Wladimir Putin zu spielen hat, nicht mehr wirklich.

Zu der wachsenden Indifferenz, die freilich einhergeht mit zunehmendem Nationalismus selbst in Einwanderungsländern, die sich als "melting pott" verstanden haben, gehört natürlich auch, dass die simple Aufteilung in zwei sich bekämpfende Blöcke längst Vergangenheit und einer multilateralen Welt mit mehreren Spielern gewichen ist. Das sorgt für Unübersichtlichkeit, schnell wechselnde Allianzen, ein permanentes Ausspielen, schwindende Stabilität, flüchtige Deals - kein Zeitalter der Ideologen mehr.

Müde oder überwältigt?

Möglicherweise steht das auch im Hintergrund der Ergebnisse einer Umfrage, die feststellte, dass bei den Amerikanern eine Nachrichtenmüdigkeit umgeht. Das Pew Research Center hatte Ende Februar, Anfang März über 5000 erwachsene Amerikaner u.a. befragen lassen, ob sie sich von Nachrichten ermüdet oder erschöpft (worn out) fühlten. Dem stimmten mit 68 Prozent mehr als zwei Drittel zu. Nur 30 Prozent sagten, sie seien zufrieden mit der Menge der Nachrichten, die sie bekommen.

Die Pew-Autoren führen, das war auch die eigentliche Fragestellung, die Nachrichten-Ermüdung auf die Überlastung durch die Informationsflut zurück. Das sei auch bereits 2016 so gewesen, als eine Mehrheit sich erschöpft wegen der Berichterstattung über die Präsidentenwahl gezeigt habe. In den USA sind die Republikaner mit 77 Prozent stärker als die Demokraten mit 61 Prozent genervt von den Nachrichten. Und wer dem Nachrichtenstrom folgt, ist weniger abgetörnt als diejenigen, die unregelmäßig die Berichterstattung zur Kenntnis nehmen. Wenn 65 Prozent sagen, sie würden die Nachrichten meistens verfolgen, fragt sich nicht nur, welche sie meinen, sondern auch, was das bedeutet. Schauen sie einfach mal täglich eine Nachrichtensendung im Fernsehen?

Wenig verwunderlich ist, dass diejenigen, die nicht (mehr) regelmäßig die Nachrichten verfolgen oder die bezweifeln, dass Medien richtig informieren, nachrichtenmüde sind. Noch sind 58 Prozent immerhin der Meinung, dass die amerikanischen Medien die wichtigsten nationalen Themen ausgewogen darstellen.

Auffällig aber ist, dass die weißen Amerikaner deutlich mehr als die Latinos oder die Schwarzen von der Nachrichtenmüdigkeit erfasst sind. Frauen sind auch mehr als Männer davon erfasst, die Älteren geringfügig weniger als die Jüngeren. Aber hinterfragt wurde die Nachrichtenmüdigkeit nicht weiter. Sie dürfte eben auch mit der zunehmenden Komplexität der Politik in einer nicht mehr dichotomischen Welt zu tun haben, die aber weiter ersehnt wird. Sie hat sicher auch damit zu tun, dass es trotz großem Getöse kaum mehr eine wirkliche Alternative gibt. Die Menschen schließen sich in eine nationale Blase ein und wollen nicht mehr von Unwägbarkeiten belästigt werden.

Gut möglich, dass zunehmend mehr auch kein Interesse haben, sich in einer Blase einzuschließen und Meinungen bestätigt zu finden, sie wenden sich ermüdet ab - von den Nachrichten und der Politik. Manche beschreiben dies als postdemokratisch und als Zuwendung zu populistischen Ideologien gegen Migranten und für Grenzen, aber das könnte tiefer gehen. Vielleicht treten wir in ein Zeitalter ein, in dem sich die Menschen von der Welt abschließen, in ein Post-Nachrichten-Zeitalter, das letztlich auch die Sozialen Netzwerke ereilen wird.