Bisher größte Mobilisierung für baskisches Selbstbestimmungsrecht

Menschenkette am Strand von Donostia/San Sebastian

(Bild: Ralf Streck)

Fast 200.000 Menschen gaben sich nach katalanischem Vorbild die Hände für das Recht auf Selbstbestimmung und damit wurden die Erwartungen übertroffen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mit Unterstützung aus Katalonien und mit deren riesigen Menschenkette als Vorbild, an der 2013 mehr als zwei Millionen Menschen teilnahmen, haben sich die Basken mit einer zweiten großen Menschenkette am Sonntag die Hände gereicht, um für ihr Selbstbestimmungsrecht einzutreten.

Im Vorfeld hatten sich mehr als 100.000 Menschen bei der Organisation Gure esku dago (Es liegt in unseren Händen") eingeschrieben und für fünf Euro ihren Meter und ein Halstuch gekauft. Damit war gesichert, dass die 202 Kilometer abgedeckt waren, um die drei baskischen Metropolen Donostia (span. San Sebastian), Bilbao und Gasteiz (span. Vitoria) über eine Menschenkette zu verbinden.

Die Herkulesaufgabe wurde von 5.000 Freiwilligen geleistet, die Kilometer für Kilometer die mehr als 175.000 Menschen organisiert haben, die offiziell gezählt wurden. Sie lotsten zahllose Busse auf Parkplätze auf den vorgesehenen Kilometer, die von Stadtteil zu Stadtteil und von Dorf zu Dorf abgedeckt werden mussten.

Auch das Wetter spielte nach dem extrem verregneten Winter und Frühjahr nun mit. Die Sonne brannte auf die Teilnehmer herab, während sich am Kilometer Null andere sich am Strand vergnügten. Um beide Aktivitäten zu verbinden, schlossen sich Badende auch spontan in Badekleidung an und stellten sich solidarisch in die Kette.

Menschenkette mit Katalanen und dem Abgeordneten Gabriel Rufián (Bild: Ralf Streck)

"Die Unabhängigkeit ist zweitrangig"

“Ich dachte, man müsste sich einschreiben”, erklärt Izazkun Etxeberri, die einen der wenigen Badetage mit ihren Kindern am Strand verbringt und nun doch das “Angenehme mit dem Nützlichen” verbinden kann.

“Es geht um unser Recht, über unsere Zukunft selbst zu entscheiden”, sagt sie. Ob sie für oder gegen die Unabhängigkeit ist, sagt sie nicht. “Das ist ohnehin zweitrangig, denn es geht um unser Recht, frei darüber in einem Referendum entscheiden zu können, wie es auch Schottland getan hat, was Spanien aber brutal wie in Katalonien zu verbieten versucht.“

Wie viele andere Menschen hatte sie sich an der ersten Menschenkette vor vier Jahren noch nicht beteiligt. Damals stellte sich die Lage noch etwas anders war, die Untergrundorganisation ETA hatte zwar ihren Kampf schon seit Jahren eingestellt, doch erst vor gut einem Jahr wurde sie entwaffnet und hat sich kürzlich definitiv aufgelöst.

Zudem hat für viele Basken Spanien seinen undemokratischen Charakter in Katalonien klar gezeigt, wo eine friedliche Bewegung unterdrückt wird. "Wir hatten daran geglaubt, dass ohne Gewalt über alles gesprochen werden kann, wie es in Madrid immer wieder erklärt wurde", fügt Etxeberri bei. Das habe sich als Lüge und Ausrede erwiesen.

Somit ist es gegenwärtig für viele Basken leichter und zugleich dringender, sich solchen Initiativen für die eigenen demokratischen Rechte anzuschließen. So rief nun auch die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) genauso zur Teilnahme auf wie die spanische Linkspartei Podemos (Wir können es). Ja, sogar die beiden großen spanischen Gewerkschaften riefen auf, sich an der Menschenkette für das Selbstbestimmungsrecht zu beteiligen.

Die zwei Mal aufgeteilten Basken

2014 wurden über 123 Kilometer die Städte Durango und Iruña (span. Pamplona) in Navarra verbunden. Das hatte großen Symbolwert, da Iruña für die Mehrheit der Basken ihre Hauptstadt ist. Die liegt aber außerhalb der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) im "Autonomen Navarra".

So ist ein weiteres Problem für die Basken, dass sie nicht nur zwischen zwei Staaten (Spanien und Frankreich) aufgeteilt sind, sondern auch im spanischen Staat noch in zwei Verwaltungsgebiete aufgeteilt sind, weshalb die Mehrheit am Sonntag für eine Wiedervereinigung in einer unabhängigen baskischen Republik eingetreten sind.

Angereist waren auch etliche Katalanen. Sie wollten ein Stück der Solidarität zurückgeben, erklärten Josep und Maragida. Denn der katalanische Unabhängigkeitsprozess erhält seit Monaten viel Solidarität aus dem Baskenland. Und so stand der Kilometer 122 in Bilbao ganz im Zeichen der Solidarität mit Katalonien.