Libyen: Kampf ums Öl

Brennender Ölspeicher in Ras Lanuf. Bild: National Oil Corporation, Libyen, Twitter

Der Angriff auf wichtige Ölhäfen bringt erneut Feldmarschall Khalifa Haftar als Landesretter ins Spiel

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Stabile Verhältnisse in Libyen wären ein Ansatzpunkt für eine bessere Migrationspolitik. Erneut sind seit vergangener Woche Kämpfe um die Ölhäfen Ras Lanuf und as-Sider ausgebrochen. Katastrophale Schäden meldet die staatliche National Oil Corporation (NOC); Unterstützer des IS in Libyen freuen sich über den "Sieg, der ihren Brüdern zugutekommt", aber auch Feldmarschall Haftar, der Gegner der Dschihadisten, sieht laut Beobachtern durch die Ereignisse eine Chance, seinen Machtbereich zu vergrößern.

Der Golf von Sidra ist bedeutend für die Haupteinnahmequelle Libyens, man bezeichnet die Gegend als libyschen "Öl-Halbmond" (oil crescent). Dorthin kommt Öl über Pipelines aus den großen Feldern im Osten des Landes, dort wird es raffiniert und exportiert (siehe Bild). In Ras Lanuf konnte man vor dem Angriff etwa 950.000 Barrel Öl lagern, nun, da zwei Tanks zerstört wurden, reduziert sich die Speicherkapazität auf 550.000, so die staatliche Ölgesellschaft.

"Nationales Desaster"

Unter Gaddafi produzierte Libyen 1,6 Millionen Fass (barrel) täglich; nach einer langen Phase mit Produktionsschwierigkeiten war Libyen Anfang März wieder bei 1,1 Millionen Fass angelangt, nachdem eine Pipeline wieder eröffnet wurde. Das Niveau wurde seither ungefähr gehalten.

Rohölexporte aus Ras Lanuf betrugen im Mai etwa 110.000 Barrel am Tag, bei as-Sider (auch: es-Sider) lagen sie bei etwa 300.000. Das sind insgesamt gute 40 Prozent des Gesamtexports.

Insofern ist die Warnung des Chefs der National Oil Corporation (NOC) verständlich, dass es zu einem "nationalen Destaster" kommen könnte, wenn der Stillstand an diesen Terminals anhalte. Der Verlust für den Staat liege bei etwa 30 Millionen Dollar täglich.

Die Feinde des Feldmarschalls

Angegriffen wurden die Anlagen am vergangenen Donnerstag; die Angreifer sind keine Unbekannten. Es handelt sich um Ibrahim Jadran und die Benghazi Defence Brigades (BDB). Wichtig für alle diejenigen, die sich das libysche Personal nicht allzu sehr vertiefen wollen: Beide sind Gegner des auch im Westen bekannten Generals bzw. Feldmarschalls Khalifa Haftar, von dem es immer wieder heißt, dass er der Hoffnungsträger für eine neue Stabilität in Libyen sei.

Beide, Jadran und die Benghazi Defence Brigades, haben wie auch andere Gegenspieler des Generals Rechnungen mit Haftar und seiner LNA ("libysche Nationalarmee") offen, wie es die Beobachterin Claudia Gazzini formuliert. Jadran war von 2012 bis zum September 2016 Chef der Miliz, die die Kontrolle der Ölanlagen im Golf von Sidra (auch: Gulf of Sirte) hatte, der Petroleum Facilities Guards (PFG).

Im September 2016 eroberte Haftar und seine LNA-Miliz die Anlagen bei Ras Lanuf und as-Sidr. Jadran suchte immer wieder Rückeroberungen mit Bündnispartnern. Stets dazu bereit sind die Benghazi Defence Brigades (BDB), die zu den Feinden Haftars gehören.

Ihnen werden über Ansar al-Sharia Verbindungen zum Terrorismus, zu al-Qaida nachgesagt, wie auch zum offiziellen Verteidigungsminister der Einheitsregierung (und damit allein schon ein Haftar-Gegner), al-Mahdi al-Barghati wie auch zur nicht-offiziell anerkannten Regierung der Muslimbrüder in Tripolis.

Die Beziehungen zu den offiziell anerkannten Institutionen wie die Einheitsregierung oder den Präsidialrat sind "komplex und unklar", bemerkt der Think-Tank Crisisgroup, der manche lesbare und erhellende Analysen zur Lage in Libyen erstellt.

Dort ist auch nachzulesen, wie Jadran und die Benghazi Defence Brigades bereits im März 2017 die Ölhäfen angegriffen haben und im Dezember 2016 ein Bündnis von Milizen, das sich "Operationsraum für die Befreiung der Ölfelder und Ölhäfen" nannte, und bei dem neben dem Shura-Rat der Bengasi Revolutionäre auch die Benghazi Defence Brigade mit von der Partie war.

Auch der oben genannte Verteidigungsminister Barghati wurde mit dem Angriff in Verbindung gebracht. Wie sich im damaligen Lagebild der Crisis-Group zeigt, betrieb Regierungschef Serraj und der Präsidialrat einen ziemlichen Aufwand, um Anschuldigungen entgegenzutreten, dass auch sie mit dieser ominösen Milizenallianz in Verbindung gebracht werden.