Jemen: Die Befürchtung eines Häuserkampfes in al-Hudaida

Archivbild: Proteste gegen die Blockade im Jemen. Durch die Offensive auf die Hafenstadt al-Hudaida wird die Situation noch dramatischer. Foto (New York, 2017): Felton Davis / CC BY 2.0

Die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten jemenitischen Milizen melden die Eroberung des Flughafens. Ziel der Operation "Goldener Sieg" ist der Hafen. Dazwischen liegen Wohngebiete

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Nach acht Tagen eines "langsamen und konfusen" Vorankommens haben jemenitische Einheiten den internationalen Flughafen der Hafenstadt al-Hudaida unter ihre Kontrolle gebracht, berichtet der Le-Monde-Korrespondent Louis Imbert heute - mit der einschränkenden Bemerkung, dass es am Mittwochabend noch nicht klar war, ob die Huthis tatsächlich gänzlich aus dem Hauptgebäude des Flughafens verjagt wurden.

Auch beim Krieg im Jemen gilt wie anderswo und seit jeher, dass jede Nachricht einen propagandistischen Beiwert hat und eben deshalb je nach Interessenslage gestaltet wird. Die Nachricht von der Eroberung des Flughafens von al-Hudaida übermittelt der französische Korrespondent von einem hochrangigen Vertreter der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Die Einschränkungen stammen wahrscheinlich aus anderen Quellen.

Für die Vereinigten Arabischen Emirate ist die Eroberung der jemenitischen Hafenstadt am Roten Meer von großer Bedeutung. "Goldener Sieg" heißt die Militäroperation, von der sich die VAE und Saudi-Arabien eine entscheidende Wende im Jemen-Krieg versprechen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate exponieren sich

Auffällig ist, dass sich die Emirate bei dieser Militär-Aktion exponieren. Saudi-Arabien, das die Anti-Huthi-Koalition im Jemen anführt, wird nun in der Berichterstattung im Hintergrund gehalten. Das ist aus mehreren Gesichtspunkten interessant: einmal grundlegend, dass es so gut funktioniert, Saudi-Arabien im Hintergrund zu halten, spielt es doch eine wichtige Rolle im Jemenkrieg, der häufig als Krieg gegen Iran um die Machtstellung in der Region dargestellt wird.

Dass Saudi-Arabiens Rolle bei der Offensive in al-Hudaida im Hintergrund bleibt, ist vermutlich politische Absicht, die sich mit der Medienmacht Saudi-Arabiens gut steuern lässt. Dazu kommen exzellente Verbindungen, die saudische Vertreter zu Medien und andere Einflussorgane auf die Öffentlichkeit (z.B. Think Tanks) in Washington und London haben. Bei al-Jazeera ist noch ganz deutlich von einer saudischen und VAE-Offensive die Rede.

Grund für die öffentliche Zurückhaltung bei der Operation "Goldener Sieg" könnte sein, dass das Haus Saud die schlechte Presse scheut, die es in den letzten Monaten zum Jemen, den zivilen Toten und der humanitären Katastrophe mit über 20 Millionen Hilfsbedürftigen, knapp 18 Millionen Hungernden, etwa einer Million, die möglicherweise an Cholera erkrankt sind, 13 Millionen Schutzbedürftigen, zwei Millionen Binnenflüchtlingen und 280.000 Flüchtlingen (UNHCR Yemen) gegeben hat.

Das Grauen und das Risiko

Vor Augen geführt wurde das Grauen aus dem Jemen durch eine seit Wochen und Monaten ununterbrochene Serie von Bildern mit entsetzlich abgemagerten, gepeinigten Kindern in den sozialen Netzwerken. Eingerahmt wurden diese nicht selten mit der Botschaft, dass Saudi-Arabien und die USA, die sich doch andernorts über Baschar al-Assads Umgang mit der Zivilbevölkerung aufregen, hinter diesem entsetzlichen Horror stehen.

Möglich ist natürlich auch, dass sich zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien eine Konkurrenz im Krieg gegen die Huthis im Jemen entwickelt. Sicher ist jedenfalls das Risiko des Scheiterns, das mit der Eroberung der Hafenstadt Hudaida verbunden ist, weswegen sich die USA ebenfalls öffentlich sehr zurückhalten und die VAE rein militärisch gesehen auch - am Boden...

Die Söldner

Den schmutzigen Bodenkampf überlassen die Emirate nämlich den jemenitischen Streitkräften, die keine wirklich "ordentliche, staatliche Armee" darstellen, sondern ein Bündnis aus Gruppen und Milizen, die in vielen kritischen Berichten als Söldner dargestellt werden, die von den reichen Golfstaaten bezahlt werden.

Es handelt sich um schätzungsweise 20.000 bis 25.000 Kämpfer, berichtet Peter Salisbury, der unter der Allianz der "Streitkräfte des nationalen Widerstands" (National Resistance Forces) folgende Gruppen aufzählt: den Tihama Widerstand, angeführt vom Zaranek-Stamm; die von Salafisten geführte Sezessionisten-Miliz von Amalika ("Giants Brigade") sowie die jüngst formierten "Wächter der Republik", die vom Neffen des früheren Präsidenten Saleh angeführt werden.

Die Luftangriffe

Sie werden von der Luftwaffe der Emirate unterstützt und vom VAE-Kommando "beraten" bzw. angeleitet. Zwischen Flughafen und dem zu erobernden Hafen liegen acht Kilometer und dichtbesiedelte Wohngebiete; die Luftangriffe der letzten Tage auf Wohnviertel an der Peripherie von Hudaida, die zu Toten unter der Zivilbevölkerung geführt haben, sind ein Signal dafür, was im schlimmsten Fall passieren wird.

Gemeint ist damit ein langwieriger Häuserkampf mit Luftunterstützung, der bei einer Bewohnerzahl, die bei mehreren Hunderttausend liegt (manche nennen 300.000, andere 600.000), zu sehr vielen Toten führen wird. Dazu kommt die Bedeutung der Hafenstadt als Ort, der für die Versorgung von geschätzt 70 Prozent der Bevölkerung im Jemen verantwortlich ist.

Laut Yemen Post soll es in der vergangenen Woche 1.000 Luftangriffe gegeben haben und 50.000 Geflüchtete. Schon jetzt leidet die Stadt unter einem Wasserversorgungsproblem.