Russische Website USAReally.com irritiert in den USA

Twitter und Facebook haben den Account eilig gesperrt und bestätigen damit die Macher, die sagen, in den USA stehe es um die Presse- und Meinungsfreiheit nicht so gut

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Pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft ist eine Website aus Russland online gegangen, die den Amerikanern Nachrichten über ihr Land bringen soll, die sie sonst angeblich nicht erhalten. Die Medien, so heißt es bei "The USA Really. Wake Up Americans", seien kontrolliert vom "Establishment und von Oligarchen". Deswegen gebe es keine objektiven und unabhängigen Informationen, die aber in einer "Post-truth"-Situation wichtiger denn je seien. Aufgerufen werden Internetnutzer, sich als "Bürgerjournalisten" mit Beiträgen zu beteiligen, Ideologie, sozialer Status oder politisches Engagement würden keine Rolle spielen.

Ins Auge springt, dass tunlichst vermieden wird, die Website mit Russland zu verbinden. Die Berichte sind nicht sonderlich einseitig oder falsch, man versucht offenbar eine Mischung zwischen Berichterstattung über Politik und über Verbrechen/Skandale. Bislang kein Projekt, mit dem man die amerikanische Gesellschaft destabilisieren oder auch nur verwirren könnte.

Registriert wurde die Website in Moskau am 4. April, am selben Tag erschien bereits eine Mitteilung auf Ria Fan, wo das Projekt angekündigt und behauptet wurde, dass die amerikanischen Medien immer stärker zensiert würden. Den Tenor, nun endlich für Aufklärung zu sorgen, teilt sie mit den russischen staatlichen Auslandsplattformen wie RT oder Sputniknews, wo auch erklärt wird, dass man einen "Gegenstandpunkt zum einseitigen und oft interessengetriebenen Medien-Mainstream beziehen" und eine Gegenöffentlichkeit schaffen will.

Trolle oder Cyberkrieger?

Ria Fan wird mit der "Trollfabrik" in Verbindung gebracht, die wiederum Yevgeny Prigozhin zugeordnet wird. Der reiche Restaurant- und Geschäfteinhaber soll Putin nahestehen und gilt neben der Trollfabrik als Betreiber weiterer Internetfirmen, die versucht haben sollen, die Präsidentschaftswahl in den USA zu beeinflussen. Überdies soll er auch in Verbindung mit der russischen Söldnergruppe Wagner in Syrien stehen. Prigozhin geriet bereits 2016 unter Sanktionen der USA, zuletzt wurde er im Februar 2018 zusammen mit einigen seiner Firmen und anderen Personen in den USA angeklagt, die Wahl und die Politik in den USA beeinflusst zu haben.

Welchen Zweck die Website USAReally.com wirklich verfolgt, ist ebenso wenig klar, wie auch ob dies in Koordination mit den staatlichen Auslandsmedien RT und Sputnik steht oder ob mit dem privaten Medium eine eigenständige Agenda verfolgt wird. Möglicherweise entstand das Projekt, weil RT in den USA als "ausländischer Agent" eingestuft wurde (Medien als "ausländische Agenten": USA und Russland im Medienkrieg).

USAReally.com hat zumindest insofern schon einen gewissen Erfolg erreicht, als es Aufmerksamkeit in den USA gefunden hat und deswegen, weil Facebook und Twitter den Account bereits gesperrt haben, auf Zensur verweisen kann. Der Verantwortliche für das Medienprojekt, Alexander Malkevich, tourte in der letzten Zeit durch die USA und wird mitunter schon einmal martialisch als "Cyberkrieger" bezeichnet. McClatchy schreibt, USAReally habe alles, was eine Trollfabrik auszeichne, mit der die "US-Demokratie unterminiert, Verschwörungstheorien zusammengesponnen und Nachrichten und Meinungen verbunden werden sollen, um zu zeigen, dass Amerika sich in einem Zustand am Rande des Chaos befindet". Da will man anscheinend aus einer Mücke einen Elefanten machen.

Entlarvung der angeblichen Pressefeiheit in den USA?

In einem Gespräch mit McClatchy sagte Malkevich, es sei gut, dass man bereits in den amerikanischen Medien zu einem diskutierten Projekt geworden sei. Er soll sich in einem längeren Interview, das den Lesern aber vorenthalten wird, über die Pressefreiheit in den USA lustig gemacht haben. Die US-Behörden würden ihn fürchten, obgleich staatlich finanzierte US-Medien wie Radio Free Europe/Radio Liberty eine Masse an negative Nachrichten über Russland verbreiten würden. Er zeigte auf seinem Smartphone auf Artikel von Siberia Reality, offenbar zumindest vom Namen her ein Vorbild für USAReally.com, die Schlechtes berichten würden wie: "Sibirische Städte sind die dreckigsten in Russland."

MacClatchy muss das eingestehen, will aber die amerikanische Sicht verteidigen. Immerhin seien die Nachrichten von Siberia.Reality wahr, was sie "von dem seltsamen Amalgam von Artikeln, die nur auf Klicks ausgerichtet sind wie "Man served his friends tacos made from his severed limb" auf usareally.com, Verschwörungstheorien, Nachrichten, die Verbrechen von Immigranten hervorheben, und Essays, die Staaten wie Louisiana zur Sezession und wie Kalifornien zum Zerbrechen in drei Teile aufrufen." Einige Themen würden von US-Medien aufgegriffen werden, manche Artikel scheinen eher auf Fantasie als auf Fakten zu basieren.

Am Sonntag gab es einen Artikel: "ASCO Announces New Way to Treat Colorectal Cancer", am Samstag Artikel wie "Yellowstone's Steamboat Geyser Keeps Erupting, Provoking Fears of a Big Bang", "Brain-eating Amoeba Found in Louisiana Waters for the First Time Since 2015" und "Three Men Are Killed in Broad Daylight in the Bronx", am Freitag Artikel wie "Texas Residents Ask Liberals to Get the Hell Out" oder "It’s Time to Put an End to Immigrants' Nightmare".

Das alles sieht eher wie ein etwas kläglicher und konzeptionsloser Versuch aus, mit sensationsheischenden Meldungen Leser zu finden, ähnlich wie dies Breitbart.com anfänglich gemacht hat, um dann politische Artikel darunter zu mischen. Aber die Website ist bislang so schwachbrüstig, dass schon die Aufregung darüber mehr von den Gegnern oder Kritikern verrät als von deren Gefährlichkeit. McClatchy bemerkt, die USA könne die Website nicht schließen, weil deren Domains auf russischen Servern liegen.

Schon solche Überlegungen und die Zensur von Twitter und Facebook arbeiten USAReally.com zu. Man will womöglich nur die Scheinheiligkeit der USA aufzeigen, wo die angeblich hoch gehaltenen Werte ziemlich einseitig und interessenorientiert verteidigt werden. Malkevich sagt, Amerikas Presse- und Medienfreiheit funktioniere nicht: "Ich kann es mir nicht erklären, warum die Amerikaner so Angst haben vor kleinen Schritten eines kleinen russischen Medienprojekts." Bellingcat sind nicht weit, wenn es um Russland geht. Man rätselt hier herum, was der Zweck des Projekts sein könnte, und vermutet, dass es sich vielleicht weniger an das amerikanische Publikum richtet als an das russische, dem die amerikanische Zensur vorgeführt wird.

Erklären ließe es sich schon, denn im Kalten Krieg hatten die USA - und der Westen - die Hoheit über die Informationsströme, weswegen der freie Informationsfluss gegen den Ostblock offensiv vertreten wurde, der seine Schotten dicht machte, aber von westlichen Auslandsmedien wie VOA, BBC, DW bestrahlt wurde. Seit einigen Jahren wird die Doktrin vom freien Informationsfluss gegen die USA gerichtet, nicht nur von Russland mit RT und Sputnik, sondern auch von Aljazeera, Al-Arabyia, Telesur, PressTV, schon zuvor von chinesischen Medien. Das stört die für sich beanspruchte Dominanz, weswegen dann RT, Websites wie USAReally.com oder auch Trolle zur Gefahr für die amerikanische Demokratie stilisiert werden.

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