Pentagon verlangt in Europa eine bessere militärische Verkehrsinfrastruktur

Ein M1A2 Abrams Panzer in Polen. Bild: Dod

Im Konfliktfall könnten US-Truppen und schweres Gerät wegen schlechter Straßen und Brücken und hoher Bürokratie nicht schnell genug an die russische Grenze verlegt werden

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Die USA haben Schwierigkeiten mit der Unterschiedlichkeit der Staaten in Europa. Das Pentagon ist gewohnt, in den USA auf dem gesamten Territorium frei walten zu können, der Staatenbund der EU ist trotz mancher Vereinheitlichung weit entfernt von Uniformität. Das scheint das US-Militär zu nerven, denn die Pluralität hemmt nicht nur schnelle Entscheidungen, das fast tägliche Los der EU, sondern auch die militärische Beweglichkeit der führenden Nato-Macht, die offenbar vor dem anstehenden Nato-Gipfel den Druck erhöht.

Die Washington Post, die sich damit zum Lautsprecher des Pentagon macht, berichtete unlängst, dass US-Kommandeure nicht nur wegen der Suwalki-Lücke in Sorge seien, sondern auch wegen der Verkehrsinfrastruktur in der EU, wenn es zu einem Konflikt mit Russland käme. Die ist wenig einheitlich, zudem in Erosion. Immerhin müssen die US-Truppen in den USA, wo Straßen und Brücken auch nicht in einem guten Zustand sind, bislang nicht schnell ausrücken. Sie sind vielmehr engagiert im Ausland.

Aber in Europa wollen das Pentagon und damit auch die USA möglichst schnell Truppen verlegen können - und Deutschland ist für US-Truppen weiterhin die Drehscheibe. Und da die Bundesregierung willens ist, den Direktiven aus Washington zu folgen, ist Verteidigungsministerin von der Leyen Feuer und Flamme dafür, ein "militärisches Schengen" einzurichten, also eine Standardisierung der Verkehrsinfrastruktur herzustellen, um schnelle Truppenbewegungen innerhalb der EU zu garantieren - immer nach Osten selbstverständlich, an die Grenze zu Russland.

In Deutschland befindet sich nicht nur das Hauptquartier des European Command (EUCOM), sondern auch das Multinationale Kommando Operative Führung, eine neue Nato-Kommandozentrale, wird ebenfalls in Deutschland angesiedelt werden, das damit Drehscheibe und Kommandozentrale der Aufrüstung gegen Russland wird und bleibt.

Jetzt übt das US-Militär weiter Druck auf die Schaffung des versprochenen "militärischen Schengen" aus. Man habe Sorge, im Verkehr steckenzubleiben, wenn Truppen im Konfliktfall schnell an die Grenze zu Russland verlegt werden müssten. Als besonders bedroht wird weiterhin die Suwalki-Lücke zwischen Polen und Weißrussland gesehen (Von der Fulda-Lücke des Kalten Kriegs zur Suwalki-Lücke der Nato). Die Nato gibt vor, dass Russland versuchen könne, die baltischen Länder hier von der Rest-Nato abzutrennen. So wurde letztes Jahr die Gefahr beschworen, als eine größere russische Militärübung in Weißrussland stattfand, während man die Verteidigung der 100 km langen "Lücke" übte (Wer hat Angst vor dem russischen Manöver Zapad 2017?).

Amerikanische und deutsche Soldaten bei einer Übung zur Überquerung der Elbe. Bild: DoD

Panzer könnten "verrostenden Brücken" zum Einsturz bringen, Humvees müssten hinter schwerfälligen LKWs hinterherschleichen, Soldaten könnten durch übereifrige Passkontrollen und starrköpfige Eisenbahnunternehmen aufgehalten werden. Da die Nato mit der Speerspitze und den nationalen Armeen in den Ländern an der russischen Grenze nur wenige Truppen besitzt, müsste Verstärkung schnell über Hunderte von Kilometern herangebracht werden: "Die Verzögerungen - eine Mischung aus Bürokratie, schlechter Planung und verfallender Infrastruktur - könnte es Russland ermöglichen", so schreibt die Washington Post bissig, "im Baltikum Nato-Territorium zu besetzen, während US-Army-Planer noch immer beim Ausfüllen der 17 Anträge sind, die man benötigt, um von Deutschland nach Polen zu kommen."

Es würden zwar bei einer Kriegserklärung viele Hindernisse wegfallen, aber die Zeit vor einem Einsatz sei ein großes Problem. Bei einem Wargame, das das Weiße Haus ausgeführt hat, habe die Nato wegen der logistischen Hürden bei einem geübten Krieg gegen Russland verloren. Erfahren hatte man die Probleme bei Militärübungen. So soll es vier Monate gedauert haben, bis eine Schwadron, die letztes Jahr an einer Übung in Georgien teilgenommen hat, ihre Stryker-Schützenpanzer wieder in ihrem Stützpunkt in Deutschland zurückerhalten hat.

Auch im Januar haben sich mit der Verlegung einer zusätzlichen Panzerbrigade mit 3500 Mann und 2700 Fahrzeugen und Containern, darunter 87 Abrams- und 144-Bradley-Panzern, aus den USA zunächst nach Bremerhaven und von dort nach Polen Schwierigkeiten ergeben, allerdings nicht nur wegen der Infrastruktur und der deutschen Bürokratie, wie damals das Wall Street Journal berichtete. Ein Problem scheint vor allem fehlende Information über Infrastruktur in den europäischen Ländern, vor allem denen des ehemaligen Ostblocks, zu sein. Aber es sind auch Panzer mit leeren Batterien angekommen, weil vergessen wurde, die elektronischen Systeme abzustellen. Manche waren auch nicht vollgetankt (US-Panzerbrigade mit logistischen Problemen von Bremerhaven nach Polen gebracht).

Ben Hodges, bis Ende des letzten Jahres Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte in Europa, fordert: "Wir müssen uns so schnell oder schneller als Russland bewegen, um eine leistungsfähige Abschreckung zu sein." Die Nato müsse in der Lage sein, "genügend Kapazitäten an einen Ort zu bringen, damit Russland keine schreckliche Fehlentscheidung trifft". Bedauert wird, dass mitunter russische Militärplaner mehr von den Brücken, Straßen und Schwachpunkten in Osteuropa wüssten, weil die Länder einst Teil des Ostblocks waren. Das ist allerdings schon 30 Jahre her, so verlässlich dürften die Informationen kaum mehr sein.

Und es heißt, dass Russland in seinem Gebiet keine Problem habe, Truppen zu verlegen, während in Europa ein "Gestrüpp von Regeln aus der Friedenszeit" militärische Bewegungen kompliziert machen. So dürften in Deutschland Transporter mit Panzern oder anderem schweren Gerät auf Autobahnen nur nachts fahren. Die baltischen Gleise haben eine andere Spurweite als die westlichen Gleise, weswegen alles umgeladen werden müsse. Überhaupt wird deutlich, dass Deutschland unter Druck gesetzt werden soll. Weil ein Stryker-Transport zu spät kam, musste die US-Army auf die Schützenpanzer warten, da Personen- und Lastverkehr von der Deutschen Bahn vorgezogen wurde.

"Sie kümmern sich nicht darum, dass es die US Army Europe ist", schimpft der Befehlshaber der Stryker-Schwadron. "Das ist die Deutsche Bahn." Man will offenbar Deutschland aus dem angeblichen Schlaf rütteln und kriegsbereit machen, Vorrang haben dabei die US-Streitkräfte, die Nato-Europa als ihr Territorium betrachten, in dem absolute Freizügigkeit herrschen soll. Zur Beschleunigung sollen auch die zwei geplanten neuen Nato-Kommandozentren dienen, mit denen zusätzlich auf die Schnelle 30.000 Soldaten oder 30 Bataillone, 30 Flugzeugstaffeln (360 Flugzeuge) und 30 Schiffe in 30 Tagen einsatzbereit sein sollen. Bislang besteht die schnelle Nato-Eingriffstrupope aus 5000 Soldaten. Das geplante Logistik-Kommando in Ulm soll die schnelle Verlegung in Europa sichern, das andere Kommando in Norfolk (Virginia) die schnelle und sichere Verlegung von Truppen aus den USA nach Europa.