Schweiz: Rüstungsexporte in Kriegsgebiete

Schweizerischer Mowag Piranha Schützenpanzer. Schweizer_Armee_F%C3%BCs_Gr.jpg:Bild: TheBernFiles/public domain

Die Schweiz kommt ihrer Rüstungsindustrie weit entgegen

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Dank ihrer Volksabstimmungen ist die Schweiz immer wieder für die eine oder andere politische Überraschung gut. So konnten die Bürgerinnen und Bürger schon mehrfach abstimmen (Blankoscheck für Kampfflugzeuge), ob neue Kampfflugzeuge gekauft werden sollen. Nun sorgt die Schweiz wieder für Schlagzeilen: Die Regierung will mehr Rüstungsexporte erlauben.

Konkret geht es um Exporte in Kriegsgebiete. Grundsätzlich sollen solche Lieferungen zwar verboten bleiben, kündigte die Regierung an. Es werde aber eine Ausnahme geben:

Im Einzelfall soll neu eine Ausfuhrbewilligung erteilt werden können, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial im internen bewaffneten Konflikt eingesetzt wird.

Schutz der heimischen Industrie

Zweck des Ganzen ist es, "eine an die Bedürfnisse der Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität" sicherzustellen. Um die nötige Industriebasis zu erhalten, habe der Bundesrat in einem Richtungsentscheid festgelegt, "dass die Bewilligungskriterien in der Kriegsmaterialverordnung angepasst werden". Dazu gehört neben der Möglichkeit, in Kriegsgebiete zu exportieren, auch, dass Exportentscheidungen künftig von den Bedürfnissen der heimischen Industrie abhängig gemacht werden. So "soll die Aufrechterhaltung der Industriebasis als eigenständiges Kriterium im Bewilligungsverfahren berücksichtigt werden können".

Der Bundesrat verweist zur Begründung auf das Kriegsmaterialgesetz. Dort werden Herstellung und Handel von Kriegsmaterial geregelt, wobei es in Artikel 1 heißt: "Dabei soll in der Schweiz eine an die Bedürfnisse ihrer Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrechterhalten werden können."

Die Schweizer Rüstungsindustrie sei jedoch in einer angespannten Lage, "die sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis der Schweiz" sogar gefährdet, argumentiert der Bundesrat unter Verweis auf die schweizerische Wehrtechnikindustrie. Im September 2017 hatten 13 Rüstungsfirmen und Zulieferer in einem Brief an die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats geschrieben, die "im Vergleich mit anderen europäischen Staaten restriktive Exportpraxis gefährdet Tausende wertvolle Arbeitsplätze".

Der Bundesrat und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) haben die Klagen der Rüstungsindustrie erhört. "Der Bundesrat nimmt diese Hinweise ernst. (…) Einmal verlorene industrielle Kapazitäten sind nur schwer wieder aufbaubar. (…) die schweizerischen Kriegsmaterialexporte sind seit mehreren Jahren mehr oder weniger konstant rückläufig. Die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern restriktive Schweizer Exportbewilligungspraxis nimmt diesbezüglich eine zentrale Rolle ein."

Differenzierte Regelung?

Bisher verbietet die Schweizer Kriegsmaterialverordnung (KMV) in Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a Rüstungsexporte, wenn (a) "das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist" oder (b) "das Bestimmungsland Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt" oder auch wenn (d) "im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird" oder (e) "im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird".

Das ist dem Bundesrat zu ungenau: "Eine Unterscheidung nach der Art des Kriegsmaterials und in Bezug auf den spezifischen Endempfänger ist nicht möglich", klagt er. Bundesrat und Verwaltung bräuchten "eine nuanciertere Beurteilung von Kriegsmaterialexporten unter Wahrung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz sowie ihrer aussenpolitischen Grundsätze". So sollen künftig Waffen etwa an die Marine eine Landes oder die Präsidentengarde geliefert werden können, da beide - so vermutet der Bundesrat - kaum direkt in einen bewaffneten internen Konflikt eingreifen. "Auf klassische Bürgerkriegsländer wie derzeit Jemen oder Syrien würde die Ausnahmeregelung keine Anwendung finden", verspricht er.

Wie viel Landesverteidigung ist nötig?

Nicht nur die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) und die Grünen kritisierten die Neuregelung. Martin Landol, Chef der Bürgerlich-Demokratischen Partei Schweiz (BDP Schweiz) hat eine Anfrage gestellt. Er will nun wissen, welche Bedeutung Rüstungsexporte haben, um die industrielle Kapazität für die Landesverteidigung aufrechtzuerhalten. Landol fragt dabei explizit danach, diese Kapazität zu quantifizieren.

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) kritisierte, damit werde in "Kauf genommen, dass Schweizer Waffen bei internen Konflikten zum Einsatz kommen und die Zivilbevölkerung treffen". Das könne die Hilfe für Menschen in Not schwieriger machen. Außerdem schwäche das "die Position der Schweiz auf internationaler Ebene, wo sie sich seit Jahren für strengere Vorschriften im Bereich Waffenhandel einsetzt".