Das langsame Ende der US-Militärpräsenz in Deutschland?

Ein US-amerikanischer Kampfpanzer vom Typ M-1A1 Abrams nördlich von Frankfurt am Main (2005) Foto: Pentagon/ gemeinfrei

Einem Medienbericht zufolge prüft das US-Verteidigungsministerium einen Abzug der in Deutschland stationierten US-Soldaten. Das sorgt für Aufregung

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Es ist nur eine Routineuntersuchung des Pentagon, dessen Ergebnis noch gar nicht feststeht, aber schon ist von der ganz großen Operation die Rede: "Trump erwägt Militärabzug aus Deutschland", titelt n-tv; ganz ähnlich fragt die Tagesschau: "US-Truppenabzug in Deutschland?"

Dass die Spekulations-Nachricht, die mit keiner kleinen historischen Zäsur reizt, an Fahrt gewann, liegt an mehreren Gründen. Ganz sicher auch daran, dass es für die Relevanz einer Zeitung, hier der Washington Post, die eifriger denn je Leser zu einem Abonnement drängt, wichtig ist, internationale Schlagzeilen zu machen. Ihr Bericht von der Kosteneinschätzung der US-Truppenpräsenz in Deutschland wirbelte heute durch sämtliche Leitmedien.

Stress ist mit Trump leicht zu machen. Eine Schlüsselstelle dafür, dass in der Bewertung der Kosten mehr als Routine zu sehen, ist im Washington-Post-Artikel die Schilderung der Beunruhigung von - anonymen - europäischen Vertretern ("word of the assessment has alarmed European officials"). Bei n-tv sind es "Nato-Verbündete", bei denen die Prüfung der US-Stationierung bei den Nato-Verbündeten "große Sorge ausgelöst" hat.

Indessen wird aber im Washington Post-Artikel ein anonymer hochrangiger Nato-Vertreter damit wiedergegeben, dass man im Hauptquartier nichts von solchen Abzugsplänen wisse, wohl aber von der Absicht Polens, eine US-Basis im Land mit viel Geld zu fördern (siehe Polen will permanenten US-Stützpunkt anlocken und bietet 2 Milliarden US-Dollar).

Das Engagement Polens bildet im Washington-Post-Artikel das Gegenüber zum Abzugsthema, das mit dem mangelnden Engagement der Deutschen bei den Kosten kontrastiert wird. Man könnte darin ein Wiederaufscheinen der Rumfeldschen Formel vom alten und neuen Europa sehen (siehe Die Achse des neuen Europa konstituiert sich).

Dass der Artikel vor dem Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli erscheint, ist natürlich kein Zufall. Liest man ihn genau, so fällt auf, dass es für seine Attraktion - dem spektakulären Abzug von 35.000 US-Soldaten aus Deutschland - keine echten Fakten gibt, die dafür sprechen, sondern vor allem Trumps Konflikt mit den Nato-Partnern, besonders mit Deutschland, über Militärkosten.

Außer den "beunruhigten, alarmierten und besorgten" ungenannten EU- bzw. Nato-Vertretern markiert Trumps Ärger die andere Schlüsselstelle des Artikels. Irgendwann früher im Jahr soll Trump über die Dimension der US-Präsenz in Deutschland erstaunt gewesen sein und einen Rückzug laut erwogen haben. Wie so häufig, weiß in der Folge einer Trump-Äußerung, die Gewohntes infrage stellt, dann niemand genau, wie ernst er es damit meint. Immerhin hat er schon einige Wahlversprechen umgesetzt.

Da er im Wahlkampf davon sprach, dass die Nato "obsolet", also überholt, unmodern, oder veraltet sei, ist es nicht ausgeschlossen, dass Trump mit der Tradition einer starken Präsenz von US-Truppen in Deutschland bricht. Genau von dieser Spannung geht der Reiz der Geschichte aus.

Laut Washington Post ist die "Routineüberprüfung" der Kosten eines Abzugs der US-Truppen aus Deutschland, die den Kosten der Präsenz gegenübergestellt werden, zu keinem Ergebnis gekommen, dass das Pentagon von einer Kursänderung überzeugt habe, zumindest nicht offiziell:

Das Verteidigungsministerium führt solche Kosten-Nutzen-Analysen regelmäßig durch. Das ist nichts Neues. Deutschland ist Gastgeber für die größte Präsenz von US-Streitkräften in Europa - und wir bleiben tief in gemeinsamen Werten und den straken Beziehungen untereinander verwurzelt. Wir sind unseren Nato-Alliierten und der Allianz tief verpflichtet.

Eric Pahon, Pentagon-Sprecher

Ob die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen die Rede von der "tiefen Verpflichtung" auch so sieht? Ganz sicher wird ihr wenig gefallen, was Trump gegenüber Journalisten "so nebenbei" zur Krim und Russland fallen ließ. Demnach antwortete er, wie die Zeit berichtet, "auf die Frage von Reportern, ob er von der Verurteilung der Annexion abrücken wolle (…) an Bord der Air Force One ausweichend: 'Das werden wir sehen.'"

Ursula von der Leyen ist bekanntlich eine scharfe Kritikerin des russischen Präsidenten Putin und besonders dessen Vorgehen bei der Krimkrise. Trump dürfte es dagegen wenig gefallen haben, was ihm sein Sicherberater Bolton über das Treffen mit der deutschen Verteidigungsministerin gesagt hat: Dass sie nämlich weiterhin die deutschen Militärausgaben nicht auf die geforderten 2 Prozent bringen will. Die USA geben 3,58 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (GDP) für "Verteidigung" aus.

Davon abgesehen, dass die Androhung eines Abzugs von US-Militärs aus Deutschland im Zusammenhang mit den Forderungen Trumps an größere Kostenbeteiligungen seiner Nato-Partner zu sehen ist, ist nach über 70 Jahren US-Militärpräsenz in Deutschland eine Diskussion über Veränderungen naheliegend.