Energiewende rückwärts

Ab der kommenden Dekade könnte der Netto-Zubau von Windkraft praktisch zum Erliegen kommen. Ein Desaster mit Ansage.

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Ab 2021 fallen die ersten Windkraftanlagen aus der EEG-Förderung, und niemand weiß, wie es weitergehen soll. Sie dürfen zwar weiterlaufen, erhalten aber keine feste Vergütung mehr. Im ersten Jahr sind rund 4 Gigawatt davon betroffen, danach jährlich rund 2,4 GW, hat die Fachagentur Windkraft an Land errechnet. Zum Vergleich: Insgesamt sind hierzulande rund 50 GW installiert. Wir reden hier also von einem substanziellen Anteil des Bestands.

Die Väter des EEGs waren seinerzeit davon ausgegangen, dass sich die Anlagen bis dahin selbst tragen werden. Doch dies ist nicht abzusehen.

Eine Umfrage der Fachagentur unter hundert Betreibern ergab, dass Repowering – also der Austausch einer alten Anlage durch eine modernere und leistungsstärkere – für 40 Prozent der Leistung nicht möglich ist, meistens aus planungsrechtlichen Gründen. Für den Weiterbetrieb erwarteten die Betreiber Wartungskosten im Bereich von 3,5 bis 5,0 Cent je Kilowattstunde – schließlich dürften die Anlagen mit zunehmendem Alter immer anfälliger für Reparaturen werden. Das reicht nicht, um damit Geld zu verdienen. Wenn der Wind weht, machen sich die Anlagen selbst Konkurrenz und drücken den Börsenpreis regelmäßig unter 3 Cent.

Wie sich der Preis in den nächsten Jahren entwickelt, ist schwer abzusehen. Möglicherweise wird er durch die Abschaltung der Atomkraftwerke und einiger Kohlemeiler steigen. Aber flankierende politische Maßnahmen wie ein Mindestpreis für CO2-Emissionen sind nicht abzusehen, ebensowenig eine weitere Förderung der Altanlagen. Eigenverbrauch wie bei privaten Photovoltaik-Anlagen ist für Windparkbetreiber auch keine Option. Und andere Vermarktungskonzepte wie der direkte Verkauf an Endkunden stehen noch am Anfang.

Die Folge: Ab der nächsten Dekade dürften gigawattweise Windkraftanlagen abgeschaltet werden. Und diese Lücke dürfte kaum durch weitere Zubauten kompensiert werden. Schon jetzt berücksichtigt die Windenergie-Ausschreibung nicht, wie viele Anlagen im gleichen Zeitraum stillgelegt wurden. Laut Deutsche Windguard waren es 2017 knapp 0,5 Gigawatt – immerhin rund ein Zehntel des Brutto-Zubaus von 5,3 GW. Und da die Branche für 2019 nur noch mit rund 3 GW Zubau rechnet, kann man sich leicht ausrechnen, dass der Netto-Ausbau künftig praktisch zum Erliegen kommt oder gar rückläufig sein wird.

Dass funktionierende Anlagen abgebaut werden, ist eine gewaltige Verschwendung von Ressourcen. Zudem sabotiert die Regierung sehenden Auges den einzigen Sektor der Energiewende, der bisher einigermaßen lief. Allein, dass bei den aktuellen Windkraftausschreibungen nur brutto statt netto gerechnet wird, ist ein Witz. So wird das nie was mit den Klimazielen.

Der zentrale Denkfehler dahinter ist die Annahme, dass es überhaupt so etwas wie einen „Markt“ gibt, auf dem sich verschiedene Energieträger auf Augenhöhe miteinander messen können, und dass es nur eine Frage von Kosten und technischer Entwicklung ist, bis auch die Erneuerbaren so weit sind. Jede Energieform hat ihre eigenen Vor- und Nachteile in Bezug auf Netzbelastung, Umwelt- und Sozialverträglichkeit. Trotzdem will die Politik dies alles auf eine einzige Einheit herunterbrechen: Cent pro Kilowattstunde. Wenn eine bestimmte Energieform der Gesellschaft in Summer mehr nutzt als schadet, muss ein Marktmodell gefunden werden, sie auch rentabel zu betreiben. Aber vor einer Reform des Strommarkts hat sich die Politik seit Einführung des EEGs gedrückt.

(grh)