Syrien: Israel greift Militärstellung bei Aleppo an

Qunaitra bei den Golanhöhen. Foto (von 2001): Christian Koehn/ CC BY-SA 3.0

Der Angriff, bei dem angeblich neun iranische Staatsbürger getötet wurden, stellt die Frage danach, zu welchen Vereinbarungen Trump und Putin über Syrien gelangt sind

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Über zwei Stunden sollen Trump und Putin in Helsiniki miteinander geredet haben. Syrien gehörte, wie vorab von beiden Seiten annonciert wurde, zu den wichtigsten Themen. Angesichts dessen, dass ein Treffen der Präsidenten der zwei Großmächte selten ist, ist anzunehmen, dass sie die zwei Stunden nicht verplaudert haben und Abmachungen getroffen haben. An die Öffentlichkeit kam aber nur Spärliches.

Die Offensive der syrischen Armee im Südwesten des Landes, woran Russland stark beteiligt ist, und Interessen von zwei wichtigen US-Verbündeten, Israel und Jordanien, betroffen sind, ist eins der Themen, wo auf Verabredungen gedrängt wird. Dass Netanjahu vor kurzem erneut Putin besuchte, ist beredtes Zeichen für den Wunsch nach einer Regelung in Syrien, die über den russischen Präsidenten ausgemacht wird.

Die israelische Regierung will einen möglichst großen "Pufferraum" auf der syrischen Seite, in dem sich keine schiitischen Milizen aufhalten dürfen. Am liebsten wäre es ihr, wenn gar keine schiitischen Milizen mit Verbindungen zum Iran in Syrien wären, auch das hat man schon laut erklärt und mit Luftangriffen gezeigt, dass dies ernst zu nehmen ist.

Der Luftangriff

Zu dieser Botschaft, wonach Israel ein besonderes Auge auf die Präsenz der schiitischen Milizen in Syrien hat und mit allen, auch völkerrechtlich unerlaubten, Mitteln seine Sicherheitsinteressen durchsetzen wird, wenn nötig auch entfernt von der israelisch-syrischen Grenze, passt der Luftangriff auf Stellungen in der Nähe des Militärflughafens Nayrab bei Aleppo. Laut al-Masdar-News wurde er in der Nacht auf Montag von der israelischen Luftwaffe durchgeführt, also am Vorabend des Treffens in Helsinki.

Ha'aretz berichtet vorsichtiger von einem "angeblichen IDF-Angriff", da die israelische Regierung solche Angriffe selten oder gar nicht offiziell bestätigt. Die Anzeichen sprechen dafür: Anscheinend wurde ein Waffenlager getroffen, syrische Oppositionsquellen würden von 22 Toten berichten, darunter neun iranische Staatsbürger. Dazu gibt es wie immer auch andere Darstellungen - so ist beim Kriegsreporter Danni Makki vom Tod von fünf Soldaten der syrischen Armee die Rede.

Die israelischen Streitkräfte lassen die Offensive der syrischen Armee und ihrer Verbündeten ungestört, man zeigt aber zugleich, dass man in ganz Syrien zuschlagen kann, heißt die Botschaft laut Beobachter.

Abmachungen "erst wenn der Terrorismus in Syrien besiegt ist"

Inwieweit Putin, Hauptadressat für die Wünsche und Forderungen Netanjahus, bei der syrischen Regierung Zusagen zur Präsenz und Verhalten schiitischer Milizen erreichen oder durchsetzen kann, wie sehr das mit eigenen politischen Absichten zusammengeht, ist Gegenstand vieler Spekulationen, die teilweise sogar von einem "geheimen Deal" sprechen.

Laut dem belgischen Journalisten Elijah J. Magnier, der nach eigenen Angaben Zugang zu relevanten Kreisen hat, etwa den Regierungskreisen in Damaskus, habe Putin gegenüber Netanjahu deutlich gemacht, dass die israelischen Belange gegenüber der iranischen Präsenz erst dann zur Sprache kommen und geklärt würden, "wenn der Terrorismus in Syrien besiegt ist".

Das zielt in zwei Richtungen. Einmal ist die Botschaft an die israelische Unterstützung der oppositionellen Gruppen in der Grenznähe in Syrien gerichtet - dass es diese gibt, wird seit Neuestem nicht mehr richtig dementiert; die Regierung in Damaskus und einige Beobachter des Geschehens sprechen sogar davon, dass Israel Dschihadisten der al-Nusra unterstütze, was die israelische Regierung bestreitet.

"Wenn sich Terroristen in einer von Israel kontrollierten Zone verstecken, wie zum Beispiel bei den Golan Höhen werden wir (Russland und seine Verbündeten) sie nacheinander eliminieren", zitiert Magnier eine seiner Quellen. Nach Informationen Magniers soll Putin Netanjahu gegenüber erwähnt haben, dass nach seiner Kenntnis die Iraner wieder aus Syrien abziehen würden, sobald keine Gefahr mehr für die syrische Regierung bestehe und "jeder Quadratmeter des Landes zurückerobert" sei.

Hier ist die andere Adresse erkennbar: die USA, die über die SDF ihre Einflusszone auf syrischem Territorium bei Hasaka und weiter im Süden östlich des Euphrat halten sowie über verbündete Milizen bei al-Tanf. Die Präsenz von US-Militärs auf syrischem Boden wird damit gerechtfertigt, dass man so lange bleibe, "bis der IS-Terrorismus in Syrien besiegt sei".

Aus der Parallele zur oben genannten Begründung der iranischen Präsenz auf syrischem Boden und dem von Putin unterstützten Ziel der gänzlichen Rückeroberung des syrischen Gebiets durch Baschar al-Assad kann man vermuten, dass die US-Präsenz in Syrien zum Gesamtpaket eines US-amerikanischen-russischen Deals dazugehört.

Abmachungen zu den Golanhöhen von 1974

Zu spruchreifen Ergebnissen sind die beiden Verhandlungsführer gestern in ihrem zweistündigen Gespräch offensichtlich noch nicht gekommen. Aus israelischer Sicht nicht unwichtig war, dass beide Präsidenten die israelische Sicherheit als sehr relevant ("utmost importance") erklärten. Verwiesen wurde auf die Abmachungen zu den Golanhöhen von 1974, die einzuhalten seien.

Nach jüngsten Erklärungen von Netanjahu könne Israel mit Baschar al-Assad, der auf die syrisch-israelischen Grenzen aufpasse, gut leben. Ähnliches war auch aus Jordanien zu hören, als die syrische Armee einen Grenzübergang aus der Kontrolle von gegnerischen Milizen zurückeroberte.

Der Regimewechsel in Damaskus, den Jordanien offen und mit beträchtlicher Mithilfe und Israel etwas dezenter unterstützte, ist kein Thema mehr, wie auch das Gespräch zwischen Trump und Putin zeigte. Militärisch führte die syrische Armee bei Quneitra vor, dass sie keine Scheu hat, in nächster Nähe zu Israel militärisch zuzuschlagen, um sich einen strategisch wichtigen Aussichtspunkt zu verschaffen.