Helsinki: Putin, Rechtshilfe und Bill Browder

Bill Browder: Bild: Piraya Film AS/ Tore Vollan

Putin hatte beim Treffen mit Trump ein überraschendes Angebot gemacht, das erneut auf den ehemaligen Investor und jetzigen Menschenrechtsaktivisten und den Magnitski-Fall verweist

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Das Treffen mit Wladimir Putin hat Donald Trump aus vielen Seiten scharfe Kritik eingebracht. Er hatte es gewagt, am eisern zur transatlantischen Einheit verfestigten Feindbild ein ganz klein wenig zu rütteln, allein schon mit dem Bösen gesprochen zu haben, gilt selbst manchen deutschen Kommentatoren in Schnappatmung wie in der SZ eigentlich als Hochverrat, jedenfalls als Verrat an den Geheimdiensten, denen man offenbar auf Gedeih und Verderben trauen soll, als Verrat an der Demokratie, weil Trump die angeblichen russischen Einmischungen - "feindseliger Akt" - in die Wahl nicht erst nimmt, und auch als Verrat am Westen. An solchen Haltungen lässt sich erkennen, wie verbissen die Dämonisierung Russlands verteidigt und die "russische Aggression" aufrechterhalten werden muss, um das alte System transatlantische Bande, Nato und EU trotz großer Risse zu bewahren, die nicht erst seit Trump und nicht allein durch den scheinbar allmächtigen Putin aufgetreten sind.

Während der Pressekonferenz mit Donald Trump machte Wladimir Putin einen Vorschlag, der in den USA aufhorchen ließ, hierzulande aber kaum erwähnt wurde. Gefragt, ob er die 12 namentlich genannten Geheimdienstmitarbeiter, die von Sonderermittler Mueller wegen Hackens im Wahlkampf 2016 gegen Clinton und zugunsten von Trump kurz vor dem Treffen in Helsinki angeklagt wurden, ausliefern werde, sagte Putin, er müsse sich erst kundig machen, Trump habe ihn dies auch gefragt.

Er verwies jedoch darauf, dass es seit 1999 einen Vertrag mit den USA zur gegenseitigen Unterstützung bei der Aufklärung von Straftaten gebe. So solle Mueller eine offizielle Anfrage stellen, die Beschuldigten verhören zu können. Die russische Staatsanwaltschaft und Polizei könnten dies machen und die Informationen weitergeben. Man würde den USA sogar entgegenkommen und Vertreter der Mueller-Kommission bei den Verhören zulassen.

Allerdings nur dann, wenn dies auch reziprok in den USA geschehe. Und hier brachte Putin den Fall des ehemaligen Hedgefond-Verwalters Bill Browder ins Spiel, der in Russland reich wurde, im Westen sich als "Staatsfeind Nr. 1" von Putin und als selbstloser Menschenrechtsaktivist gibt und eine Kampagne zur Durchsetzung von Magnitski-Gesetzen in möglichst vielen Ländern betreibt. Seine Haupterzählung ist, dass sein Buchhalter Magnitski angeblich einen Steuerbetrug angezeigt haben und von den Polizisten dann eingesperrt, gefoltert und im November 2009 umgebracht wurde, die die Tat begangen haben sollen. An der Geschichte über den tapferen Whistleblower gibt es viele Zweifel (Bill Browder und seine Geschichte vom Tod des angeblichen Whistleblowers Magnitski).

In Russland gerieten Browder bzw. seine Firma Hermitage Capital schon vor dem "Magnitski-Fall" als Steuerbetrüger und Steuervermeider unter Verdacht. Putin sprach nun nicht an, dass auch Magnitski des Steuerbetrugs beschuldigt wurde, aber wahrscheinlich diesen gar nicht anzeigte, wie Browder erzählt, sondern dazu vernommen wurde. Putin erklärte hingegen, dass Browders Geschäftspartner in Russland, wo Hermitage Capital seit 1995 am Werke war und auch mit Tricks Geschäfte mit Gazprom machte, obgleich die Aktien nur von Russen gekauft werden durften, 1,5 Milliarden US-Dollar Gewinne gemacht hatten, die sie in die USA schafften, ohne in Russland oder in den USA dafür Steuern zu zahlen. Die Geschäftspartner sollen 400 Millionen US-Dollar in den Clinton-Wahlkampf gesteckt haben: "Das war Ihre Entscheidung, sie haben dies vielleicht legal gemacht, aber die Gewinne waren unlauter." Überdies sagte Putin, es gebe Hinweise, dass Geheimdienstmitarbeiter verwickelt gewesen seien.

Über die Summe von 400 Millionen US-Dollar gab es erhebliche Zweifel, schließlich hat Clinton offiziell insgesamt 563 Millionen US-Dollar an Spenden für den Präsidentschaftswahlkampf eingefahren. Es wäre aber auch möglich, dass Putin meinte, die Browder-Geschäftspartner - er sprach nicht von Browder selbst - hätten über die Jahre die Demokratische Partei und deren Politiker mit so viel Geld unterstützt, wobei Putin offen ließ, welche Geschäftspartner er meinte. Dass da auch Geheimdienstmitarbeiter im Spiel sein könnte, ließe sich als Retourkutsche verstehen, aber es ist bekannt, dass vor allem CIA ihre Finger in vielen trüben Gewässern hatte. Putin ließ aber im Nachhinein erklären, er habe sich versprochen und 400.000 US-Dollar gemeint, so der Sprecher des Generalstaatsanwalts.

Donald Trump und Wladimir Putin auf der Pressekonferenz. Bild: Kreml

"Eine Spur von Leichen"

In der Time durfte Bill Browder eitel seine Überraschung kundtun, von Putin genannt zu werden, um dann den Vorschlag, im Austausch zur Befragung der russischen Geheimdienstmitarbeiter auch von russischen Vertretern gefragt zu werden, als Bedrohung darzustellen: "In den letzten 10 Jahren habe ich versucht, von Putins Regime getötet zu werden, und es gibt eine Spur von Leichen, die mit seinem Verlangen verbunden sind, mich tot zu sehen." Browder machte zu den weiteren Toten keine Angaben, behauptet aber nun auch wieder, dass "sein russischer Anwalt", der Buchhalter war, ins Gefängnis wegen der Aufdeckung eines Korruptionsverbrechens des Staats über 230 Millionen US-Dollar gekommen und dort ermordet worden sei. Das Geld habe man zu bekannten Freunden Putins verfolgen können.

Auch Putin selbst, den Browder auch als "Kriegsverbrecher" bezeichnet, habe einiges eingesteckt und sei nun voll Panik, dass das Magnitski-Gesetz auch auf sein Vermögen im Ausland angewendet werden könnte. Es sei, so wiederholte er seine unbelegten Behauptungen, die ihm aber gerne abgenommen werden, eines der größten Vermögen, die in der Gegenwart aufgehäuft wurden.

Tatsächlich hat er sich nicht nur mit den Zahlen vertan, sondern auch damit, sich wegen Browder an Trump gewandt zu haben. Aus Steuergründen hat Browder die britische Staatsangehörigkeit angenommen, um sein Geld - wie viele andere russische Oligarchen - in Großbritannien zu sichern. Wie wenig genau es Browder mit Tatsachen nimmt, zeigt sein letzter Satz. Er schrieb, Putin müsse sich an Theresa May wenden, die ihm aber einiges zu sagen habe, nachdem "russische Agenten das militärische Nervengift Nowitschok über die Kathedralenstadt Salisbury verbreitet haben".

Russische Generalstaatsanwaltschaft will amerikanische Geheimdienst- und Regierungsmitarbeiter befragen

In Russland wurde Browder 2013 zu neun Jahren Gefängnis wegen angeblicher Steuerhintergehung verurteilt. Angeklagt war auch Magnitski, gegen den das Verfahren nach seinem Tod aber eingestellt wurde. Browder berichtet hingegen, er sei auch noch als Toter verurteilt worden. 2013 wollte Russland Browder auf die Interpol-Liste setzen, was dort aber abgelehnt wurde, weil dies als politisch motiviert galt. Von Russland wurde es aber immer wieder gefordert. Im Dezember 2017 wurde Browder zusammen mit seinem Geschäftspartner Ivan Cherkasov wieder zu neun Jahren Gefängnis wegen angeblicher Steuerhinterziehung in Höhe von 73 Millionen US-Dollar verurteilt.

Zuletzt war Browder kurz in Spanien aufgrund eines Interpol-Haftbefehls festgenommen, aber schnell wieder freigelassen worden. Browder kokettiert damit und gab seinem Buch, das 2015 erschien, den entsprechenden Titel: "Red Notice: A True Story of High Finance, Murder, and One Man's Fight for Justice".

Der russische Generalstaatsanwalt erklärte, er werde eine offizielle Anfrage an die USA stellen, um Geheimdienstagenten, Regierungsmitarbeiter und Geschäftsleute befragen zu können, die mit den kriminellen Vorwürfen gegen Browder und seine "kriminelle Gruppe" zu tun hätten. Namentlich genannt werden der ehemalige russische US-Botschafter Michael McFaul sowie der NSA-Agent Todd Hyman, "der unter Eid eine Klage für Browder an einem US-Gericht eingereicht hat, Svetlana Engert, die aus Russland die gestohlenen Dokumente aus der kriminellen Ermittlung mitgenommen hat, und Alexander Shvartsman, der Browders Vertreter war, während dieser sich in den USA aufhielt".

Man würde auch gerne mit Vertretern anderer Geheimdienste sprechen, beispielsweise mit Christopher Steele, einem Ex-Agenten des britischen MI-6, der in Russland tätig war und die angeblichen Enthüllungen über Donald Trump im sogenannten Trump- oder Russland -Dossier für den Wahlkampf (Wie im Kalten Krieg: Trump, die Geheimdienste, Medien, Fake News) verfasst und dafür Millionen von den Demokraten erhalten haben ("Russland-Dossier" über Trump: Vorwürfe gegen Hillary Clinton und die Demokraten). Er soll nach der russischen Generalstaatsanwaltschaft auch in Kontakt "mit einer Gruppe von Lobbyisten des Magnitski-Gesetzes gestanden haben und interessanterweise wurde durch ihn die Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller … initiiert". Die US-Geheimdienste griffen das Trump-Dossier offiziell mit großem Trara auf und meldeten so Zweifel an Trump an.

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