Das Geschäft mit dem Tod

Die griechische Dimension des Medikamentenskandals von Brandenburg

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Der Skandal um die in Deutschland an Krebspatienten ausgegebenen und in Griechenland gestohlenen Medikamente hat nicht nur deutsche Patienten gefährdet. Die in Griechenland von einer organisierten Verbrecherbande geklauten Präparate für Chemotherapien waren von Anfang an als "nur für den Gebrauch in Krankenhäusern" gekennzeichnet.

Die Bande hatte die Medizin auf Kosten des griechischen Gesundheitssystems zum Teil mit betrügerischen Rezepten aus den Krankenhausapotheken entfernt. Ein weiterer Teil wurde schlicht den griechischen Patienten vorenthalten. Diese erhielten nicht die für ihr Leiden und ihre Therapie notwendige Medikation. Zudem kam es durch den massiven Diebstahl von Medizin zu einem Engpass für weitere Patienten.

Im Rahmen der Kreditverpflichtungen kann das griechische Gesundheitssystem nicht einfach fehlende Medikamente nachkaufen. Wenn mehr als die über den Staatshaushalt von den Kreditgebern genehmigten Summen für Medizin gebraucht werden, dann heißt es auch für schwerkranke Griechen erst einmal warten. Sie haben nach der Logik der Sparpläne schlicht als "statistische Ausreißer" Pech gehabt. Die Statistik deckt zwar den normalen durchschnittlichen Jahresverbrauch der einzelnen Krankenhäuser ab, wird jedoch bei unvorhersehbaren Ereignissen gesprengt.

Teilweise spielen sich in griechischen Krankenhäusern bizarre Szenen ab, wenn zum Beispiel die Angehörigen von Unfallverletzten zusammen mit der Nachricht vom Unfall die Aufforderung erhalten, doch schleunigst auch noch Verbandsmaterial, Spritzen, Fäden und Medizin zu besorgen. Bei Patienten der Onkologie kommt der Schock nicht so plötzlich, ist aber keineswegs weniger belastend. Wenn, wie im vorliegenden Fall, korrupte Ärzte für nicht existente Patienten Chemotherapien in großem Maßstab verschreiben, dann klappt auch der vorgesehene Austausch von Medizin zwischen den einzelnen Krankenhäusern nicht mehr. Das System bricht zusammen. Dass die für Krankenhäuser vorgesehenen Medikamente "zur Sicherheit des Systems" als nur für die griechischen Hospitäler markiert sind, schränkt die Möglichkeit des Missbrauchs offensichtlich keineswegs ein.

Die Bande konnte die Medikamente zwar entwenden, für eine richtige Aufbewahrung und die Weitertransporte fehlte jedoch die erforderliche Infrastruktur. Ohne die angemessene Lagerung der Medizin war die Wirksamkeit der Präparate von Anfang an in Gefahr. Die komplette Bande wurde nach langer Fahndung im Mai von den griechischen Strafverfolgern identifiziert. Bereits damals wurde öffentlich, dass ein großer Teil des Verbrecherrings in Deutschland stationiert ist. Der mutmaßliche Kopf der Bande, ein siebzigjähriger Ägypter, operierte unternehmerisch von Deutschland und wurde in Griechenland festgenommen. Bei den weiteren, in Deutschland stationierten Abnehmern hatte der griechische Staat keinen Zugriff.

Alle Kontrollmechanismen haben versagt

Die griechischen Fahnder hatten ihre deutschen Kollegen bereits frühzeitig informiert. Offenbar wurden diese Informationen in irgendeiner Schublade vergessen. Zudem fällt auf, dass nach deutschen Angaben bereits seit Ende 2016 bekannt ist, dass die Medizin von Griechenland aus von einer nicht für den Großhandel und Export lizenzierten Apotheke vertrieben wurde. Eindeutig nur für Krankenhäuser vorgesehene Medizin, die von einem offensichtlich steuerlich nicht korrekt erfassten griechischen Unternehmen exportiert wird - das hätte jeden durchschnittlich begabten, aufmerksamen Beamten ins Grübeln bringen müssen.

Offensichtlich haben sämtliche Kontrollmechanismen versagt. Den Schaden haben nun die mangelhaft behandelten deutschen und griechischen Patienten und der griechische Staatshaushalt. Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) steht als politisch für die Kontrolle des Medikamentenhandels zuständige Politikern in der Verantwortung. Bis zum jetzigen Zeitpunkt weigert sie sich, Konsequenzen zu ziehen. Der in Deutschland operierenden, wissentlich oder unwissentlich als Hehler fungierenden Großhandelsfirma wurde erst am 20. Juli die Lizenz entzogen.

In Griechenland ist die politische Verantwortung auf mehrere Köpfe verteilt. Das Gesundheitsministerium muss sich zusammen mit den Kreditgebern fragen, wieso die hoch gelobten statistischen Systeme, bei denen alle von Medizinern verschriebene Rezepte elektronisch erfasst werden, nicht schneller zur Aufdeckung des Verbrecherrings geführt haben. Versagt haben auch die Computer der unabhängigen Finanzbehörde für Steuern, deren Software die ungewöhnliche und nicht lizensierte Exporttätigkeit der Apotheke schlicht hätten erfassen müssen. Diese Thematik wurde im griechischen öffentlichen Dialog noch nicht erfasst.

Den Skandal allein auf Golze und ihre griechischen Kollegen abzuschieben, erscheint jedoch kurzsichtig. Die eigentlichen Verantwortlichen sitzen in Brüssel. Die Europäische Union gestattet und fördert den regen Grauhandel mit Medikamenten, statt in das undurchsichtige, willkürliche Preissystem der Pharmakonzerne einzugreifen. Denn nicht alle Medikamente sind in Deutschland teurer als in Griechenland.

Zu einer der Auflagen der Kreditgeber an Griechenland gehört, diesen Grauhandel samt dem Medizinverkauf auch in Supermärkten endlich zuzulassen. Dass sich dann in einem umgekehrten Fall die griechischen Beamten bei ihrer Kontrollfunktion als solidarischer als die Deutschen erweisen könnten, sollte nicht einmal als Mutmaßung in Betracht gezogen werden.

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