Sind Marokko, Algerien und Tunesien sichere Herkunftsländer?

Das Lied von den Menschenrechten - eine alte Weise, die man nicht mehr hören mag? Foto "Disco Maghreb" in Oran, Algerien (2017): Roman Deckert / CC BY-SA 4.0

Die Bundesregierung plant erneut, Tunesien, Algerien und Marokko in die Liste der sicheren Herkunftsländer aufzunehmen. Der Plan könnte scheitern

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Die Bundesregierung wagt einen neuen Anlauf, die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko in die Liste sicherer Herkunftsstaaten aufzunehmen. Dadurch sollten Asylverfahren für Flüchtlinge aus diesen Ländern verkürzt und Abschiebungen vereinfacht werden. Ob das Vorhaben durchkommt, ist allerdings fraglich.

Scheitern könnte der Plan nicht nur an der für die Bundesratsmehrheit notwendigen Zustimmung der Grünen, sondern auch an den verfassungsrechtlichen Hürden. Das Grundgesetz erlaubt solch eine Einstufung nur, wenn in den jeweiligen Ländern "weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet". Doch Verfolgung und Diskriminierung gibt es im Maghreb nach wie vor, wie die folgende Beispiele zeigen.

Trotz Reformen wird in Tunesien, Marokko und Algerien gefoltert

Seit dem Beginn des "Arabischen Frühlings" hat sich vieles zum Positiven gewendet in Tunesien. Im Jahr 2014 sorgte eine umfassende Justizreform dafür, dass auch Häftlinge mehr Rechte, wie zum Beispiel Zugang zu einem Anwalt, genießen. 2013 wurde eine Nationale Anti-Folterbehörde ins Leben gerufen.

Gefoltert wird laut Menschenrechtsorganisationen dennoch. Vor allem infolge der neuen Anti-Terrorgesetze und des seit 2015 geltenden Ausnahmezustands hätten sich Fälle von Folter wie Waterboarding in letzter Zeit sogar wieder erhöht, berichtete Amnesty International in einem Report im Jahr 2017.

Internationale Aufmerksamkeit erregte der Tod von Mohamed Ali Snoussi. Polizisten verprügelten den 32-Jährigen am 24. September 2014 auf offener Straße und verhafteten ihn anschließend. Neun Tage später starb er - wahrscheinlich an den Folgen der Folter, die er in Haft erleiden musste.

Auch der aktuelle Fall des unrechtmäßig aus Deutschland nach Tunesien abgeschobenen Sami A. zeigt, dass Gefangene mit Misshandlung rechnen müssen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen untersagte dessen Abschiebung, weil man nicht ausschließen könne, dass der mutmaßliche Ex-Leibwächter Bin Ladens in Tunesien gefoltert werde.

Trotz gegenteiliger Bekundungen der Regierung wird auch in Marokko weiter gefoltert. Ein Bericht von Amnesty International vom Mai 2016 dokumentierte 173 solcher Fälle. Auch in Algerien berichteten Häftlinge in der Vergangenheit immer wieder durch Folter durch den Geheimdienst DRS.

Gewalt gegen Demonstranten und Oppositionelle

Tunesien als Ursprungsland des "Arabischen Frühlings" gilt in Sachen Versammlungsfreiheit als Vorbild in der arabischen Welt: Das Versprechen auf "fundamentalen Freiheiten", das die neue Verfassung den Bürgern des Landes gemacht hat, ist aber längst noch nicht eingelöst. Immer wieder lösen Sicherheitskräfte Demonstrationen im Land mit massiver Gewalt auf.

Bei Protesten gegen zu hohe Steuern gingen Armee und Polizei im Januar dieses Jahres gegen Protestierende vor und verhafteten über 500 Menschen.

Nicht besser ist die Situation in Marokko: Zwar versichern die Herrscher auch hier immer wieder, vom Arabischen Frühling gelernt zu haben, Monarchiegegner oder Aktivisten, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen, werden dennoch regelmäßig von öffentlichen Plätzen vertrieben.

Als im März 2018 Kohlekumpel in der nordöstlichen Provinz Jerada auf die Straße gingen, reagierte die Polizei Human Rights Watch zufolge mit "massiver Gewalt, Verhaftungen und Misshandlung von Gefangenen". Auch algerische Behörden sind weit davon entfernt, ihren Bürgern das Recht auf Versammlungsfreiheit zu gewähren. Im Jahr 2014 lösten Sicherheitskräfte die Protestbewegung "Barakat" brutal auf. In der Hauptstadt Algier sind Demonstrationen gleich ganz verboten.