Rechtsrevoluzzer Bannon will in Europa als Chefstratege Fuß fassen

Stephen Bannon. Bild: Elekes Andor/CC BY-SA-4.0

Mit einer Stiftung will er rechte Parteien für die EU-Wahl im Mai stärken und sich Einfluss verschaffen, nachdem er in den USA kaum mehr eine Rolle spielt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nach seinem Rauswurf als Chefstratege im Weißen Haus im August 2017 hat Rechtsaußen Steven Bannon, der davor das Breitbart News Network leitete und Donald Trumps Wahlkampf beförderte, an Einfluss und an finanziellen Mitteln verloren. Auch aus Breitbart flog der sich als rechter Revolutionär gebende völkische Populist gegen die politischen Eliten raus, nachdem seine Förderin Rebekah Mercer den Stecker zog und sich auch ihr Vater, der Milliardär Robert Mercer, von ihm abwandte (Schlammschlacht zwischen Bannon und Trump). Dass der Anti-Establishment-Revoluzzer sich überhaupt als Chefstratege anheuern ließ, war schon erstaunlich, aber schließlich war auch der neue Präsident, ein fest in der Elite verwurzelter Milliardär, irgendwie ein Anti-Establishment-Revoluzzer.

Zunächst hatte er Großes auf dem Mediengebiet vor und wollte mit dem Mercer-Geld einen Fernsehsender aufbauen, um auch die gemäßigten Rechten zu jagen, aber auch, um Trump weiter zu stärken (Das Establishment hinter den Rechtspopulisten). Bei Versuchen, einige rechte republikanische Senatskandidaten bei Wahlen zu unterstützen, war er weitgehend glücklos. Offenbar sieht er derzeit keine Alternative zu Trump und verteidigt so dessen Politik weiterhin als scheinbar treu ergebener Unterstützer ("You Are Either With Trump or You Are Against Him").

Jetzt will er, der sich auf der "richtigen Seite der Geschichte" wähnt, offenbar wieder Aufmerksamkeit und neuen Einfluss gewinnen, was ihm derzeit wohl eher in Europa bei seinen rechten Freunden wie Marine Le Pen, Matteo Salvini, Beatrix von Storch und Alice Weidel, Nigel Farage oder Viktor Orban möglich zu sein scheint, die er schon länger umwirbt bzw. diese ihn. Seine Zukunftsvision? Zurück in den Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts, der im Nationalsozialismus kulminierte: "Rechtspopulistischer Nationalismus wird an die Regierung kommen. Es wird einzelne Nationalstaaten mit ihren eigenen Identitäten, ihren eigenen Grenzen geben."

Nach den Midterm-Wahlen will er, wie Daily Beast berichtet, teilweise nach Brüssel übersiedeln und sich mit einer Stiftung, die "Die Bewegung" heißt, in den EU-Wahlkampf einmischen, also eine ausländische Beeinflussungskampagne starten. Vorbild, wenn auch negatives, ist die Soros-Stiftung, die seit Gründung durch den Finanzinvestor und Milliardär viel Geld vor allem in die Liberalisierung Osteuropas steckte und dabei auch die "bunten Revolutionen" förderte. In der Ukraine ist die Stiftung schon vor dem Regierungssturz sehr aktiv gewesen. Bannon feiert, dass sein Freund Orban "Soros und seine Open Society Foundations aus Budapest gejagt" hat. Für Bannon ist Soros "böse, aber er ist brillant". Das will er auch gerne sein, also beides. Das Image, ein Böser zu sein, ist für ihn, ganz Aufmerksamkeitsfetischist, eine Auszeichnung.

Woher das Geld für die Stiftung kommt und wer die Geldgeber sind, verriet Bannon nicht. Er spricht von einer "Supergruppe" im EU-Parlament, die er auf ein Drittel aller Abgeordneten nach der letzten Wahl anwachsen sieht. Damit ließe sich das Parlament zumindest stören. Und dem will er nachhelfen mit einem zunächst zehnköpfigen Team, das die Rechten fördern und ihm Einfluss und Macht sichern soll, die er in den USA weitgehend eingebüßt hat.

"Mir geht es um die Macht"

Die EU-Wahl sei sehr wichtig, es sei "die erste Konfrontation auf dem Kontinent zwischen dem Populismus und der Partei von Davos". Nach dem Brexit und dem Sieg der Lega in Italien rechnet sich Bannon gute Chancen aus. Seine Hauptidee scheint zu sein, politische Programme und Strategien sowie Wahltaktiken mit Sozialen Medien und individuelle Wahlbeeinflussung für die europäischen rechten Parteien zu entwickeln und teils selbst an den Wahlkämpfen teilzunehmen. Und er geht davon aus, dass anders als in den USA gar nicht viel Geld notwendig ist, um eine politische Wende zu erzielen. In Großbritannien habe es die Pro-Brexit-Kampagne mit 7 Millionen Pfund geschafft: "Dude! You just took the fifth largest economy in the world out of the EU for £7 million!"

Und die Lega und die 5-Sterne-Bewegung hätten es geschafft, mit ihren Kreditkarten die siebtgrößte Wirtschaft zu übernehmen: "It's insane!" Wenn deren Regierung klappt, was immer das bedeuten mag, könne das italienische Model überall funktionieren, es sei "das schlagende Herz moderner Politik". Man gewinnt allerdings den Eindruck, dass Bannon ein Revolutionsdarsteller ist, der gerade nur zufällig auf die Rechtsnationalisten und deren Kampf gegen die liberalen, globalistischen Eliten, die Migration und den Multikulturalismus sowie gegen das jeweilige Ausland setzt, weil die gerade versprechen, subversiv und erfolgreich zu sein. Was dabei herauskommt, ist Bannon egal, hauptsächlich Macht. Er macht auch kein großes Geheimnis daraus: "Mir geht es um den Sieg. Mir geht es um Macht. Ich will gewinnen und ich will Änderungen bewirken."

Welche Änderungen das sind und zu welchen Folgen sie führen, ist dem Strategen ziemlich egal, allerdings benötigt er inner- und zwischenstaatliche Konflikte und Krisen, die seine aggressive Politik tragen und attraktiv erscheinen lassen. Ein stark vereinfachtes Weltbild liegt seinem Denken zugrunde: Gut-Böse, Freund-Feind, ein Schuss Weltuntergang und viel Verschwörungstheorie. Das freilich scheint ein Charakterzug vieler rechtsnationaler oder rechtspopulistischer Politiker. Bannon verkörpert diesen Geist, von dem aber fraglich ist, was Goethe Mephistopheles sagen lässt: "Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft."

Alt-Right setzt sich von Bannon ab

Allerdings wird Bannon von den amerikanischen Rechten der Alt-Right-Bewegung mittlerweile auch kritisch gesehen. Deren Anführer Richard Spencer wirft ihm vor, zu taktisch zu sein, wenn er sagt, dass nicht alle "ethno-nationalistischen Bewegungen" von seiner Stiftung gefördert würden. Er habe bereits auf ähnliche Weise versucht, "die Energien von Alt-Right, die in ihrem Kern identitär, ethno-nationalistisch sind, in einen 'Wirtschaftspopulismus' umzulenken". Überhaupt fragt sich Spencer, warum Europäer sich Bannon und seinem britischen Ableger zuwenden sollen: "Natürlich wegen des Tantalus-Versprechens auf einen Zugang auf Amerika. Sie scheinen auch zu glauben, dass Bannon das Geheimrezept für Trumps Wahlsiegt besitzt. In Wirklichkeit ist er erst spät auf den Zug gesprungen."

Die AfD gibt sich nationalistisch. "Ein Coaching von außerhalb der EU brauchen wir grundsätzlich nicht", sagte Meuthen im ARD-Sommerinterview. Aber die politische Zielrichtung wird von ihm beibehalten, also dass "sich die Parteien, die diese rechtskonservativen Positionen vertreten, zusammenschließen sollten". In der Kooperation der Nationalisten will er einen Unterschied zum früheren Nationalismus sehen, als hätten sich etwa Deutschland, Italien oder Spanien nicht unterstützt. Eine der Top-Themen bleibt, die "Außengrenzen" zu schützen. Was andere Themen betrifft, die Detailarbeit erfordern, gibt es wie bei der Rentenpolitik aber keine Einigung. Würde das große Thema Migration wegfallen, wenn es auch von den anderen Parteien nur noch am Rande behandelt würde, könnte die AfD durchaus kollabieren.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.