Golanhöhen: Israel schießt syrischen Kampfjet ab

Qunaitra bei den Golanhöhen. Foto (von 2001): Christian Koehn/ CC BY-SA 3.0

Syrien behauptet, dass sich das Flugzeug im syrischen Luftraum befunden habe, mit dem Auftrag, "Terroristen" anzugreifen. Israel spricht von einer Verletzung der Abmachungen zu den Golanhöhen

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Am Dienstag schoss die israelische Flugabwehr einen syrischen Kampfjet des Typs Sukhoi-22 ab. Ort des Abschusses war das syrisch-israelische Grenzgebiet bei den Golanhöhen. Bis hierher stimmen die Sichtweisen beider Parteien, Israels und Syriens, noch überein, da die Ortsangabe "syrisch-israelisches Grenzgebiet" einiges offenlässt.

[Einfügung: Israel betrachtet die 1973 besetzten Teile des Golan als eigenes Staatsgebiet; Syrien betrachtet das Gebiet ebenso als Staatsgebiet. Die einseitige Annektion der Golanhöhen durch Israel 1981 wurde international nicht anerkannt.]

Die syrische Armee hat dort am Dienstag mit ihrer Offensive überraschend schnell Geländegewinne gemacht und hat, wie es Times of Israel heute berichtet, zum ersten Mal seit 2011, also seit Beginn des Aufstandes und des damit verquickten Krieges gegen die Regierung Baschar al-Assad, den "Grenzzaun" bei den Golanhöhen erreicht, wo UN-Friedenstruppen in einer Pufferzone ihren Beobachtungsposten haben.

Das Yarmouk-Tal

Die syrischen Truppen sind der Waffenstillstandslinie damit ziemlich nahegekommen. Ein letztes, etwa 50 Quadratkilometer großes Gebiet im Yarmouk-Tal bleibe der syrisch-arabischen Armee und ihren Verbündeten noch als bedeutendes Gelände zu erobern, heißt es, eine IS-Zone, kontrolliert von der Miliz Jaish Khalid bin-Walid, die al-Bagdadi die Gefolgschaft erklärt hat.

Hier haken sich die ersten Vorwürfe an die israelischen Streitkräfte vonseiten der syrischen Regierung ein. Die israelische Flugabwehr habe den syrischen Jet über syrischem Gebiet abgeschossen. Der Jet habe den Auftrag gehabt, "Terroristen" anzugreifen, zitiert die Times of Israel.

Wie die der Regierung in Damaskus nahestehende al-Masdar-News berichtet, ereignete sich der Abschuss in der Nähe der Grenzstadt Saida, in deren unmittelbarer Nachbarschaft die syrischen Tiger-Force-Elitetruppen gerade gegen die Jaish Khalid bin-Walid vorrücken.

So wird der Abschuss des syrischen Kampfjets in Zusammenhang mit einem Vorwurf gerückt, welcher Israel und den IDF schön länger gemacht wird, den der Unterstützung des IS oder anderer Dschihadisten wie z.B. al-Nusra oder deren Nachfolgemiliz Hayat al-Tahrir.

Vorwürfe gegen Israel: Unterstützung von Dschihadisten?

Israelische Vertreter gaben zwar in den letzten Wochen an, dass man bestimmte Milizen in Syrien unterstützt habe, aber freilich keine IS-Milizen oder al-Nusra. Dennoch die Vorwürfe gibt es schon lange; belastbare Beweise sind dem Autor noch nicht untergekommen.

Beim Blog Moon of Alabama, das sehr scharf auf westliche Propaganda achtet, wird der Vorwurf, dass die USA und auch Israel, wenn es kriegstaktisch opportun ist, mit dem IS kalkuliert und die Dschihadisten unterstützt, öfter gemacht, meist begründet mit einer Plausibilität, die sich aus verschiedenen Berichten ergibt. Direkte Beweise fehlen.

Aber - was die US-Unterstützung des IS betrifft, um Assad zu schwächen, so hat dies der frühere Außenminister Kerry eingeräumt. Demnach handelte es sich um eine indirekte Hilfe, Verschonung von Angriffen zum Beispiel. Die man im Fall des aktuellen Flugzeugabschusses auch unterstellen könnte.

Moon of Alabama verweist auf eine Aussage des früheren israelischen Verteidigungsminsiters Ya'alon von Anfang 2016: "Ich würde den Islamischen Staat Iran in Syrien vorziehen. (…)"

Ya'alon stufte Iran als gefährlicher ein, da der IS nicht die Möglichkeiten habe wie Iran. Der damalige Verteidigungsminister erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Golanhöhen, wo Iran, das Israel den Krieg erklärt habe, eine "Terrorfront" eröffnet habe.

Netanjahu: "40 Jahre fiel kein Schuss an den Golanhöhen unter Assad"

Nun, gute zwei Jahre später, Mitte 2018, haben sich die Dinge etwas verändert. Netanjahu erklärte kürzlich, dass man in Israel ganz zufrieden sei, wenn Baschar al-Assads Truppen wieder an der Grenze zu Israel für die Sicherheit sorge ("for 40 years not a single bullet was fired on the Golan Heights"). Und im Bericht der Jerusalem Post zum Flugzeugabschuss wird notiert, dass Milizen, die mit Iran verbündet sind, nur eine Nebenrolle bei der syrischen Offensive im Südwesten spielen.

Auch die beiden bekannt kritischen Beobachter der israelischen Aktivitäten, die Syrien betreffen, Moon of Alabama und der hier schon öfter zitierte Kriegsanalyst Elijah J.Magnier, halten sich im aktuellen Fall mit Vorwürfen zurück, wonach der Abschuss der syrischen Maschine mit der "Unterstützung" der IS-Miliz zu tun habe. Sie deuten eher auf eine Absicht, die syrische Regierung zu einer Reaktion zu provozieren - mit der Unterstellung, dass eine Ausweitung der Auseinandersetzungen im Interesse Israels liege.

Begründet wird dies damit, dass die syrischen Truppen immer näher und stärker an die Golanhöhen heranrücken, was Israel zu solchen Maßnahmen reize.