Flüssigerdgas: Erzwingen die USA den Abschied von der Marktwirtschaft?

Werbefoto des Flüssiggasterminals im polnischen Swinemünde. Bild: Polskie LNG S.A. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Wie Junckers Abnahmeversprechen umgesetzt werden können

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Gestern versprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem US-Präsidenten Donald Trump zur Abwendung von Zöllen auf deutsche Autos die vermehrte Abnahme von US-Flüssigerdgas und amerikanischen Sojabohnen durch EU-Länder (vgl. Juncker erkauft vorläufigen US-Verzicht auf Autozölle). Wie Juncker diese Versprechen konkret einlösen will, ist noch nicht klar.

Bei Sojabohnen kann die EU den Import relativ einfach steigern, indem sie Vorschriften abbaut, die ihn hemmen. Etwas schwieriger wird es beim Flüssigerdgas. Dass das nicht mehr Abnehmer findet, liegt nämlich vor allem daran, dass es sowohl wegen seiner relativ aufwendigen Förderung aus Schiefer als auch wegen des Seetransports mit Kühlung und Kompression deutlich teurer ist als über Pipelines geliefertes Erdgas. Deshalb sind die insgesamt 26 europäischen Flüssigerdgas-Terminals aktuell mit nur 55 von 235 verfügbaren Milliarden Kubikmetern ausgelastet. Selbst dieser Auslastungsgrad kommt nur dadurch zustande, dass beispielsweise in Litauen die Regierung den staatlichen Energieversorger anwies, einen Liefervertrag zu schließen und auch andere Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtete, diesem Mindestmengen abzunehmen.

Steuerzahler soll "erhebliche Wirtschaftlichkeitslücke" schließen

Trotzdem soll im nächsten Jahr mit dem Bau eines weiteren europäischen Flüssigerdgas-Terminals begonnen werden. Standort ist das schleswig-holsteinische Brunsbüttel, Bauherr eine German LNG Terminal GmbH, hinter der sich einem Bericht des Handelsblatts zufolge der niederländische Gasversorger Gasunie, der niederländische Tanklagerbetreiber Vopak und eine Tochter des Hamburger Energielogistikers Marquard & Bahls verbergen.

Dem schleswig-holsteinischen FDP-Staatssekretär Thilo Rohlfs nach wird die Anlage etwa 450 Millionen Euro kosten und "eine erhebliche Wirtschaftlichkeitslücke aufweisen". Deshalb muss wohl der Steuerzahler einspringen: Über den Infrastrukturfonds des Bundesverkehrsministeriums und den schleswig-holsteinischen Landesfonds "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW). Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck hatte bereits 2016 gefordert, dass Deutschland nicht mehr "auf russisches Erdgas setzt" und dabei nicht nur energiepolitische Motive, sondern auch den Einsatz russischer Truppen in Syrien, der unter anderem mit Einnahmen aus dem Gasverkauf finanziert werde, ins Feld geführt (vgl. Grüne schärfen ihr Profil als Verbotspartei).

Flüssigerdgas-Terminal gegen Nord Stream 2?

Die Gaspipeline Nord Stream 2, die Habeck ebenfalls verhindern möchte, könnte den vom russischen Nachrichtenportal Sputniknews befragten Marktanalysten Igor Juschkow von der Stiftung für nationale Energiesicherheit (FNEB) zufolge vom Bau des Flüssigerdgas-Terminals sogar profitieren: Ein "nutzloses LNG-Terminal", das 2011 fertig wird, ist seiner Meinung nach "auch nur ein Projekt, um endlich in Ruhe gelassen zu werden": "Das heißt, Berlin zahlt 500-600 Millionen Dollar im Gegenzug für Nord Stream 2" - "eine reine Formalie, um im Klub der LNG-Fans nicht aufzufallen".

Ist der Bau des Terminals also ein guter Deal, bei dem Deutschland gar nicht wirklich teureres amerikanisches Gas abnehmen muss? Möglicherweise unterschätzt man mit so einer Vorstellung amerikanische Akteure: Ein Preis für ein Produkt lässt sich nämlich auch dann marktfähig machen, wenn man die Konkurrenz aussschaltet. Zum Beispiel durch Sanktionen. Markwirtschaft kann man das dann aber nur mehr bedingt nennen. Eher das Gegenteil davon.

Das "EU-Mantra", dass der russische Gaslieferant Gazprom einem Land "preislich entgegenkommen" muss, wenn es ein Flüssigerdgas-Terminal gebaut hat, hält Juschkow wegen der bestehenden Preisunterschiede nicht für Wettbewerbslogik, sondern für "Einbildung". Allerdings gibt es noch einen anderen Grund aus Brüssel, das Terminal zu bauen. Die EU fordert nämlich von ihren Mitgliedsländern, dass sie ihr Gas aus mindestens drei verschiedenen Ländern beziehen. In der Bundesrepublik sind das aktuell Russland, Norwegen und die Niederlande. Dort wird die Erdgasförderung in der Region Groningen bis 2022 halbiert und bis 2030 ganz eingestellt.

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