US-Stützpunkte in Deutschland sind abhängig von russischer Energie

Bild: Nord Stream 2 / Axel Schmidt

Nord Stream 2 versetzt amerikanische Transatlantiker weiter in Unruhe, es geht um geopolitische Macht, Europa ist ein Schlachtfeld im Energiekrieg

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Eines der Felder, auf der Donald Trump neben dem Wettrüsten und Sanktionen einen antirussischen Kurs zu fahren scheint, ist die Energiepolitik. Das wurde deutlich, als er Deutschland zur Zeit des Nato-Gipfels als einen "Gefangenen Russlands" bezeichnete, weil es Milliarden an Russland für dessen Gas zahlt und noch dazu die Abhängigkeit mit der Pipeline Nord Stream 2 verstärken will, während an den Ausgaben für militärische Sicherheit gespart werde und man sich auf die USA verlasse. Irgendwie scheint man sich auch durch das Treffen Trumps und Junckers geeinigt zu haben, dass die Nord Stream 2 gebaut wird, Deutschland aber auch mehr Flüssiggas von den USA kaufen und dafür einen Hafen bauen soll (NATO, Nord Stream und Europa: Geschäftsabschlüsse zählen).

Tatsächlich ist im Vergleich zum russischen Gas das amerikanische LNG viel teurer. Und würde Nord Stream noch mehr russisches Gas nach Europa pumpen - faktisch wird sich der Erdgasimport auf 110 Milliarden Tonnen verdoppeln -, dürfte dies noch einmal an der Preisschraube etwas ändern. Die wenigen europäischen LNG-Terminals sind wegen der Preise nicht einmal zu einem Viertel ausgelastet. Das wird der geplante Flüssiggas-Terminal in Brunsbüttel, der in dem Deal mit Trump gegen Nord Stream für fast eine halbe Milliarde Euro gebaut werden soll, nicht ändern, sondern auch nur die Kosten verschärfen, wenn die EU bzw. Deutschland nicht amerikanisches Flüssiggas subventionieren will (Flüssigerdgas: Erzwingen die USA den Abschied von der Marktwirtschaft?).

Die Frage wird noch sein, ob der amerikanische Kongress Gesetzesvorlagen wie diesen zur "Energiekooperation" verabschieden wird, die die Abhängigkeit der europäischen Nato-Partner von russischer Energie reduzieren wollen, das seine Energieressourcen als "geopolitische Waffe" nutze, während man selbst nur im Rahmen einer "transatlantischen Energiesicherheit durch Zugang zu verlässlichen, verschiedenartigen und günstigen Energieressourcen" sorgen wolle, was bedeutet, "die Energieexporte aus den USA nach Europa zu erhöhen". Wer sich am Bau von russischen Pipelines - eben Nord Stream - beteiligt, in solche Projekte investiert oder auch nur Informationen bereitstellt, soll mit Sanktionen belegt werden. Das erscheint manchen Amerikanern noch als einzige verbliebene Möglichkeit, Nord Stream zu verhindern.

Schon letztes Jahr lieferte Russland ein Drittel der Gasversorgung für die gesamte EU. Im ersten Viertel 2018 waren es sogar 41 Prozent, während der Anteil von Flüssiggas bei 12 Prozent lag - und Flüssiggas aus den USA bei 1 Prozent. Da sich die Menge an Erdgas, die über Pipelines unter Umgehung der Ukraine nach Deutschland und die EU gelangt verdoppelt, ist zu erwarten, dass die Pipeline-Einnahmen sinken werden, weil die von der Ukraine auferlegten Durchleitungsgebühren das Gas verteuern. Wladimir Putin hatte zwar zugesichert, weiterhin Gas durch die Ukraine zu liefern, aber hinzugefügt, dass dies nur so lange geschehe, wie dies wirtschaftlich sinnvoll sei.

C-130-Transportflugzeuge auf Ramstein. Bild: Dod

Bedrohungsszenarien aus geopolitischen Interessen

Ein Problem ist dabei, dass auch die zahlreichen US-Stützpunkte in Europa und vor allem in Deutschland abhängig von russischer Energie sind. Aufgeregt schrieben die republikanischen Senatoren Patrick Tommey, John McCain, Robert Casey und Joe Manchin am 25. Juli einen Brief an US-Verteidigungsminister Mattis, es müsse zwingend sein, dass "unsere militärischen Operationen vor jeder russischen Manipulation oder jeder Störung der Energieversorgung geschützt" sein müssen. Russland werde weiterhin Energie als "politische Waffe" einsetzen, zu Versorgungsproblemen kam es allerdings durch Aktionen der Ukraine, daher müsse das US-Militär auch als Vorbild die Abhängigkeit von russischer Energie beenden. Der Senator verweist auf den geplanten Bau einer Klinik der US Army in Deutschland, wo man überlege, ein mit russischem Gas betriebes Kraftwerk zu installieren.

Constance Douris, Vizepräsidentin des rechten und einflussreichen Lexington Institute, verweist in diesem Zusammenhang auf Ramstein, den größten US-Stützpunkt in Deutschland und Europa mit 56.000 hier stationierten US-Soldaten. Fast 40 Prozent des in Deutschland von US-Stützpunkten verbrauchten Erdöls kommt aus Russland. Douris macht sich die Sicht zu eigen, dass dann, wenn Russland seine Energieverbraucher zu "Geiseln" mache, wie dies gegenüber der Ukraine 2006 und 2008 geschehen sei, was freilich mehr mit dem erpresserischen Verhalten der Ukraine zu tun hatte als mit russischer Geiselnahme, dann würde "nicht nur Deutschlands Stromnetz damit kämpfen, seine Bürger mit Elektrizität zu versorgen, sondern es wären auch amerikanischen Stützpunkte und Operationen betroffen".

Douris bedient die üblichen Bedrohungsszenarien ausschließlich aus amerikanischer Sicht, die aber keineswegs die der Europäer sein muss oder sein sollte: "Die Nord Stream II Pipeline stärkt, kurz gesagt, Moskaus geopolitische Macht und verdoppelt die Abhängigkeit der EU von russischer Energie. Die Einnahmen der Gasverkäufe versorgen Russland auch mit mehr Mitteln, feindliche Ziele zu verfolgen wie die kürzlich erfolgte Annexion der Krim und die Cyberkampagne gegen das amerikanische Stromnetz. Erhöhte Energieabhängigkeit von Russland könnte auch als Hebel eingesetzt werden, um die EU unter Druck zu setzen und einen Keil zwischen die Nato-Alliierten zu treiben."

Vorgeschlagen wird, die amerikanischen Stützpunkte sollten Microgrids aufbauen, um sicherzustellen, dass bei einem Stromausfall weiterhin Elektrizität erzeugt werden kann. Das könnte allgemein sinnvoll sein, ganz unabhängig von der "russischen Bedrohung", weswegen bei kritischen Infrastrukturen wie Krankenhäusern, Kraftwerken oder Flughäfen in der Regel eine Notfallversorgung etwa durch Generatoren vorhanden ist. Douris denkt da auch an AKW, die zu diesem Zweck gebaut und genutzt werden könnten, aber auch an Batterien in E-Autos. Wenn Russland mehr Gas nach Europa liefern könne, so die amerikanische Energieexpertin, sei es desto wichtiger, dass US-Stützpunkte eine Notfallstromversorgung haben. Der Kongress solle dafür sorgen, dass sie "mit Microgrids, Stromspeichern und auch mit elektrischen Fahrzeugen ausgerüstet werden, um die Stromversorgung sicherzustellen, wenn die Energieversorgung beeinträchtigt ist".

Interessant ist, dass mehr Export von amerikanischem Flüssiggas in ihren Überlegungen keine Rolle spielt. Aber interessant ist auch, dass Russland trotz des sich verstärkenden Konflikts mit der Nato und deren Osterweiterung nie die Energieversorgung als Druckmittel eingesetzt hat. Das ist zumindest bislang eine Drohkulisse von interessierter Seite, den Konflikt weiter zuzuspitzen und Europa noch stärker von den USA abhängig zu machen bzw. deren Dominanz zu sichern. Russland ist natürlich daran gelegen, die Exporte und damit die Einnahmen zu steigern, um so im Wettrüsten nicht ganz zurückzufallen und sich über Energie und die damit verbundenen Geschäfte Einfluss zu sichern.