Bayerns Weg nach Osten

Stand der Stadt Shenzen bei der Seidenstraßen-Messe. Foto: Herrman Ploppa

Der erste Kongress zur Neuen Seidenstraße auf deutschem Boden macht deutlich: Es ist höchste Zeit für eine aktive und innovative Rolle in diesem neuen Marshallplan

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China ist für alle das große Thema. Das Reich der Mitte sprengt alle Ketten und erregt mit seiner wirtschaftlichen und strategischen Potenz Faszination und Furcht im Rest der Welt. Der neueste Deal zwischen US-Präsident und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist eine kopflose Negativ-Reaktion auf die Expansion chinesischer Wirtschaftstätigkeit in den globalen Raum hinein.

Die beiden Hauptakteure der westlichen Wertegemeinschaft, USA und die Europäische Union, haben sich gerade mit Strafzöllen gegenseitig ins Knie geschossen. Und um den Verlust beider Beine beim weiteren Fortgang der gegenseitigen Foulspiele zu verhindern, haben Trump und Juncker nun ein unwürdiges Schauspiel politischer Verwahrlosung aufgeführt: Hans-Claus im Glück tauschte bei dieser Gelegenheit ein gutgenährtes Schwein gegen einen wertlosen Flintstein.

Der dankbare Juncker

Trump bot dem Boris Jelzin der zerfallenden Europäischen Union großzügig an, bereits verhängte Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu "prüfen"; Trump will "nach einer Lösung suchen". Und "erstmal" wird es auch keine Strafzölle auf europäische Auto-Exporte in die USA geben, sagt er.

Voller Dankbarkeit sicherte Juncker dem US-Präsidenten zu, die Europäer würden jetzt genmanipulierte Sojabohnen und Fracking-Gas aus den USA importieren. Zurecht fragt Sahra Wagenknecht, welche europäischen Firmen und Staatsbetriebe denn von der EU gezwungen werden sollen, die giftige Fracht den USA abzukaufen? Ja, und dann wollen Juncker und Trump noch die Welthandelsorganisation WTO reformieren.

Ich wiederhole: Verwahrlosung der internationalen Politik. Die USA werden von einem Milliardär regiert, der sich nach Gutsherrenart mit den unterschiedlichsten Staatenlenkern trifft und jenseits aller internationalen Verträge mit diesen mal ein Geschäftchen (auch etwas vornehmer: "Deal" genannt) verabredet. Über den genauen Inhalt und den Umfang der Geschäftchen wird der Öffentlichkeit allerdings nichts mitgeteilt.

Verlierer der globalen Entwicklung

Man kann aufgrund der nicht vorhandenen Rechtslage nicht einmal von "ungleichen Verträgen" sprechen. Und während die Mainstream-Presse nicht müde wird, die Schlauheit des amtierenden US-Präsidenten zu preisen, muss eben dieser globale Meisterdealer die US-amerikanischen Steuerzahler zur Kasse bitten, um seine Eigentore für die breite Öffentlichkeit unsichtbar zu machen.

Die Sanktionen gegen China haben zu Gegen-Sanktionen Chinas geführt, die nun dramatische Einnahmeverluste für Amerikas Farmer, also den Hardcore-Trump-Wählern, zur Folge haben. Die Einnahmeverluste sollen die Steuerzahler der USA mit 12 Milliarden Dollar Subventionen für die Farmer ausgleichen!

Das ist selbst Trumps Parteifreunden zu viel. Der republikanische Senator Bob Corker aus Tennessee, der im November in den Ruhestand geht, nahm kein Blatt vor den Mund: "Erst bringt Trumps schreckliche Politik die Bauern ins Armenhaus und jetzt werden sie Empfänger von Sozialhilfe."

Soweit zu den voraussichtlichen Verlierern der weiteren globalen Entwicklung. Wenden wir uns nun den voraussichtlichen Gewinnern zu. Die Volksrepublik China plant bekanntlich, um ihr Reich der Mitte ein konzentrisches Netz von Wirtschaftsverflechtungen zu spannen, die so genannte Neue Seidenstraße.

Handel mit China trotz antichinesischer Stimmungsmache

China hat so rasch Kapital akkumuliert, dass es dringend seine Binnengrenzen überschreiten muss, will es nicht aufgrund seiner eigenen Stärke explodieren. Dafür wird China über eine Billion Dollar (bzw. Yuan) in die Hand nehmen, um die nötige Infrastruktur für den Warenfluss zu schaffen. Chinas Liebeswerben sind in Europa bereits sechzehn Staaten im Osten Südosten Europas erlegen. Keine Frage: Zu diesem ambitionierten Vorhaben muss man Stellung beziehen.

In diesem Zusammenhang ist Lobenswertes zu vermelden über die Regierung des Freistaates Bayern, die sonst eher unangenehm auffällt durch ihr Hinterherlaufen hinter der Flüchtlingspolitik der AfD oder wegen ihres Vorstoßes mit einem zutiefst undemokratischen Polizeigesetz. Denn Bayern fördert ungeachtet der allgemeinen antichinesischen Stimmungsmache offensiv und ohne Wenn und Aber den Handel mit China.

Die Bayern veranstalteten in Nürnberg die erste große, professionell aufgezogene Seidenstraßenkonferenz Deutschlands. Zusammen mit der Industrie- und Handelskammer Bayerns wurden bei dieser Gelegenheit insbesondere mittelständische Unternehmer eingeladen, sich aktiv an den Seidenstraßen-Projekten zu beteiligen. 250 fränkische Unternehmer folgten dem "Weckruf" der Landesregierung und der IHK.

66 Staaten sind im Seidenstraßenprojekt eingebunden

Es ging eindeutig nicht mehr um das "Ob", sondern nur noch um das "Wie" einer Vernetzung mit China. Die Veranstalter machten kein Hehl aus ihrer Enttäuschung und Genervtheit über die Eskapaden des großen Meisterdealers aus Washington. Peter Ottmann, der Chef der Nürnberger Messegesellschaft und damit Gastgeber, bezeichnete Trump als "Glyphosator der internationalen Beziehungen", der sich dem Volk nur noch in den 280 Zeichen einer Twitter-Nachricht mitzuteilen weiß.

Bayerns Wirtschaftsminister Franz-Josef Pschierer verwies darauf, dass China gerade Bayerns Wirtschaftspartner Nummer Eins geworden sei mit einem Volumen von 8 Milliarden Euro im ersten Quartal 2018. Da macht es Sinn, dass Bayern jetzt gerade eine dritte Landesvertretung in China eröffnet hat.

Ein Zug verkehrt zwischen Chengdu und Nürnberg. Ein verlässlicher Schulterschluss mit einem aufstrebenden Partner, so Pschierer. Das könne man sich so mit dem unzuverlässigen Trump nicht vorstellen. Und der shooting star in der deutschsprachigen Ökonomenszene, Gabriel Felbermayr vom Münchner ifo-Institut, der demnächst das renommierte Kieler Weltwirtschaftsinstitut leiten soll, zierte sich gar nicht, die nackten Fakten klar auszusprechen:

Die Zukunft liegt in Eurasien und nicht - das müssen wir mal sehen - im transatlantischen Raum!

Gabriel Felbermayr, ifo-Institut

China hat sich in wenigen Jahrzehnten von der verlängerten Werkbank und Müllkippe des Westens hochgearbeitet zu einem dynamischen innovationsfreudigen Motor der Weltwirtschaft. Dabei haben die Chinesen so viel Geld angespart, dass jetzt der heimische Markt nicht mehr ausreicht, um das Ersparte wieder in Umlauf zu bringen. Massiv wird in Asien, Europa und Asien investiert und genetzwerkt, dass es der westlichen Wertegemeinschaft unheimlich wird.

66 Staaten sind im Seidenstraßenprojekt eingebunden. China hat sich viele Freunde geschaffen, indem es auch Projekte, die sich nicht unmittelbar rechnen, finanziert hat wie z.B. Krankenhäuser und Fußballstadien.