Roma im Fadenkreuz

Carsten Hütter. 2016-12-16_Carsten_H%C3%BCtter_(Landtagsprojekt_Sachsen)_by_Sandro_Halank.jpg:Bild: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

Trotz Grundgesetz - Landtagsfraktion der sächsischen AfD will die Roma in dem Bundesland zählen lassen

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Mitte Juni reichte der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter eine der vielen parlamentarischen kleinen Anfragen ein, mit denen die rechtspopulistische Partei für gewöhnlich zu provozieren versucht. Diesmal wollte Hüttner im Namen seiner Fraktion mit seiner Anfrage in Erfahrung bringen, wie viele Sinti und Roma in dem ostdeutschen Bundesland leben, wobei die Landesregierung zudem die Mitglieder dieser von dem NS-Regime verfolgten Minderheit nach ihrer Staatsangehörigkeit aufschlüsseln sollte.

Überdies wollte die AfD erreichen, dass die sächsische Landesregierung empirisches Material bezüglich der üblichen Ressentiments gegenüber Roma liefert: Die Regierung sollte angeben, in welchen Umfang die Schulpflicht der Roma-Kinder eingehalten wird. Zudem wollte die AfD wissen, wie viele Roma auf Sozialleistungen in Sachsen angewiesen seien. Ähnliche Anfragen, die aber nicht so explizit formuliert wurden, sind auch von der AfD in Sachsen-Anhalt eingebracht worden.

Trotzdem bildet die Anfrage des AfD-Mannes Hüttner eine neue Eskalationsstufe bei den Bemühungen der zunehmend nach rechts abdriftenden Partei, ethnische Minderheiten zu erfassen - denn hier wird ein evidenter Grundgesetzbruch gefordert. In ihrer knappen Antwort verwies die sächsische Landesregierung folglich auf das Grundgesetz, das - angesichts der Erfahrungen mit dem Nationalsozialistischen Terrorregime - die "Erhebung ethnischer Daten verbietet". Diese dürften nach dem "Grundgesetz nicht erfasst werden".

Vertreter der Roma fanden deutliche Worte für diesen abermaligen "Tabubruch" der AfD. Der Vorgang erinnere ihn "an die Nazis", erklärte Herbert Heuß vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, diese hätten schon vor der Machtergreifung angefangen, "Listen und Karteien von Juden, Sinti und Roma zu erstellen". Der Präsident des Roma-Zentralrats, Romani Rose, warnte, dass solche Vorstöße der AfD, die ausdrücklich nach "ethnischen Daten" fragt, ein "klares Zeichen" dafür seien, dass diese Partei sich "nicht an unsere Verfassung gebunden fühlt".

Mit solchen kleinen Anfragen sorge die AfD derzeit für "spitze Ohren" bei den offiziellen Minderheiten in der Bundesrepublik, bemerkte die Sächsische Zeitung. Nicht nur die Roma, auch Mitglieder der dänischen Minderheit und der Sorben warnten vor den Versuchen der AfD, "gerade in Anbetracht der Geschichte" zur ethnischen Erfassung von Minderheiten überzugehen.

Indes scheint die AfD mit solchen rassistischen Vorstößen vor allem darauf abzuzielen, die Methoden der italienischen Rechtspopulisten zu kopieren. Italiens Innenminister und Vize-Premier Matteo Salvini kündigte kurz nach der Amtsübernahme an, die Roma Italiens zählen zu lassen. Salvini wollte ebenfalls in Erfahrung bringen, wie viele Roma ihre Kinder in Schulen schicken oder eine italienischen Staatsbürgerschaft besitzen. Die Roma ohne Pass will Salvini ausweisen, die italienischen Roma müsse man "leider behalten", so der Spitzenpolitiker der rassistischen Regierungspartei Lega.

Kritiker bezeichneten das Vorgehen Salvinis als dessen "neueste Masche mit leicht faschistischem Anstrich", da in Italien die Zahl der Roma bekannt sei. Es gehe dem Lega-Chef nur darum, absichtlich Hass zu schüren, kritisierte der Abgeordnete Federico Fornaro. Inzwischen hat mit der Lombardei die erste Region mit der abermaligen Roma-Zählung angefangen, bei der alle Roma-Siedlungen kontrolliert und gegebenenfalls - falls diese illegal seien - abgerissen werden sollen.

Blanke Gewalt gegen Roma üben derzeit vor allem rechtsextreme Gruppen in der Ukraine aus (Militante rechtsextreme Gruppen können in der Ukraine ungestraft Gewalt anwenden). Bei mehreren Überfällen, die zumeist von faschistischen Formationen aus dem Westen des Landes verübt werden, sind Roma ermordet und verletzt worden. In der Nähe der westukrainischen Stadt Lviv, einer Hochburg der faschistischen Rechten, überfielen Ende Juni mit Messern bewaffnete Rechtsextremisten ein Zeltlager von Roma-Wanderarbeitern; sie ermordeten einen 24-jährigen Mann und verletzten eine Frau sowie drei Kinder und Jugendliche schwer (Toter bei Überfall einer Nazi-Bande auf ein Roma-Lager). In der Ukraine wurden allein in diesem Jahr zwei Dutzend solcher Übergriffe gezählt.

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