Die Straßburger Tanzwut

Vor 500 Jahren tanzten in der elsässischen Stadt massenhaft Menschen - und täglich starben bis zu 15 an Erschöpfung. Das Phänomen gibt noch bis heute Rätsel auf.

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Im Jahr 1374 wurde das erste Mal von einer Tanzwut berichtet, die als Epidemie zahlreiche mittelalterliche Dörfer entlang des Rheins befallen hatte. Innerhalb weniger Wochen hatte sich die Plage in Nordostfrankreich und bis in die Niederlande ausgebreitet. Die Menschen bewegten sich springend, zuckend, tanzend zu einer Musik, die nur sie selbst hören konnten. Es wird erzählt, dass die Tanzenden nicht eher aufhörten, als sie mit blutenden Füßen zusammenbrachen. Die von der Tanzwut Befallenen wollten das Tanzen für mehrere Tage weder zum Essen noch zum Schlafen unterbrechen.

Nach einigen Monaten legte sich die Tanzkrankheit jedoch wieder und verschwand so plötzlich wie sie gekommen war. Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert wird von Tanzwutvorfällen berichtet, die jeweils in einzelnen Gebieten in Westeuropa auftauchten, aber sich nicht über die geographisch jeweils klar eingegrenzten Regionen hinaus verbreiteten. Die Ursachen und Hintergründe der auch als Tanzpest bezeichneten Vorfälle sind bis heute nicht aufgeklärt.

Im Jahr 1491 wird von mehreren Nonnen in einem Frauenkloster in den Niederlanden berichtet, die von teuflischen Kräften besessen gewesen wären. Sie seien herumgerannnt wie Hunde sowie ähnlich wie Vögel von Bäumen gesprungen, nachdem sie wie Katzen zuvor auf die Bäume geklettert seien. Die Nonnen seien nicht die einzigen Betroffen gewesen sein, sie sollen jedoch sehr häufig an dieser Krankheit gelitten haben.

Zu den vielfach beschriebenen Symptomen zählten Schaum vor dem Mund, Schreie und Krämpfe, unanständige Angebote an Exorzisten und Priester sowie Beziehung zum Teufel. Für lange Zeit galt als populärste Theorie die Vorstellung, dass die Krankheit durch von Mutterkorn verseuchtem Brot hervorgerufen worden wäre. Vorwiegend in Zeiten großer Missernten, die es vom 14. bis zum 16 Jahrhundert häufiger gab, zogen sich viele Menschen eine Mutterkornvergiftung zu, denn in verschimmeltem Getreide bildete sich das LSD-ähnliche Mutterkornalkaloid Ergotamin.

Das Mutterkorn ist eine Pilzart, die Roggen befällt und im Mittelalter massenhaft zu gefürchteten und meist tödlichen Vergiftungen führte. Der Verzehr von mit Mutterkorn vergiftetem Brot führte zu Krämpfen, Zittern und Wahnvorstellungen. Diese Phänomene traten jedoch bei den Tanzwütigen in den meisten Fällen nicht auf und so wird inzwischen zumeist vermutet, dass es sich um sogenannte Besessenheitsepedemien als klassische Fälle von Psychogenen Massenkrankheiten handelte.

Die Tanzplagen wären somit Auswirkungen von religiöser Angst und Depression. In den Gebieten in welchen die Plagen damals zumeist auftraten, hatte es zuvor verheerende Hungersnöte, Ernteausfälle oder dramatische Fluten gegeben. Somit könnten dauernde Nervosität, Angst, Depressionen und Aberglaube die Menschen besonders anfällig für die geschilderten Trancezustände gemacht haben.

Juli 1518

Zu den bekanntesten Ausbrüchen der Tanzwut zählt der in der elsässischen Stadt Straßburg. An einem heißen Tag im Juli 1518, so die Erzählung, begann eine Frau deren Namen mit Madame Troffea überliefert ist, fieberhaft-tranceartig auf der Straße zu tanzen. Innerhalb einer Woche ergriff die Plage 34 Stadtbewohner. Die meisten der von der Tanzwut betroffenen waren Frauen. Zum Ende Juli sollen 400 Personen von der Epidemie betroffen gewesen sein. Wie bei den früheren Vorfällen tanzten die Menschen, bis zur körperlichen Erschöpfung. Täglich starben etwa 15 Personen. Als Todesursachen werden heute Herzinfarkt, Schlaganfall oder einfach Übermüdung vermutet.

Damals wandten sich einige besorgte Adelige mit den Vorfällen an die lokalen Mediziner. Sehr schnell schlossen diese astrologische oder andere übernatürliche Ursachen aus. Es handele sich um eine natürliche Krankheit, die durch eine Überhitzung des Gehirns durch heißes Blut hervorgerufen werde. Man könne die Krankheit am ehesten dadurch beenden, dass man die Tänzer und Tänzerinnen einfach weiter tanzen ließe und diese dann von alleine wieder normal würden. Zur Beschleunigung der Heilung hat man damals sogar Musiker wie Trommler und Pfeifer angeheuert, welche die Betroffenen dazu anregen sollten, sich weiter tanzend zu bewegen. Zudem wurden den Tanzenden zwei Hallen und ein Kornmarkt sowie eine Holzbühne zur Verfügung gestellt.

Nach 500 Jahren will eine Ausstellung im Musée de l'Oeuvre Notre-Dame in Straßburg das Thema der mittelalterlichen Tanzmanien und speziell den St. Veits Tanz wieder aufnehmen und zeigen wie sich damals die Stadtverwaltung, der Klerus und auch die Ärzteschaft versucht hatten, für Abhilfe zu sorgen.

Anmerkung: Es geht in dem Beitrag um die hauptsächlich im Mittelalter entlang des Rheins auftretende Choreomania und nicht um die heute ebenfalls als Veitstanz bezeichnete Nervenkrankheit, die auch als Chorea Huntington bekannt ist und erstmals im Jahre 1841 von C. O. Waters beschrieben wurde. Sie wurde 1872 nach dem amerikanischen Nervenarzt George Huntington (1850-1916) aus Ohio benannt, der erkannt hatte, dass es sich um eine Erbkrankheit handelt.die nicht heilbar ist und immer mit dem vorzeitigen Tod endet.

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