Ultrarechte Eskalationsstrategie

"Freedom March" der Rechten. Bild: Patriot Pryaer

Amerikas extremistische Rechte versucht, mit gewalttätigen Aufmärschen im Vorfeld der Senatswahlen zu punkten

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Wieder einmal erwischte es Portland, eine innerhalb der US-Rechten als besonders liberal verschriene Stadt an der amerikanischen Westküste. Hunderte Anhänger der rechtsextremen Gruppen Patriot Prayer und Proud Boys marschierten in der Stadt auf, um einen ihrer inzwischen üblichen, zunehmend gewalttätigen Provokationsmärsche durchzusetzen.

Die martialisch auftretenden Rechtsextremisten wurden von antifaschistischen Gegendemonstranten konfrontiert, die sich aus einer breiten Koalition antirassistischer, feministischer, liberaler, linker und sozialer Gruppen zusammensetzte. Im Vorfeld wurden gar Befürchtungen geäußert, Portland würde zu einem "weiteren Charlottesville" werden. Zur Erinnerung: In der ostamerikanischen Ostküstenstadt hat ein Rechtsterrorist bei einem ähnlichen Aufmarsch einen Wagen in antifaschistische Gegendemonstranten gefahren, dutzende Menschen verletzt und eine Antifaschistin getötet (Trumps rechter Anhang rastet aus).

Der letzte Aufmarsch der Rechtsextremisten in Portland am 30. Juni war ebenfalls von schweren Ausschreitungen überschattet. Diesmal marschierten die "Protofaschisten" (Huffington Post) mit Baseballschlägern, Schlagstöcken, Messern, Schilden und Körperpanzerung auf. Obwohl die Polizeiführung am Vortag ausdrücklich das Tragen solcher Waffen untersagt hat, wurden seitens der Sicherheitskräfte keine Anstrengungen unternommen, diese Waffen zu beschlagnahmen.

Kritik am Vorgehen der Polizei

Diesmal waren es aber nicht US-Nazis, sondern die für exzessiven Gewalteinsatz berüchtigten Polizeikräfte in Portland, die einem Gegendemonstranten beinahe töteten. Die Polizei habe sich entschlossen, die Rechtsextremisten zu schützen und die Gegendemonstranten anzugreifen, titelte etwa die Huffington Post. Hierzu wurden potenziell tödliche Schockgranaten und Gummigeschosse dutzendfach eingesetzt, die etliche Demonstranten direkt trafen. Mehrere Demonstrationsteilnehmer mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, ein Demonstrant mit einer schweren Kopfverletzung.

Laut der US-Menschenrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) benutze keine andere Polizeistelle in den USA derartige Waffensysteme "mit einer Regelmäßigkeit wie das Portland Police Bureau". Das Vorgehen der Polizeikräfte stieß auf heftige Kritik. Als die "gewalttätigen Protofaschisten" sich in Portalnd zusammenrotteten, sei die Polizei "auf die Antifaschisten losgegangen", klagte etwa die Huffington Post.

Die ACLU schrieb in einer offiziellen Erklärung, dass das Vorgehen der militarisierten Polizei in Portland "komplett inakzeptabel in einer freien Gesellschaft" sei. Der wiederholte Einsatz "exzessiver Gewalt", die Anwendung von "Munition, Waffen und Explosivstoffen" und die Angriffe gegen Menschen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen stellten einen Verstoß gegen die grundlegenden Freiheitsrechte der US-Bürger dar. Die Nachrichtenagentur AP berichtete, dass die Polizei scheinbar "vor allem gegen die vorging, die gegen die Präsenz rechtsextremer Demonstranten protestierten", indem sie "Schockgranaten und Gummigeschosse" einsetzte.

Strategie der Spannung

Die provozierten Ausschreitungen, die solche rechtsextremen Aufmärsche gerade in Städten und Regionen auslösen, die als besonders antifaschistisch gelten, sind Teil der Strategie der Spannung der extremen Rechten. Das Kalkül: Man will provozieren, Aufmerksamkeit erregen, Schlagzeilen machen, um sich als einen wichtigen politischen Faktor, als eine starke Bewegung zu etablieren, die attraktiv wird für weitere Rechtsextremisten. Zuletzt kam es beispielsweise in Berkeley zu Zusammenstößen zwischen Rechtsextremisten und Gegendemonstranten. Portland war schon drei Mal ziel rechtsextremer Aufmärsche. Demnächst ist Washington D.C. an der Reihe.

Der Mann, der hinter dieser Strategie steckt, kandidiert in den kommenden Kongresswahlen für die Republikaner - auch dies ist Trumps Amerika im Jahr 2018. Joey Gibson, eine rechtsextremer Waffennarr, der schon mal seiner Anhänger dazu aufruft, bewaffnet auf Demonstrationen zu erscheinen, kandidiert im westlichen US-Bundesstadt Washington. Immer wieder bediene sich Gibson "kontroverser Methoden", um eine rechte Agenda ausgerechnet in "Bastionen des Liberalismus" zu propagieren, so The Guardian. Hiernach erkläre er, dass er die heftigen Reaktionen auf seine Aufmärsche, die mit "den Straßenkämpfern der alt-right und Weißen Rassisten" koordiniert würden, nicht nachvollziehen könne.

Es müssen nicht immer Straßenschlachten sein, die diese rechtsextreme Troll-Strategie befördern: Der für die Republikaner kandidierende Rechtsextremist wurde beispielsweise auf dem Campus der University of Washington von Polizisten festgesetzt, nachdem er mit einigen Gesinnungsgenossen dort mit Pistolen und einen Maschinengewehr bewaffnet aufmarschierte. Mit seiner erfolgreichen Provokationsstrategie hofft Gibson darauf, sich im Rennen um den Einzug in den Kongress in Washington, D.C. durchsetzen zu können.

Joey Gibson mit Leibwächtern. Screenshot aus YouTube-Video

Die extreme Rechte unter Trump

Gibson würde dort inzwischen auf viele Gleichgesinnte treffen, wie Senator Bernie Sanders jüngst in einem Fernsehinterview ausführte. Denn in der Ära Trump sind bereits viele extrem rechte Politiker in wichtige Machtpositionen vorgedrungen: "Wir befinden uns in einem Moment amerikanischer Geschichte, wo Rechtsextremisten den Kongress, den Senat und das Weiße Haus kontrollieren." Nun bemühe sich Trump auch noch, einen rechten Extremisten ins Oberste Gericht zu hieven. Er habe "schwere Bedenken bezüglich der künftigen Rechtsprechung" in den USA, sollte dies dem US-Präsidenten gelingen, so Sanders.

Auch die amerikanischen Rechtsextremisten können immer wieder auf großzügige Spenden anonymer Gönner zählen, wobei westlich des Atlantiks oftmals Kryptowährungen zu Einsatz gelangen, wie Forbes ausführte. Die Nazi-Website "Daily Stormer" erhielt etwa kurz vor dem letztjährigen Aufmarsch in Charlottesville umgerechnet 60.000 US-Dollar, insgesamt seien in das faschistische Extremistennetzwerk mindestens 1,8 Millionen investiert worden. Kurz vor dem geplanten Aufmarsch in Washington seien ebenfalls Gelder geflossen, so Forbes.

Angesichts der soliden Finanzierung und mächtiger Freunde lassen Amerikas Rechtsextremisten die Masken endgültig fallen - und gehen zunehmend zur Anwendung tödlicher Gewalt über. Laut der Nichtregierungsorganisation Anti-Defamation League (ADL) gingen im vergangenen Jahr rund 59 Prozent aller extremistischen Tötungsdelikte in den Vereinigten Staaten auf das Konto der extremen Rechten. Damit habe sich die Zahl der von "Weißen Rassisten" begangenen Morde gegenüber 2016 "mehr als verdoppelt", warnte die ADL in ihrem alljährlichen Report.

Insgesamt fielen im vergangenem Jahr 34 Menschen extremistischen Tätern zum Opfer, wobei Rechtsextremisten 20 Menschen töteten. Etliche dieser Morde konnten der neurechten Alt-Right-Bewegung zugeordnet werden, berichtet ADL, die 2017 "ihre Operationen vom Internet in die reelle Welt verlegte". Das Chaos in Charlottesville, wo die Antifaschistin Heather Heyer umgebracht und dutzende Gegendemonstranten verletzt worden seien, markierte die Rückkehr der Nazistrategie der Straßenkonfrontationen. Diese neue Taktik deute darauf hin, dass es auch künftig "mehr solcher Gewaltakte" geben werde, warnte die ADL.

Überdies machte die ADL nochmals klar, wo das wahre terroristische Gefährdungspotential in den Vereinigten Staaten zu verorten sei: In der zurückliegenden Dekade habe die amerikanische Rechte rund 71 Prozent aller extremistischen Morde begangen, der militante Islamismus sei für 26 Prozent der Tötungen verantwortlich, der Linken wurden nur drei Prozent zugerechnet.

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