Saudi-Arabien: Die Arbeitslosigkeit der Jungen

Korantor, Ortseingang von Mekka Bild: Rowan5j, CC BY-SA 4.0

... und der alte Streit über Menschenrechte und Politik. Russlands Marija Sacharowa empfiehlt "konstruktiven Rat" statt "moralischer Überlegenheit"

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Als "starken Stoff" bezeichnet der Banker in der Financial Times, was Saudi-Arabien in Bewegung setzen kann, wenn es seinen "finanziellen und politischen Muskel" spielen lässt.

Es ist irgendein Banker, den die Zeitung zitiert, er hat keinen Namen. Auch der saudische Finanz-Muskeleinsatz wird nicht wirklich konkretisiert. Zwar kündigt der Artikel der Finanzfachzeitung gleich zum Auftakt Ernstes an, da das Königreich jetzt Vermögenswerte aus Kanada abziehen will und damit "eskaliert", aber der Leser bekommt an keiner Stelle eine Ahnung davon, wie hoch die Anlage-Summe und wie groß der kanadische Schmerz über den Verlust sein könnten.

Die saudische Zentralbank und der staatliche Pensionsfonds haben ihre Vermögensverwalter angewiesen, ihre kanadischen Papiere, Bonds und Liquiditätsbestände loszuwerden, "egal, was es kostet", sagten zwei Personen mit Kenntnis der Anweisung.

Financial Times

Zur Orientierung wird dem Leser mitgeteilt, dass externe Manager nach Schätzungen auftragsgemäß Geldmittel in Höhe von mehr als 100 Milliarden US-Dollar auf den globalen Märkten investieren. Das lässt erst einmal aufhorchen. Allerdings wird der Effet mit dem darauf folgenden Satz gleich wieder gelöscht: Der Anteil der Geldmittel, die in kanadische Beteiligungen gesteckt wird, sei "in absoluten Größen ziemlich klein", heißt es dort.

Starke Botschaften und nichts Konkretes

Aber nichtsdestoweniger der Verkauf der Vermögenswerte sei eine "starke Botschaft", so eine der beiden Personen "mit Kenntnis der Sache". Starke Botschaften sind anscheinend das Minimum im Streit zwischen Saudi-Arabien und Kanada, an ihnen fehlt es nicht, wie bereits berichtet wurde (Saudi-Arabien empört über Einmischung in innere Angelegenheiten), was aber genau auf dem Spiel steht, das bleibt vage.

Konkret wäre das zum Beispiel das Schicksal der Verhafteten. Dass die Regierung Trudeau mit ihrer Haltung für die Menschenrechte in der internationalen Öffentlichkeit Sympathiepunkte sammelt, ist ein Aspekt. Ein anderer Aspekt wäre, ob der Druck auf Saudi-Arabien über die richtigen politischen Kanäle läuft, um zu ermöglichen, dass Samar Badawi und Nassima al-Sadah möglichst bald wieder auf freien Fuß gesetzt werden.

Die Reputation ist ziemlich flüchtig und kann leicht angegriffen werden, wie der Polemiker Asad Abukhalil (Angry Arab) aufzeigt. Der wies darauf hin, dass Trudeau auf Französisch eingelenkt und dem Königreich sogar attestiert habe, dass es Fortschritte bei den Menschenrechten mache. Der Politik-Professor untermauerte seine Trump-Spitze gegen den doppelzüngigen Premier "This is Trudeau for you" im darauf folgenden Tweet mit dem Hinweis auf eine gerade ausgeführte Kreuzigung im saudi-arabischen Königreich.

"Man will keine schlechten Beziehungen mit Saudi-Arabien"

Tatsächlich ist in französisch-sprachigen Medien in Kanada (hier und hier) die Aussage Trudeaus lesen: "Man will keine schlechten Beziehungen mit Saudi-Arabien. Das ist ein Land, das trotzdem eine gewisse Wichtigkeit in der Welt hat und das, was die Menschenrechte anbelangt, Fortschritte macht."

Im Bericht steht das aber in einem anderen Zusammenhang als beim Angry Arab. Dort wird es als eine Nuancierung der vorangestellten Aussage Trudeaus bewertet, wonach Kanada daran festhalten werde, "entschlossen, klar und freundlich" zu handeln, wenn es um die Notwendigkeit geht, Menschenrechte zu respektieren.

Zwar hat Trudeau damit nicht direkt, aber indirekt doch deutlich auf die Aufforderung des saudischen Außenministers al-Jubeir reagiert, wonach Kanada seinen Fehler korrigieren muss. Das wird allerseits als saudische Aufforderung verstanden, dass sich die kanadische Regierung entschuldigen müsse. Das hat Trudeau nicht getan.

Saudi-Arabien hat am Mittwoch einen Mann aus Myanmar mit dem Tod bestraft und danach gekreuzigt. Das sei in dieser Form selten und werde nur bei außergewöhnliche Verbrechen so gehandhabt, berichtet Bloomberg. Für Katholiken ist dies nach dem jüngsten Katechismus-Update nicht mehr akzeptabel, aber für Länder, die mit Saudi-Arabien Öl-und Waffenhandel treiben, war das bislang kein und wohl auch künftig nicht so bald ein Grund, diese Beziehungen abzubrechen.

Auch beim Streit zwischen Kanada und Saudi-Arabien bleibt der Ölhandel davon unberührt, so richtig ernst ist er also nicht. Es geht um das jeweilige Image. Die Regierung Trudeau folgt parallel längst dem Gebot der Wiederannäherung, wie es Trudeau auf Französisch, weil beim Gespräch mit der Presse in Montreal(!), am Rande mitgeteilt hat. "Wir verhandeln direkt mit der saudi-arabischen Regierung, um die diplomatischen Differenzen zu regeln". Seine Außenministerin habe am Dienstag über Stunden mit ihrem saudi-arabischen Amtskollegen geredet.

Sacharowa: "Politisierung von Menschenrechtsangelegenheiten unakzeptabel"

Wie bereits erwähnt, es wäre politisch interessant, ob die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland in den konkreten Fällen der festgenommenen Frauenrechtlerinnen etwas erreicht hat. Und wie grundsätzlich eine politisch erfolgreiche Haltung vorgehen müsste, um das Skandalon - Saudi-Arabiens brutalen Härten gegen Kritiker und Oppositionelle - zu verbessern.

Geht es nach der Auffassung der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, die von Reuters zitiert wird, so ist die "Politisierung von Menschenrechtsangelegenheiten unakzeptabel". Besser sei in einer solchen Situation "konstruktiver Rat und Hilfe statt Kritik von einem 'moralisch Überlegenen'".

Für Menschenrechte sollten in Achtung vor "spezifischen nationalen Sitten und Traditionen" geworben werden, so Sacharowa. Dass bei solchen Aussagen auch russische Erfahrungen eine größere Rolle spielen, ist nicht ausgeschlossen und unwahrscheinlich ist es nicht, dass auch Russland an jenen guten Beziehungen zu Saudi-Arabien interessiert ist, von denen Trudeau spricht.