Merkel bedankt sich bei Sánchez für Schützenhilfe

Pedro Sánchez und Angela Merkel, 26.Juni 2018

(Bild: Ministry of the President. Government of Spain )

Spanien hat als erstes Land ein bilaterales Rückführungsabkommen unterzeichnet. Beim informellen Treffen am Wochenende in Andalusien wird die weitere Abschottung festgeklopft

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Am Wochenende wird Bundeskanzlerin Angela Merkel den neuen spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez im andalusischen Naturpark Doñana besuchen. Die Bundeskanzlerin hatte seine Einladung angenommen, nachdem die neue sozialdemokratische Regierung der Kanzlerin zum Wochenanfang aus der Bredouille geholfen hatte.

Eigentlich war Merkel enge Vertraute des konservativen Mariano Rajoy, der wegen der Korruptionsfälle in seiner Volkspartei (PP) Ende Mai über einen konstruktiven Misstrauensantrag aus dem Amt gejagt wurde.

Merkel bedankt sich für die Geste des neuen spanischen Regierungschefs. Denn als erstes Land hat Spanien eingewilligt, den "Masterplan" zur Migrationspolitik von Innenminister Horst Seehofer (CSU) zu unterstützen. Madrid und Berlin hatten plötzlich Anfang der Woche ein bilaterales Abkommen zur Rückführung von Asylbewerbern unterzeichnet, das am heutigen Samstag in Kraft tritt, wenn sich Merkel mit Sánchez trifft.

Am Montag hieß es auf der Bundespressekonferenz noch, es gebe keine Neuigkeiten. "Es gibt keinen neuen Stand", erklärte die Bundesregierung. "Sollte es dazu einen neuen Stand geben, würde ich ihn hier selbstverständlich mitteilen“, hieß es auf der Pressekonferenz.

Nach jüngsten Informationen könnten nun Flüchtlinge, die schon in Spanien Asyl beantragt hatten und in Deutschland aufgegriffen werden, innerhalb von 48 Stunden nach Spanien verfrachtet werden. Schaut man sich an, was das Bundesinnenministerium dazu berichtet, dann wird klar, warum sogar die Tagesschau von "Symbolpolitik" spricht.

Damit wird auch klar, warum Madrid nur von einer "Geste" spricht. Es wird nicht damit gerechnet, dass es zu mehr als 100 Rückführungen kommen wird. Denn das Innenministerium grenzt die Fallzahl stark ein: Nur wer "an der deutsch-österreichischen Landgrenze" aufgegriffen wird, kann dann "innerhalb von 48 Stunden unmittelbar nach Spanien zurücküberstellt werden". Wer reist schon über Österreich aus Spanien ein? Ausgenommen sind zudem "unbegleitete Minderjährige".

Ob es überhaupt Fälle geben wird, wird sich zeigen. Die Hoffnung in Berlin ist aber, dass dieses Abkommen als Türöffner für die Verhandlungen mit Italien und Griechenland wirkt, um solchen Abkommen etwas Gehalt zu geben. Man fragt sich, warum ausgerechnet der Sozialdemokrat nun Merkel beispringt?

Versucht er das spanische Image aufzubessern, das in der Katalonienfrage in Deutschland und der Nicht-Auslieferung von Carles Puigdemont schwer gelitten hat? Was ist der Preis - umsonst wird Sánchez der Konservativen nicht beispringen? Man ist gespannt.

Merkel scheint vom Symbolpolitiker und Stehaufmännchen Sánchez lernen zu wollen. Der hatte auch in der Flüchtlingspolitik links geblinkt und setzt nun auch in dieser Frage schon zum Schwenk an, den er mit Merkel vermutlich festklopfen wird. Als die Aquarius Mitte Juni von Spanien noch mit offenen Armen aufgenommen wurde, erhielten die 629 Flüchtlinge noch eine Sonderbehandlung.

Sie kamen in keine Lager, erhielten 45 Tage Zeit, um sich Gedanken über einen Asylantrag zu machen und ihre Situation zu regeln. Die Flüchtlinge der Open Arms bekommen keine Sonderbehandlung mehr und werden in eines der Auffanglager gebracht.

Die "Ungleichbehandlung" kritisiert Proactiva Open Arms. Die Organisation bedankte sich zwar, dass Spanien – wenn auch zähneknirschend – erneut ein Rettungsschiff aufgenommen hat. Doch der Sprecher der Organisation kritisierte, dass Madrid sich nicht an "internationale Richtlinien" halte. So wurde die Open Arms nicht "in den nächstgelegenen sicheren Hafen" geleitet, erklärte Riccardo Gatti.

Wurde die Aquarius ins nähere Barcelona geleitet, wurde die Open Arms nun ins entfernte Andalusien geschickt. Und dort macht nun die interne Gegnerin von Sánchez damit Stimmung gegen ihren Widersacher, gegen den sie in der parteiinternen Urwahl unterlegen war.

Susana Díaz forderte in einem Brief an die Zentralregierung zusätzliche Mittel und eine Umverteilung der Flüchtlinge innerhalb Spaniens. Die Regierung müsse "Druck" auf andere Regionen ausüben, heißt es in dem Schreiben. Es sei nicht möglich zu erklären, „dass es keine Ressourcen und keine Umverteilungsmöglichkeiten gäbe“.

Zur Kritik der rechten PP und den Ciudadanos, die von einer "Sogwirkung" durch die Aufnahme von Flüchtlingsschiffen sprechen, gesellt sich nun auch parteiinterne Kritik. Der neue PP-Chef Pablo Casado erklärte zum Beispiel: "Es kann keine Papiere für alle geben" und spricht davon, dass Spanien "keine Millionen" aus Afrika aufnehmen könne.

Dem widersprach der Chef der für die Grenzsicherung zuständige Guardia Civil. Félix Azón erklärte: "Es gibt zwar Menschen, die nach Spanien wollen, aber es sind keine Millionen, sondern einige Hundert."

Es wird also immer klarer, dass Spanien zu keinem "Gegenpol zu Europas Hardlinern" werden wird, wie einige vermutet oder erhofft hatten. Wie kürzlich an dieser Stelle berichtet (vgl.
Auch Spanien wird auf Abschottung setzen), gibt es sehr deutliche Zeichen, dass auch Sánchez nun verstärkt auf Abschottung setzen wird.