Mit Allah gegen den US-Dollar

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Kurzer Überblick über den geopolitischen und ökonomischen Hintergrund der aktuellen Krise in der Türkei

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Die Töne werden zunehmend schriller im Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und der Türkei. Nachdem US-Präsident Donald Trump mittels eines Tweets, in dem er die Verdopplung der US-Strafzölle gegen die Türkei ankündigte, die türkische Lira abstürzen ließ, sprach der türkische Staatschef Erdogan von einem "Wirtschaftskrieg", der von "außen" gegen sein Land geführt werde. Dollar, Euro und Gold seien die "Patronen, Kanonen und Raketen" dieses Krieges, so Erdogan.

Die USA hätten der Türkei "den Rücken zugekehrt", es gebe eine "Währungsverschwörung" gegen die Türkei, behauptete Erdogan, der abermals eine Anhängerschaft aufrief, Euro, Dollar und Gold gegen die schwindsüchtige türkische Lira einzutauschen, um den "nationalen Kampf" zu gewinnen. Dabei appellierte der türkische Präsident an den Nationalismus und die religiöse Identität seiner Gefolgschaft: "Vergesst nicht, wenn sie ihre Dollars haben, dann haben wir unser Volk, unseren Gott."

Neben der ins Hysterische abdriftenden Rhetorik des Präsidenten bemüht sich aber Ankara - bislang erfolglos - um eine Eindämmung der Währungsturbulenzen. Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak, der inzwischen den Posten des türkischen Finanzministers bekleidet, kündigte ein nicht näher spezifiziertes "Maßnahmenpaket" an, das die Unabhängigkeit der Notenbank sicherstellen, die zweistellige Inflation bekämpfen, und die überhitzte Konjunktur dämpfen solle.

Bislang haben diese Ankündigungen, die mit dem bisherigen Wirtschaftskurs von Staatschef Erdogan - der sich wiederholt als "Zinskritiker" outete - brechen würden, keine Erholung des Lirakurses zur Folge gehabt. Die türkische Währung ist massiv abgestürzt. Allein die Ankündigung Trumps, weitere Strafzölle zu erlassen, ließ die Lira um 20 Prozent einbrechen. Das türkische Währungsdesaser wird aus mittelfristiger Perspektive erst voll ersichtlich: Vor einem Jahr konnten die Bürger der Türkei einen US-Dollar für rund 3,5 Lira erwerben, nun sind es rund 6,5 Lira.

Inoffizielle Geiselnahmen

Den unmittelbaren Anlass dieser Eskalation zwischen den USA und der Türkei bildete die von Ankara praktizierte Politik inoffizieller Geiselnahmen ausländischer Bürger, um hierdurch politische Konzessionen zu erpressen. In Deutschland war es der Fall des monatelang unter fadenscheinigen Gründen inhaftierten Journalisten Deniz Yücel, der diese Praxis ins Bewusstsein der Öffentlichkeit brachte.

Washington soll wiederum durch die Inhaftierung US-Pastors Andrew Brunson dazu gebracht werden, den islamistischen Erzrivalen Erdogans, den Prediger Fethullah Gülen, endlich an Ankara auszuliefern. Pastor gegen Prediger - dieser Deal schwebte Erdogan offensichtlich vor. Brunson soll laut Ankara sowohl Gülen wie die PKK unterstützt haben.

Doch darauf schien sich Washington nicht einlassen zu wollen. Nach einem monatelangen diplomatischen Tauziehen, das immer höhere Eskalationsstufen erreichte, riss der Trump-Administration nach 22 Monaten offensichtlich der Geduldsfaden. Es folgten Anfang August erlassene US-Sanktionen gegen türkische Minister und die aktuell von Trump angekündigte Verschärfung des Handelskrieges gegen Ankara.

Innerhalb der islamistischen Basis Erdogans werden indes Forderungen nach einer weiteren Eskalation der türkischen Geiselpolitik laut. Eine Nichtregierungsorganisation (NGO) aus dem Umfeld der regierenden islamistischen AKP startete vor wenigen Tagen eine öffentliche Petition, in der die Festnahme von US-Soldaten und Offizieren in der Nato-Luftwaffenbasis Incirlik gefordert wird. Die AKP-nahe NGO wirft den US-Streitkräften in Incirlik die Beteiligung am Putsch gegen Erdogan vor.