Überirdische Geldvermehrung: Der Glaube an die Chefs

Occupy Wall Street, September 2011. Bild: David Shankbone / CC BY 3.0

USA: Die Kluft zwischen den Gehältern der CEOs und dem Durchschnittsverdienst ihrer Arbeiter spreizt sich weiter auf. Unbehelligt von jeder Kritik

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Der Trend zur Umverteilung von unten nach oben und die damit zusammenhängende atemberaubende Kluft zwischen Spitzeneinkommen in den Unternehmen und dem, was deren Durchschnittsarbeiterinnen und -arbeiter bekommen, ist in den USA ungebrochen. Unbeirrt von jeglicher Kritik. Protestgruppen à la Occupy spielen in der Öffentlichkeit nur mehr eine kaum wahrnehmbare Nebenrolle.

Im Jahr 2017 hat der Chef (CEO) eines der 350 größten Unternehmen der USA im Durchschnitt 18, 9 Millionen Dollar als Entschädigung bekommen, das entspricht einem Plus von 17,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Salär des typischen Arbeiters blieb auf niedrigem Niveau, mit einer Steigerung von etwa 0,3 Prozent.

Economic Policy Institute

Die Chefs der Top-Unternehmen verdienen im Schnitt das 312-fache dessen, was ihre einfachen Mitarbeiter an Entgelt für ihre Arbeit bekommen, wie der Think Tank Economic Policy Institute ermittelt hat. Der Think Tank wurde 1986 mit der Mission gegründet, über die Situation von Arbeiter und Angestellten im niedrigen und im mittleren Lohnbereich zu informieren.

1965 stand das Verhältnis noch bei 20:1. 1989 stand es bei 58:1. Den Spitzenwert gab es im Jahr 2000. Da lag die CEO-to-worker compensation ratio bei 344 zu 1. Danach ging es etwas abwärts, aber seit 2009 änderte sich das wieder.

Substantieller Unterschied auch zu den Top 0,1-Prozent

Hinzugefügt wird diesem Verlauf noch die Beobachtung, dass auch die Kluft zwischen den Vorstandsvorsitzenden großer Unternehmen und den dortigen Spitzenverdienern substantiell sei. Die CEOs sollen das 5,5-fache des Durchschnittsverdieners der Top 0,1-Prozent verdienen.

Man kann darin auch eine Art "Star-System" erkennen. Chefs werden, was ihr Entgelt betrifft, überbewertet. Man glaubt offenbar ähnlich, wie dies in den letzten Jahren in der Politik zu sehen ist, an "strong men", die Macher, die das Unternehmen erfolgreich machen - Frauen sind ja noch immer selten an der Unternehmensspitze. Bezahlt werden die üppigen Entgelte für die CEOs, deren Anwachsen über den Steigerungen des Aktienwertes liegen, mit Verzicht auf Lohnsteigerungen weiter unten. Das legen die Zahlen der EPI-Analyse nahe.

Dort wird darauf hingewiesen, dass es in der Regel nicht die Gehälter auf dem Papier, also das Einkommen, das die CEOs überwiesen bekommen, sind, die auffallend üppig sind (Jeff Bezos bekommt als Gehalt von Amazon 82.000 Dollar im Jahr). Den "Goldrausch" gibt es über Kompensationen über Aktienanteile oder die Möglichkeit, Aktienanteile zu Cash zu machen, so das Economic Policy Institute.

Die hohen Summen, welche die Chefs dadurch kassieren, wären aber nicht dem zu verdanken, dass der Markt zurückgebe, was sie mit ihrem Talent gesät haben, denn das würden die Zahlen nicht hergeben.

Das Entgelt für die Chefs wuchs bei weitem schneller als die Aktienwerte oder die Profite der Unternehmen. Zwischen 1978 und 2017 wuchs das Entgelt um 979 Prozent (wenn man die garantierten Aktienoptionen zugrundelegt) oder um 1.070 Prozent (wenn man realisierte Aktionenoptionen zugrundelegt). Das damit korrespondierende Wachstum von 637 Prozent im Aktienmarkt (S & P Index) war weitaus geringer.

Beide Messwerte des Entgeltes sind substantiell größer als das schmerzhaft langsame Wachstum des Entgelts für den typischen Arbeiter, das für die selbe Zeitspanne bei 11,2 Prozent liegt und ist mindestens dreifach so schnell wie die Steigerung der Gehälter unter den Top-0,1 Prozent der Höchstverdiener, das bei 308 Prozent liegt.

Economic Policy Institute

Laut Guardian kann der astronomische Spalt zwischen den Einnahmen der Arbeiter und ihrer Chefs nun sichtbar gemacht werden, weil es in den USA eine Verordnung gibt, die die Transparenz über das Verhältnis der Einnahmen vorschreibt. Im Artikel der britischen Zeitung finden sich dafür anschauliche Beispiele.

So verdiente der Chef von McDonalds, Steve Easterbrook, im Jahr 2017 angeblich 21, 7 Millionen Dollar, während der Medianlohn(!) der Arbeiter für den gleichen Zeitraum bei 7.017 Dollar lag. Das entspricht einem Verhältnis von 3.101 zu 1. Bei Walmart lag das Verhältnis bei 1.188 zu 1. Der Chef bekam etwa so viel wie Steve Easterbrook, nämlich 22,8 Millionen, der durchschnittliche Arbeitslohn lag bei 19.177 Dollar.

Erstaunlich niedrig ist die "Quote" bei Amazon. Auch die Gesamtentgelte, die dem Amazon-Chef nach den Angaben, die der Guardian wiedergibt, ausbezahlt werden, fallen mit 1,7 Millionen Dollar im Jahr vergleichsweise bescheiden aus. Somit ergibt sich bei einem Durchschnittsgehalt eines Arbeiters von 28.446 Dollar ein Verhältnis von 59 zu eins.

Bezos ist dennoch der reichste Mann der Welt; wahrscheinlich achtet er diesbezüglich besser als andere auf das äußere Erscheinungsbild seines Konzerns. Ähnlich wie bei den Championsleage-Stars schrauben sich die Zahlungen hoch:

Die Normvorgaben haben sich aufgelockert. Jeder will glauben, dass sein CEO einer der besten ist, also schauen sie sich um und beobachten, was so bezahlt wird, und dann legen sie noch einiges drauf. Sie glauben, dass ihr CEO besser ist als die anderen.

Lawrence Mishel, Economic Policy Institute