Migranten aus Libyen: Nun ist die italienische Küstenwache das Problem

Mehrzweckschiff "Diciotti" der italienischen Küstenwache. Foto: NAC/ CC BY-SA 4.0

Italiens Innenminister Salvini will weiterhin keine Boote mit Migranten in Italien anlanden lassen, auch nicht, wenn sie an Bord eines Schiffs der eigenen Küstenwache sind

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Dieses Mal ist es kein deutsches NGO-Schiff mit einer niederländischen oder gibraltarischen Flagge, das für politische Probleme sorgt, sondern ein Schiff der italienischen Küstenwache. Die "Diciotti" wartet mit 177 Migranten an Bord vor Lampedusa darauf, dass man ihr einen Anlandungshafen zuweist. Zwischen Italien und Malta gibt es Streit darüber, da sie sich gegenseitig die Verantwortung zuweisen.

Für die Rettungsschiffe mit den eingangs erwähnten Kriterien insistiert der italienische Innenminister und stellvertretende Regierungschef Matteo Salvini auf der populären Daueranklage-Story, wonach sie das Geschäft der Schlepper betreiben. Die von NGOs gecharterten Rettungsschiffe wurden von ihm als "Vizeschlepper" bezeichnet; Salvini machte die italienischen Häfen für die Schiffe zu, die aus Seenot gerettete Menschen an Bord hatten, die von Libyen nach Europa gelangen wollten.

Salvini: "Europa ist zuständig"

Was ist nun mit dem Schiff der italienischen Küstenwache "Diciotti"? Salvinis grundsätzliche Haltung hat sich nicht geändert: Europa ist zuständig. Entweder die EU beschließe ernsthaft, dass sie Italien konkret helfe oder man werde gezwungen sein, "das zu tun, was die Geschäfte der Schiffer definitiv zerschlagen wird. Das heißt, die auf See geborgenen Menschen zurück in einen libyschen Hafen zu bringen", wird der Innenminister von der italienischen Corriere della Sierra zitiert.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2012 wäre der Rücktransport der aufgenommen Migranten nach Libyen strafbar. In einem Fall von 2009, der der aktuellen Situation in wesentlichen Punkten sehr nahekommt, wurden den Klägern, elf Personen aus Somalia und 13 aus Eritrea, jeweils 15.000 Euro zugesprochen, weil sie Schiffe der italienischen Küstenwache und des Zolls 35 Seemeilen vor Lampedusa aufgegriffen und nach Tripolis zurückgebracht haben.

Die Kläger gaben an, dass man ihre Pässe weggenommen habe und sie gegen ihre Weigerung in Tripolis den libyschen Behörden übergegeben habe. Laut Auffassung der Richter des EGMR (auch: ECHR oder ECtHR) war Italien zuständig. Die damalige Strafe von insgesamt 360.000 Euro war kein Problem für Italien. Und die zugrundeliegende Rechtsprechung?

Italiens Regierung machte zunächst Malta verantwortlich. Es sollte einen Hafen stellen, wo die Migranten von Bord gehen. Diese seien in einer Such- und Rettungszone aufgegriffen worden, für die Malta zuständig ist. Die jetzige Position der Diciotti vor Lampedusa ist aus dieser Sicht nachrangig.

Inzwischen hat Italiens Außenministerium den Problemfall allerdings formell an die EU-Kommission weitergeleitet. Maltas Innenminister Michael Farrugia hält daran fest, dass Italien zuständig ist.

Malta: "Italienische Abfangaktion"

Für Migranten an Bord der Diciotti sei "die einzige Lösung, sie auf Lampedusa oder in einem italienischen Hafen anzulanden. Wenn Italien diesen Fall immer noch als Rettung behandeln will, bleibt Lampedusa der nächstgelegene Ort der Sicherheit gemäß den geltenden Konventionen".

Herauszuhören ist der Vorwurf, der hier sachte angedeutet wird: "Wenn Italien den Fall immer noch als Rettung behandeln will …". Tatsächlich ist die maltesische Regierung nämlich der Auffassung, dass das Schiff der italienischen Küstenwache keine Rettungsaktion durchführte, sondern eine "Abfangaktion".

Der Diciotti wird aus dieser Perspektive der Vorwurf gemacht, dass sie die Migranten an Bord genommen habe, um zu verhindern, dass sie in Gewässer kommen, für welche die italienische Küstenwache verantwortlich ist, was dazu hätte führen können, dass sie dort in Seenot geraten und in den nächsten sicheren Hafen nach Italien gebracht werden müssen.

Aber, so Maltas Innenminister Farrugia: "Ein Abfangen auf einem Schiff, das von seinem Recht auf freie Fahrt auf hoher See Gebrauch macht, gilt nicht als Rettung." Die Verantwortung liege bei Italien, das daher auch für die Anlandung zuständig sei.

"Das Boot war nicht in Schwierigkeiten" - "Doch war es"

In der Darstellung des maltesischen Regierungschefs Joseph Muscat befand sich das Boot mit den Migranten zuvor in internationalen Gewässern, für die die maltesische Küstenwache jedoch eine Sorgfaltspflicht habe, d.h. es handelt sich um die von Such- und Rettungs (SAR)-Tone Maltas.

Das Boot der Migranten sei auch von einem maltesischen Patrouillenboot in Augenschein genommen worden, Kontakt wurde hergestellt. Das Boot sei nicht in Nöten gewesen, so Muscat. Die Migranten hätten Hilfe verweigert.

Da sie in internationalen Gewässer waren, hatten sie das recht auf freie Passage und wir konnten ihnen nicht sagen, wohin sie fahren und was sie machen sollen.

Joseph Muscat

Das Boot sei Richtung Lampedusa gefahren, dann seien die Migranten von der Diciotti aufgenommen worden. Wenn es sich um eine Rettung handeln solle, dann sei Lampedusa näher gewesen.

Wie die Times of Malta berichtet, geschah dies am Mittwoch vergangener Woche. Italiens Innenminister Salvini wird am Abend dieses Tages mit der Aussage zitiert, dass Malta die Migranten hätte aufnehmen sollen, da deren Boot durch Maltas Rettungszone gefahren sei - und in Schwierigkeiten war, die die maltesischen Behörden ignoriert hätten.