Zu Besuch beim LIGO: Observatorien für Gravitationswellen

Abb. 2: Nahaufnahme der Betonabdeckung der metallischen Vakuumröhren von LIGO, in denen ein Lasersignal hin und zurück reflektiert wird. Bild: Raúl Rojas

Mit der Messung von Gravitationswellen im Jahr 2015 ist eine neue Art der Astronomie entstanden, die es uns vielleicht erlauben wird, hinter den Schleier der kosmischen Hintergrundstrahlung zu blicken

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Einige der größten astronomischen Observatorien der Welt fangen heute nicht Licht bzw. Radiosignale aus dem All ein, sondern Gravitationswellen. Zwei davon sind die LIGO-Zwillinge (Laser-Interferometer Gravitational-Wave Observatory), die jeweils in den US-Bundesstaaten Washington und Louisiana installiert wurden. Beide Instrumente arbeiten als Team. Jedes Observatorium benutzt zwei 4 km lange orthogonale Rohre - die Observatorien sind aber 3000 km voneinander getrennt.

Mittlerweile nahm in Italien das Observatorium Advanced Virgo im August 2017 den Betrieb auf. Damit kann man die Messungen an drei unterschiedlichen Orten der Welt vornehmen und abgleichen, um das Rauschen von den Signalen besser trennen zu können. Abb. 1 und Abb. 2 zeigen das Observatorium in Washington State, das ich vor kurzem besucht habe. Dort wurde 2015 eine Gravitationswelle detektiert, die durch die Kollision von zwei Schwarzen Löchern vor 1,3 Milliarden Jahren erzeugt wurde.

Abb.1: Luftaufnahme des LIGO-Observatoriums in Hanford, Washington State. Man sieht die beiden 4 km langen orthogonalen Rohre, die ein L bilden. Am Eckpunkt befindet sich das Kontrollzentrum und das Interferometer. Bild: Caltech/MIT/LIGO Lab

Elektromagnetische Wellen sind jedem gut bekannt: damit werden Daten per Funk übertragen. Damit setzen uns Mobiltelefone heute in Verbindung mit der ganzen Welt. Elektromagnetische Wellen werden durch die Beschleunigung von Ladungen erzeugt. Da die Gravitations- und die elektrostatische Kraft beide mit dem Quadrat des Abstands abnehmen, wäre es denkbar, dass es auch Gravitationswellen gibt und diese durch beschleunigte Massen erzeugt werden könnten.

Allerdings verhalten sich Gravitationswellen unterschiedlich zu anderen uns bekannteren Wellen. Ein Ton ist einfach eine lineare Druckwelle, die durch die Luft propagiert wird. Ein "Detektor" für eine solche Druckwelle kann eine Membran sein, die in der Richtung der Welle hin und her schwingt. Elektromagnetische Wellen dagegen sind Transversalwellen. Das elektrische und das magnetische Feld schwingen quer zur Ausbreitungsrichtung. Eine Antenne stellt man deswegen auch senkrecht zur Wellenrichtung, so dass die Elektronen in der Antenne beschleunigt werden und das Signal-Rauschen-Verhältnis verbessert wird.

Gravitationswellen breiten sich von der Quelle aus, aber sie verändern die Geometrie des Raumes quer zur Ausbreitungsrichtung, als eine Art "Gezeitenkraft". Das bedeutet, dass der Raum in eine Richtung kontrahiert und gleichzeitig in die Orthogonalrichtung expandiert. Abb. 3 zeigt die Abfolge der Expansion-Kontraktion-Vorgänge für eine Art von Gravitationswelle. Allerdings übertreibt die Abbildung (zum besseren Verständnis) die denkbare Verformung eines Rings von Testpartikeln im Weltall, da die Gravitationskraft eigentlich die schwächste der bekannten Naturkräfte ist. Beim LIGO-Detektor betrug die im Jahr 2015 gemessene Kontraktion eines 4 km langes Armes etwa ein Tausendstel des Durchmessers eines Protons! Die Kontraktion ist sogar kleiner als das thermische Rauschen der Atome im Spiegel des Detektors. Deswegen ist der LIGO-Detektor nicht nur eine neue Art von "Teleskop", sondern vor allem eine technische Ingenieursleistung, die ihresgleichen sucht.

Abb. 3: Eine Gravitationswelle expandiert und kontrahiert abwechselnd in orthogonale Richtungen. Ein Ring aus Testpartikeln im Weltall würde sich wie in der Abbildung gezeigt rhythmisch verformen. Da die Gravitationskraft sehr schwach ist, wäre die Verformung allerdings mit wachsendem Abstand zur Quelle minimal und kaum messbar. Bild: Raúl Rojas

Ausbreitung der Gravitationswellen

In der Gravitationstheorie von Newton wird die Auswirkung der Gravitation auf eine Masse als unendlich schnell vorausgesetzt. Newton selbst war unsicher über die Art und Weise wie eine solche Fernwirkung Körper anziehen könnte. Er war zwar in der Lage, die Gravitationskraft mathematisch zu beschreiben, aber über die Ausbreitung der Kraft bzw. das Medium dafür schrieb er einfach "hypotheses non fingo" (ich spekuliere nicht).

Im Jahr 1805 war Pierre-Simon Laplace wahrscheinlich der Erste, der sich mit der endlichen Geschwindigkeit der Ausbreitung der Gravitation auseinandersetzte. 1 Er konnte zeigen, dass es langfristige Folgen auf die Planetenbahnen um die Sonne haben würde, falls die Gravitation nicht augenblicklich wirken würde. Erst als die Elektrodynamik durch die Gleichungen von James Clerk Maxwell ihre fast definitive Form erreichte, konnten die Physiker die endliche Geschwindigkeit des Lichtes aus Fundamentalprinzipien ableiten. In Analogie zum Elektromagnetismus wurde daraufhin eine begrenzte Schnelligkeit der Gravitationsausbreitung postuliert und es wurde vermutet, diese wäre gleich der Geschwindigkeit des Lichtes.

Dass eine endliche Geschwindigkeit bei der Ausbreitung einer Kraft eine Wirkungswelle erzeugen kann, ist naheliegend. Bewegt sich ein Stern hin und her in Bezug zu uns (indem dieser Stern einen anderen Stern umkreist), so ändert sich seine Anziehung periodisch auf eine Probemasse im Weltall. Die Gravitationskraft ist aber so schwach, dass die Anziehung von fernen Sternen eigentlich nicht messbar ist. Dazu kommt, dass alle Teile eines kleinen Geräts gleichzeitig und mit derselben Beschleunigung zum Stern "fallen" würden, so dass letztendlich nichts gemessen werden kann. Es stellt sich heraus, dass in der Gravitationstheorie von Einstein-Gravitationswellen eher Verformungen von Raum und Zeit sind und sie die Länge von Objekten, wie oben erklärt, periodisch und abwechselnd in Orthogonalrichtungen verfomen.

Um eine Gravitationswelle zu detektieren, bräuchte man, wie in Abb.3 dargestellt, einen Ring aus Probemassen, wobei die Ablenkungen trotzdem minimal wären. Für das Weltallobservatorium LISA (Laser Interferometer Space Antenna) möchte die Europäische Weltraumagentur in naher Zukunft drei Satelliten ins All schießen, die die Ecken eines gleichschenkligen Dreiecks bilden würden. Jede Kante des Dreiecks wäre mehrere Millionen Kilometer groß. Die Verformung der Längen kann dann durch Laser-Interferometrie detektiert werden, sollte eine Gravitationswelle die Dreieckform verändern.

Die für die Erläuterung von Gravitationswellen notwendige Mathematik wurde von Albert Einstein erst 1915 vorgelegt. Im Rahmen der Newtonschen Mechanik lassen sich Gravitationswellen, wie oben angemerkt, zwar intuitiv postulieren (wenn eine endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Gravitation vorausgesetzt wird), aber nicht wirklich begründen. Selbst innerhalb der Gemeinde der theoretischen Physiker dauerte es Jahrzehnte bis alle Zweifel ausgeräumt waren. Mit Computersimulationen wurde die erwartete Verformung des Raumes berechnet, die den Fortschritt einer Gravitationswelle beschreibt. Probemassen befinden sich, zur besseren Visualisierung, an den Ecken des zylindrischen Gitters.

Laserinterferometer

Im LIGO-Detektor wird ein Laser-Interferometer verwendet, eine experimentelle Anordnung, die bereits Michelson und Morley Anfang des 20. Jahrhunderts verwendet haben, um die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nachzuweisen. Die Grundidee ist, kohärente Lichtwellen in zwei unterschiedliche Richtungen fliegen zu lassen, sie mit Spiegeln zu reflektieren, um sie dann in destruktive Interferenz zu bringen und jede Abweichung davon zu messen. Abb. 4 zeigt ein Diagramm eines solchen Interferometers.

Abb. 4: Aufbau eines Laserinterferometers, wie im LIGO. Bild: LIGO

Ein Laser erzeugt eine Lichtwelle mit sehr präzisen Wellenlängen. Diese Welle wird durch einen "beam splitter" in zwei orthogonale Richtungen reflektiert. Die Lichtstrahlen gehen durch eine kleine Öffnung in einer Testmasse, die an Seilen hängt. Die Lichtstrahlen werden am Ende der langen orthogonalen Vakuumröhren durch spiegelnde Testmassen reflektiert. Die Spiegelung wiederholt sich mehrmals. Der Abstand der reflektierenden Spiegel in beiden Armen wird so justiert, dass beide Strahlen in destruktiver Interferenz ankommen, wenn die eingefangenen Lichtstrahlen durch die Öffnung in der Testmasse zurück zum Splitter und von dort zu einem Photodetektor abgelenkt werden, d.h. die beiden Wellen addieren sich zu Null und man beobachtet kaum Photonen im Photodetektor.

Sollte aber eine Gravitationswelle ankommen, würde der Abstand zwischen den reflektierenden Spiegeln in einem Arm größer und im orthogonalen Arm kleiner werden. Die Lichtstrahlen geraten "aus dem Takt" und die Interferenz am Photodetektor kann sich von destruktiver in konstruktive Interferenz verwandeln. Am Photodetektor wird eine Abfolge von dunklen und hellen Bereichen detektiert, deren Form die Frequenz der Gravitationswelle widerspiegelt.

So einen Interferometer könnte man im Labor nachbauen. Das Gerät von Michelson und Morley passte auf einen Tisch. Gravitationswellen sind jedoch so schwach, dass die Verformungen in dem 4 Kilometer langen Armen von LIGO weit unter dem Durchmesser eines Protons bleiben. Ein Fahrzeug auf der Straße kann Schockwellen von größerer Amplitude in der Apparatur erzeugen als die Gravitationswellen. Wie kann man in der Apparatur Spreu von Weizen trennen?

Der erste Schritt für eine erfolgreiche Signalmessung besteht darin, alle Instrumente mit Hilfe von "shock absorbers" auf dem Boden zu montieren. Damit werden bereits die größten seismischen Effekte gefiltert. Im zweiten Schritt montiert man alle Spiegel und Splitter an speziellen Seilen aus Glasfaser, womit sich alle "aktiven" Teile des Geräts wie Pendel verhalten und gleichzeitig und mit derselben Frequenz oszillieren. Die Oszillationen werden durch ein System von mehrfachen Aufhängungen auf ein Minimum reduziert, wie in Abb. 5 gezeigt.

Abb. 5: Die mehrfache Aufhängung der Probemassen und Spiegel in Advanced LIGO. Bild: University of Glasgow / Cumming et al (2012)

Die letzte Absicherung der Messung wird dadurch erreicht, dass an zwei weit entfernten Punkten der Erde gemessen wird. Eine Gravitationswelle aus dem All deckt die ganze Erde ab. Falls man dasselbe Signal in zwei unabhängigen Observatorien detektiert, kann man ausschließen, dass es sich um ein seismisches Ereignis handelt. Deswegen gibt es LIGO in den USA auch doppelt, und mit Advanced Virgo hat man nun eine dritte Überprüfungsmöglichkeit.

Einsteins Unentschlossenheit

Es klingt zunächst einmal abenteuerlich, wenn man hört, dass Physiker ein Instrument bauen, um eine Längenkontraktion zu messen, die kleiner als ein Tausendstel des Durchmessers eines Protons ist. Als Einstein im Jahr 1918 die Möglichkeit von Gravitationswellen feststellte, dachte er, dass so kleine Effekte nie nachgewiesen werden könnten. In den Folgejahren schwankte er immer wieder zwischen theoretischer Akzeptanz und Ablehnung der Gravitationswellen.

Bereits im 19. Jahrhundert hatten einige Physiker in Analogie zu den elektromagnetischen Wellen über die Mathematik der Gravitationswellen nachgedacht. Wenn man annimmt, dass Gravitation ein Potentialfeld erzeugt und dass endliche Signalausbreitung stattfindet, dann erzeugt die Verzögerung eine Welle im Potentialfeld. Das war die Vermutung von James Clerk Maxwell, Begründer der Theorie des elektromagnetischen Feldes. Der Engländer Oliver Heaviside setzte für das Gravitationsfeld ähnliche Gleichungen ein wie die von Maxwell und veröffentlichte 1893 die allererste Arbeit über Gravitationswellen. Andere Physiker folgten, wie Jonathan Zenneck und Paul Gerber. Das Gemeinsame war, dass die endliche Ausbreitung der Gravitation zu Wellen führen sollte.

Im Jahr 1913 fasste Einstein den Stand der Forschung bei einem Vortrag in Wien zusammen. Zu der Zeit gab es bereits konkurrierende Ansätze für die Beschreibung von Gravitationswellen, unter ihnen einige, die eine variable Lichtgeschwindigkeit im Vakuum postulierten. Kurz nachdem seine Gravitationstheorie 1915 fertig wurde, schrieb aber Einstein an Karl Schwarzschild: "Es gibt keine Gravitationswelle analog zu den Lichtwellen." Nichtsdestotrotz veröffentlichte Einstein in den folgenden Monaten zwei Arbeiten über Gravitationswellen. Die zweite Arbeit von 1918 korrigierte die erste und führte eine Vereinfachung der Gravitationsgleichungen ein (eine "Linearisierung"), womit es doch möglich war, Gravitationswellen vorherzusagen.

Abb. 6: Der Autor beim Besuch des LIGO-Observatoriums in Hanford, Washington, bei leichtem Windsturm. Bei starkem Wind stoppt das Observatorium, da die Arme des Interferometers millimetrisch hin und her wackeln, trotz Betonabschirmung. Bild: Raúl Rojas

Im Jahr 1936 korrigierte sich Einstein erneut. Er versuchte mit Hilfe von Nathan Rosen (der vom Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon) die Gleichungen präziser zu lösen, bis zu den Effekten zweiter Ordnung, und deklarierte diesmal, dass Gravitationswellen doch nicht existieren könnten. Auf das Ergebnis kamen Einstein und Rosen jedoch durch die Benutzung des falschen Koordinatensystems, einer Tatsache, die dem Reviewer der Arbeit für eine physikalische Zeitschrift nicht unerkannt blieb. Trotz der Korrektur blieb Einstein über die Möglichkeit von Gravitationswellen, bis zu seinem Tod 1955, skeptisch.

Dies war allerdings der falsche Zeitpunkt zum Sterben. Nur wenige Jahre danach ist es nämlich gelungen, durch die kombinierte Arbeit von mehreren Physikern eine exakte Lösung der Einstein-Gleichungen zu erhalten, die diesmal die Existenz der Gravitationswellen einwandfrei belegten. Nur einige Jahre danach fingen die Experimentatoren an, die ersten Apparaturen für den Nachweis von elektromagnetischen Wellen zu entwerfen. Im Jahr 1980 wurden die ersten einigermaßen großen Interferometer von Caltech und MIT entworfen (nur wenige Meter lang), aber es wurde bereits an dem Entwurf von kilometerlangen Interferometern gearbeitet. Der Rest ist Geschichte: Es dauerte noch 35 Jahre, bis Advanced LIGO fertiggestellt war und die ersten Gravitationswellen eingefangen wurden.

Die Signalverarbeitung

Auch wenn man so ein teures Instrument wie Advanced LIGO hat, ist das nicht das Ende der Geschichte. Man muss noch in den Interferometrie-Daten die Muster finden, die auf eine Gravitationswelle hindeuten. Aber in vielen Fällen hebt sich das Signal nicht deutlich genug vom Rauschen aus der Umgebung ab.

Es wird deswegen mit Korrelationsanalyse gearbeitet. Es gibt eine Reihe von Software-Filtern, die das bekannte Rauschen entfernen. Es gibt z.B. das Rauschen aus Stromquellen (115 Hz), von den Straßen und andere bekannte Störungen. Tut man sein Bestes bei der anschließenden Signalverarbeitung, kann man die Korrelation des Signals mit erwarteten Schablonen der möglichen Ereignisse berechnen (wie z.B. eine Schablone für die Kollision von Schwarzen Löchern). Es wird auch Fourieranalyse verwendet, um die Berechnungen zu beschleunigen, bzw. werden Methoden aus dem Bereich Data Analytics eingesetzt.

Außerdem hat man die zwei Detektoren in Hanford und in Louisiana. Wenn ein Signal durch den Korrelationsfilter in einem Detektor durchgeht, sollte in dem anderen dasselbe geschehen. Durch den Vergleich der beiden Detektoren kann man Falschmeldungen vermeiden. Um sicher zu gehen, dass die Signalverarbeitung immer aktiv ist und gut funktioniert, werden regelmäßig falsche Signale in die Messungen injiziert, um so zu testen, dass die Verarbeitungskette in Ordnung ist (und dass die Operateure nicht schlafen). Falls das falsche Signal von den Wissenschaftlern an die Leitung gemeldet wird, wird dann Entwarnung gegeben.

Abb. 7: Die zwei registrierten Signale in LIGO-Hanford und LIGO-Livingston (oben). Die theoretische Vorhersage für die Kollision von schwarzen Löchern (unten). Durch Korrelationsberechnung der Signale in Hanford und in Livingston kann Rauschen beseitigt werden. Bild: Abbott et al. / CC-BY-SA-3.0

Zukünftige Observatorien

Falls jemandem das doppelte LIGO-Observatorium bereits zu groß vorkommt, so sei ihm gesagt, dass die Observatorien noch viel größer werden (viel, viel größer!). Es wird bereits an dem Entwurf von Observatorien der "dritten Generation" gearbeitet, wie z.B. dem europäischen Einstein-Observatorium. Das Problem von Detektoren wie LIGO und Virgo ist, dass die Detektionsmethode enge Grenzen für die minimal detektierbare Frequenz der Gravitationswellen setzt. Nur hochfrequente Wellen können beobachtet werden. Die Kollision von mittelgroßen Schwarzen Löcher kann detektiert werden, aber keine anderen interessanten Phänomene, die mehrere Sekunden oder Tage für den Durchgang einer einzigen Wellenlänge brauchen.

Das Einstein-Observatorium wird das seismische Rauschen der Erdoberfläche unterdrücken, da es im Untergrund gebaut wird. Es wird in Form eines Dreiecks gebaut, womit man die Interferometrie auf mehreren alternativen Strecken fahren kann. Außerdem sollen die Seiten des Dreiecks bis zu 10 km lang werden. Am Entwurf wird noch gearbeitet und der Antrag für den Bau wird 2020 bei der Europäischen Union eingereicht.

Es geht aber auch eine Nummer größer, und das ist das bereits erwähnte Projekt LISA, das auf Raumsonden im All basiert. Das Laser Interferometer Space Antenna wird ebenfalls als Dreieck mit Raumsonden konfiguriert, die jeweils einen Abstand von 2,5 Millionen Kilometer untereinander halten (das entspricht 6,5-mal dem Abstand zwischen Mond und Erde). Die größte Schwierigkeit dabei ist, die Distanz der Sonden untereinander hochpräzise konstant zu halten. Es gibt immer Störungen wegen der Anziehung von Planeten und vorbeiziehenden Himmelskörpern, die durch Aktuatoren innerhalb der Raumsonden ausgeglichen werden müssen. Erste Messungen mit einer Probesonde fanden bereits statt, so dass die drei notwendigen Komponenten vielleicht um 2030 ins All gebracht werden könnten.

Abb. 8: Konzept für das unterirdische Einstein-Observatorium mit drei Interferometrie-Strecken. Bild: ASPERA / CERN

Wie wäre es aber mit einem Observatorium der Größe einer Galaxie? Klingt vermessen, aber das ist genau, was man mit dem "European Pulsar Timing Array" (EPTA) erreichen möchte. Pulsare sind Himmelsobjekte (vielleicht Neutronensterne), die regelmäßige Radiosignale zu uns abstrahlen. Es handelt sich um ultraschnell rotierende Sterne, die in nur Millisekunden eine Drehung absolvieren. Deren Radiosignale kommen regelmäßig an und bilden die genauesten Uhren, die man bis heute kennt.

Kann man viele von diesen Pulsaren in einer Galaxie kalibrieren und verfolgt man deren "Zeitgebung", ist es, als ob man viele Lichtquellen im All hätte, deren nächster Puls sehr genau bestimmbar ist. Geht nun eine Gravitationswelle durch die Galaxie durch, ändert sich der Abstand der Pulsare zur Erde und diese kleinen Abweichungen wären detektierbar, da die Pulsarsignale aus dem Takt geraten. Die Gravitationswellen könnte man durch einen Art Uhrenabgleich nachweisen. Ein ähnliches Konzept hat man für die Detektion Dunkler Materie vorgeschlagen, die auf den Vergleich der atomischen Uhren der GPS-Satelliten, die um die Erde kreisen, basiert. Dunkle Materie, die das Solarsystem durchkreuzt, würde auf die Atomuhren wirken. Für den Nachweis von Gravitationswellen sind aber die GPS-Uhren nicht präzise genug bzw. nicht weit genug auseinander.

An dem Konzept für EPTA wird bereits seit Jahren gearbeitet und die ersten langjährigen Messungen wurden vor kurzem zur Analyse vorgelegt. An der Genauigkeit der Datenaufnahme muss noch gearbeitet werden, mehrere Radioobservatorien in Europa sind damit bechäftigt.

Abb. 9 zeigt die durch verschiedene Detektoren detektierbaren Frequenzen und "strains", d.h. die erwartete Längenverkürzung der Messstrecke als negative Zehnerpotenz. Advanced LIGO kann Streckenstauchungen im Bereich der Durchmesser eines Protons detektieren. EPTA braucht nicht genauso schnell zu sein, aber doch über mehrere Tage und Wochen, etwas was Advanced LIGO nicht erreichen kann.

Als ich LIGO-Hanford besucht habe, war die Anlage ausgeschaltet, da ein starker Wind die Gebäude schwingen ließ. Eine Woche vorher war ein Autofahrer mit seinem Auto nachts mit der Betonabschirmung von einem Arm des Detektors kollidiert (auch deswegen baut man das Einstein-Observatorium lieber unterirdisch). Ein Detektor wie EPTA dagegen wäre in der Lage, die Auswirkungen einer Gravitationswelle über 115 Tage zu verfolgen (Hundertmillionen von Sekunden). LISA könnte Gravitationswellen beobachten, die 100 Sekunden für den Durchgang von einer Periode brauchen. Im niederfrequenten Bereich vermutet man die Präsenz der Wellen aus dem Urknall.

Abb. 9: Wirkungsbereich (Frequenz der detektierbaren Gravitationswellen) von Detektoren der ersten, zweiten und dritten Generation. Bild: Christopher Moore, Robert Cole and Christopher Berry, Gravitational Wave Group at the Institute of Astronomy, University of Cambridge

Mit den neuen Observatorien für Gravitationswellen hat man die letzte wichtige Lücke im astronomischen Instrumentarium geschlossen. Die nächste Herausforderung ist, die Gravitationswellen aus dem Big Bang messen zu können, um den Augenblick der Entstehung des Universums endlich mal mit den Signalen aus der fernen Vergangenheit beobachten zu können.