Trump hat den Einsatz von Cyberwaffen vereinfacht

Bild: US Army

Der US-Präsident hob eine Obama-Direktive auf, nach der die Antwort auf einen Cyberangriff sorgfältig überdacht und koordiniert werden musste, um unabsehbare Folgen zu vermeiden

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US-Präsident Donald Trump folgt der aggressiven außenpolitischen Strategie, Stärke und Entschlossenheit bis hin zur militärischen Auseinandersetzung oder zum Handelskrieg zu demonstrieren. Er scheint überzeugt zu sein, dass die USA wirtschaftlich und militärisch den längeren Arm haben. Eine Eskalation führt für ihn nicht zu unabsehbare Folgen, sondern letztlich zu einer Verständigung mit den Schwächeren, sobald sie die amerikanische Überlegenheit einsehen, und zu einem vorteilhaften Deal für Washington. Daher muss mit allem geklotzt werden, egal ob es um Handelszölle oder um den Ausbau der militärischen Stärke geht. Und hier gibt es für Trump offenbar auch keine Kompromisse mit dem Kreml, wie gerne unterstellt wird, die amerikanische Vorherrschaft muss wirtschaftlich und militärisch gesichert werden und gesichert sein - gegenüber allen, gegenüber Verbündeten und Gegnern.

Die Strategie, sollte sie denn eine sein, beinhaltet jedenfalls, dass nicht nur die militärische Macht aufgerüstet wird, in dem der Militärhaushalt erhöht, auf die Entwicklung von neuen Atomwaffen gesetzt oder ein Weltraumkommando aufgebaut wird, sondern dass auch Einschränkungen im Gebrauch der militärischen Gewalt gelockert werden. So hat Trump viele Einschränkungen, die unter Obama eingeführt wurden, wieder aufgehoben. So wurde den Militärs vor Ort größerer Entscheidungsspielraum gegeben, gezielte Tötungen mit Drohnen auszuführen oder überhaupt mit brachialer Gewalt vorzugehen. So soll dadurch die Zahl der Opfer unter den Zivilisten zugenommen haben, allerdings hatte die Obama-Regierung nur einen scheinbare zivilere Decke über die militärische Praxis gezogen, aber Drohnenangriffe, verdeckte Einsätze und massive Bombardierung von Städte wie Mosul und Raqqa gestattet. Der reale Unterschied ist vermutlich wenig erheblich.

Nun aber hat Trump, wie das Wall Street Journal berichtet, auch von Obama eingeführte Einschränkungen in der Cyberkriegsführung gelockert. Zunächst hatte das Pentagon gedroht, auf Cyberangriffe auch mit militärischer Gewalt bis hin zum Einsatz von Atombomben zu reagieren. Nach dem Cyberangriff auf Sony im Jahr 2014, der in Washington Nordkorea zugeschrieben wurde, wurde auch gefordert, militärisch darauf zu antworten, auch wenn nicht eindeutig belegbar war, dass tatsächlich Nordkorea verantwortlich war, wie das gemeinhin schwierig oder unmöglich bei Cyberangriffen ist. Und es handelte sich um einen Angriff, der nur ein Unternehmen betraf, aber die Sicherheit der USA nicht gefährdete. Barack Obama stufte den Angriff als Cybervandalismus ein zur Deeskalation ein. Die Obama-Regierung entschied, die Cyberstrategie 2015 zu ändern, so dass die angedrohte Reaktion ausdifferenzierter und der Druck, zurückschlagen zu müssen, verringert wurde (Pentagon-Strategie für den Cyberwar. Ob die USA dennoch kurzzeitig das Internet in Nordkorea lahmgelegt oder andere Aktionen zur Abschreckung ausgeführt hat, bleibt unbekannt.

Nach dem WSJ hat nun Trump am Mittwoch der vergangenen Woche die geheime, aber geleakte Presidential Policy Directive 20 vom Oktober 2012 wieder aufgehoben. Das soll auch auf Betreiben des neuen Sicherheitsberaters John Bolton geschehen sein.

Genaueres bleibt allerdings wieder einmal geheim. Obamas Direktive sah ein zwischen Ministerien koordiniertes Verfahren unter Einbeziehung politischer Überlegungen vor, um Cyberwaffen einzusetzen, es ging also darum zu verhindern, dass schnell und unüberlegt bei einem Cyberangriff zurückgeschlagen wird, weil potentiell unbeabsichtigte und kollaterale Folgen im global vernetzten Cyberspace unübersehbar sein könnten. Das wurde als zu vorsichtig ausgelegt, allerdings sind wohl Cyberwaffen militärisch auch deswegen nicht gegen Staaten eingesetzt worden, weil die Herkunft der Angriffe unsicher ist, es keine geeigneten Cyberwaffen gibt, keine Eskalation provoziert werden sollte oder auch die Verbindung des Cyberkommandos mit der NSA das verhinderte, da der Geheimdienst andere Interessen als das Militär verfolgt. Hereinspielt die lange Diskussion, ob und wie man das Cyberkommando von dem Geheimdienst lösen könnte, um ein aggressiveres und offeneres Vorgehen zu ermöglichen.

Der demokratische Senator Mark Warner, ein Trump-Kritiker, Mitglied im Geheimdienstausschuss und Russland-Gegner, moniert, die Feinde der USA würden glauben, "dass sie uns ohne Konsequenzen angreifen können". Das stimmt so nicht, denn es wurden auch während der Trump-Präsidentschaft gegen Russland Sanktionen verhängt, auch wenn die Beweise, soweit bekannt, gegen angebliche Hacker im Dienst der russischen Geheimdienste nicht hieb- und stichfest sind. Warner drängt darauf, dass mehr zur Abschreckung von Cyberangriffen anderer Länder getan werden müsse: "Und wie wir sie dafür bezahlen lassen, wenn sie dies machen".

Trump, der Immobilien-Mogul, soll Cybersicherheit nicht so wichtig nehmen, wird ihm vorgeworfen. Das wurde auch daraus geschlossen, dass er wohl aufgrund seines neuen Sicherheitsberaters John Bolton den Posten des Koordinator für Cybersicherheit im Weißen Haus im Mai strich. Bolton hatte vor seiner Ernennung gefordert, bei einem erneuten Vorfall wie bei den Wahlen 2016 zurückzuschlagen. Russland oder ein anderer Staat müssten lernen, "dass die ihnen entstehenden Kosten von künftigen Cyberangriffen gegen die USA so hoch sind, dass sie einfach ihre Cyberwarpläne in ihren Computerspeichern ablegen, um elektronischen Staub zu sammeln".

Gut möglich also, dass die Entscheidung, Obamas Direktive zurückzunehmen, die Möglichkeit schaffen soll, schneller und unkomplizierter Cyberangriffe durchführen zu können. Schließlich hatte Trump auch das Cyberkommando in der Pentagon-Hierarchie aufgewertet. Auch wenn Cybersicherheit vielleicht nicht auf seiner Agenda oben steht, so doch offensichtlich eine offensivere Cyberstrategie, die schnell in einen Cyberwar münden könnte.

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