Führt Facebook Anweisungen der ukrainischen Präsidialverwaltung aus?

Anatoli Sharij

Dies behauptet der populäre ukrainische Blogger Anatoli Sharij, dessen Facebook-Account einen Tag gesperrt wurde

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Gestern gab Sharij bekannt, dass sein Facebook-Blog ohne Begründung für einen Monat gesperrt wurde. "Der Wahlkampf hat begonnen", meinte der Blogger, der aus Gründen der persönlichen Sicherheit seit einigen Jahren in der EU lebt. Präsident Poroschenko versuche, einen einflussreichen Kritiker mit 280.000 Abonnenten bei Facebook und 1,5 Millionen Abonnenten bei YouTube mundtot zu machen. In einem halben Jahr sind in der Ukraine Präsidentschaftswahlen und da würden alle stören, die gegen den amtierenden Präsidenten sind.

Sharij veröffentlicht auf seinem YouTube-Kanal und Facebook täglich kritische Videos und Posts über den amtierenden ukrainischen Präsidenten und sein politisches Umfeld. Der Stil des Bloggers ist humoristisch. Der populäre Kritiker lässt die ukrainischen Politiker, die er wegen Nationalismus, anti-sozialer Politik und Korruption kritisiert, regelmäßig selbst zu Wort kommen, indem er Mitschnitte aus dem ukrainischen Fernsehen vorführt.

Ein ukrainischer Konsul in Hamburg musste nach Sharij-Ermittlungen gehen

Der populäre Kritiker betreibt schonungslosen Investigativ-Journalismus. So schlich sich Sharij als "Freund" auf die Website von Wassyl Maruschtschinez, einem Konsul der ukrainischen Botschaft in Hamburg, und verfolgte dessen Posts. Es stellte sich heraus, dass der Konsul antisemitisches und rechtsradikales Gedankengut postete. Im Mai veröffentlichte Sharij seine Ermittlungen, worauf der Konsul von seinem Posten abberufen wurde.

In seinem YouTube-Auftritt vom 27. August 2018 erklärte Sharij, er sei überzeugt, dass sein Blog bei Facebook auf Anweisung der ukrainischen Präsidialverwaltung blockiert wurde. Fast eine halbe Millionen Menschen sahen das YouTube-Video von Sharij. Und offenbar hat dies etwas bewirkt. Der Facebook-Account von Sharij ist seit Montagabend wieder zugänglich .

Der Vorwurf, Facebook führe Anweisungen der ukrainischen Präsidialverwaltung aus, lässt sich nur schwer beweisen. Aber Shari meint, er habe ernstzunehmende Hinweise. Nach seinen Informationen gebe es in den USA Facebook-Administratoren, die aus der Ukraine stammen und aus tiefstem Patriotismus Wünsche der ukrainischen Präsidialverwaltung erfüllen. In Fernsehsendungen könne man sehen, dass diese Leute "ihre Zimmer mit ukrainischen Flaggen vollgehängt haben". Diese patriotischen Facebook-Administratoren glaubten, indem sie Wünsche der ukrainischen Präsidialverwaltung ausführen, "dass sie so die Ukraine unterstützen, aber sie unterstützen nur die ukrainische Macht", so der Blogger.

Berater des ukrainischen Innenministers ruft IS zu Hilfe

Shari bringt noch ein Beispiel, welches eine politische Einflussnahme bei Facebook belegen könnte. Am 7. Oktober 2015 rief Anton Geraschenko, der Berater des ukrainischen Innenministers, in seinem Blog bei Facebook dazu auf, der ukrainischen Website Mirotvorets (Friedensstifter) die Namen der russischen Männer zu nennen, welche auf den russischen Militär-Flughäfen in Syrien Raketen an die russischen Kampfflugzeuge hängen.

Die Website Mirotvorets, welche auf Initiative von Geraschenko geschaffen wurde und persönliche Daten von "Feinden der Ukraine" samellt, werde dann die Namen, Adressen und Telefonnummern dieser russischen Männer veröffentlichen, damit sich die Anhänger des IS ("Islamischer Staat"), von denen es im russischen Nordkaukasus nicht wenige gäbe, an diesen russischen Männern "nach den Gesetzen der Scharia rächen können".

Wie war die Reaktion von Facebook nach dieser offenen Unterstützung für den IS? Der Account von Geraschenko wurde blockiert, doch nur Stunden später wiedereröffnet, für Sharij ein Beweis für die Voreingenommenheit von Facebook.

Der Autor dieser Zeilen wurde vor einigen Tagen selbst Opfer von Zensur bei Facebook. Nacheinander verschwanden ohne Begründung vier Posts, die zur Militärparade in Kiew am 24. August, dem Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine, gepostet wurden. Nachdem der Autor dieser Zeilen den Fall öffentlich gemacht hatte, tauchten die verschwundenen Posts nach einigen Stunden wieder auf.