Öko oder konventionell: Wie werden wir uns ernähren?

Kleinmarkthalle Frankfurt, Gemüsestand. Foto: EvaK / CC BY-SA 2.5

Eine Schweizer Studie rechnet vor, unter welchen Bedingungen künftig alle Menschen satt werden könnten

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Mit unseren derzeitigen Konsumgewohnheiten werden wir die Menschheit nicht langfristig ernähren können, erklären die Wissenschaftler Christian Schader und Adrian Müller vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Bliebe unser derzeitiger Lebensstil weiter unverändert, sei weder die konventionelle noch die ökologische Landwirtschaft dazu in der Lage, alle Menschen satt zu machen.

Zu lesen ist das in einer Studie, die im November 2017 im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht wurde. Ihren Untersuchungen legten die Wissenschaftler die Konsumgewohnheiten von Menschen verschiedener Weltteile zugrunde. So wird der Appetit auf Milch und Fleisch nicht nur in Europa, sondern auch in Asien immer größer.

Aktuell liegt der Fleischkonsum weltweit bei 322 Millionen Tonnen im Jahr. Bei gleichbleibender Entwicklung läge der Fleischbedarf im Jahr 2050 bei 455 Millionen Tonnen. Um genügend Fleisch zu produzieren, müsste man den Anbau von Futtermitteln drastisch erhöhen, erklärt Adrian Müller vom FiBL (CH) gegenüber 3sat. Die Umweltschäden infolge zunehmender Futteranbauflächen wären enorm.

Der Bedarf an Eiern werde sich im selben Zeitraum von 75 Millionen Tonnen auf mehr als 100 Millionen Tonnen und der Milchbedarf von 750 Millionen auf eine Milliarde Tonnen erhöhen. Bei ihren Berechnungen berücksichtigten die Forscher den fortschreitenden Klimawandel. Etlichen Prognosen sei zu entnehmen, dass die Erträge kaum mehr ansteigen und künftig sogar sinken werden. Hier legten die Experten einen Mittelwert zugrunde, wonach die Erträge zwar ansteigen, doch lange nicht so stark, wie zum Beispiel die FAO vorhersagt.

Ackerland wird knapp

Passt sich der Rest der Welt unserem industriellen Lebensstandard an, prognostiziert die Studie einen jährlichen Bedarf von 30 Billionen Kalorien weltweit. Die derzeitigen Ernteerträge liefern aber nur rund zwei Drittel davon. Um alle Menschen zu versorgen, braucht es also mehr Land.

Für den konventionellen Landbau fehlen schätzungsweise 20 Prozent, für den ökologischen sogar 60 Prozent Ackerfläche. Zusätzliches Ackerland aber wird es ohne Abholzung weiterer Wälder oder den Umbruch von Grasland nicht geben. Die Entwicklung zielt eher auf eine permanente Flächenverbauung.

Für immer mehr Straßen und Autobahnen werden immer mehr Böden zubetoniert - allein in Deutschland täglich 66 Hektar. Um eine wachsende Zahl von Konsumgütern quer durch Europa zu karren und zwischenzulagern, werden immer mehr Logistikzentren errichtet, nicht selten auf fruchtbarem Ackerland. Das ist weit entfernt vom Ziel der Bundesregierung, die den Verbrauch auf weniger als 30 Hektar pro Tag im Jahr 2030 senken will.

In den meisten westlichen Ländern sei die landwirtschaftliche Produktion bereits optimiert worden und alle natürlichen Potentiale zur Produktion von Lebensmitteln ausgereizt, erklärt Christian Schader vom FiBl. Nur an Ertragssteigerungen zu denken und gleichzeitig nahezu die Hälfte aller Lebensmittel wegzuwerfen, hält er für absurd.

Es müsse effizientere Lösungen geben, um das Ernährungsproblem zu lösen. Durch Vermeidung von Lebensmittelabfällen beispielsweise würden der menschlichen Ernährung bis zu 30 Prozent mehr Kalorien zur Verfügung stehen.

"Feed no Food!"

Die zweite in der Studie genannte Strategie setzt in der Fleischproduktion an: Pflanzen, die den Menschen als Nahrung dienen könnten, dürfen nicht an Nutztiere verfüttert werden. Denn wo Pflanzen durch Fütterung an Tiere zu Fleisch "veredelt" werden, gehen wertvolle Kalorien verloren. Außerdem könnte der Mensch über die direkte Aufnahme von Soja, Reis und Weizen etwa 20 Prozent Kalorien mehr aufnehmen.

Tiere sollten, wie in traditioneller Haltung üblich, ausschließlich Gras und Abfallprodukte fressen. Der Schweizer Studie zu Folge müsste man diese Strategie im konventionellen Anbau zu 50 Prozent, im ökologischem Anbau zu 100 Prozent umsetzen, während der Lebensmittelabfall gleichzeitig um die Hälfte reduziert werden müsste.

Kompletter Verzicht auf Fleisch ist auch keine Lösung

Ein kompletter Verzicht auf Fleisch wäre nach Ansicht der Experten allerdings auch keine Lösung, sind doch viele Böden schlicht zu karg oder zu uneben für den Ackerbau. Schon heute wird mehr als die Hälfte des globalen Agrarlandes als Weideland genutzt. Denn Wiederkäuer wie Schafe, Ziegen und Rinder wandeln Gras in Eiweiß um, das dem Menschen in Form von Fleisch, Milch oder Käse zugute kommt.

Ein Vorteil des Ökolandbaus liegt darin, dass er Stickstoffüberschüsse abbaut und damit die Belastung von Grund- und Oberflächengewässern deutlich verringern hilft. Schon bei 80 Prozent Ökoanbaufläche bei gleichzeitiger Halbierung von Kraftfutter und Lebensmittelabfällen würde der Studie zu Folge der Überschuss an Stickstoff weltweit um 100 Prozent sinken.

Stickstoffdefizite könnten sowohl über den optimierten Anbau von Leguminosen wie Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen als auch über die Wiederverwertung von Nährstoffen aus Bioabfällen und sogar Klärschlamm ausgeglichen werden.

Deutschland produziert das meiste und das billigste Schweinefleisch in Europa - das sind etwa 60 Millionen Schweine im Jahr. Schweinemastregionen wie die Landkreise Vechta und Cloppenburg wissen nicht mehr wohin mit den Unmengen an Gülle, die in den Mastställen anfallen. Für gewöhnlich wird die Gülle auf die Felder geschüttet mit dem Resultat, dass die Nitratwerte im Grundwasser seit Jahren ansteigen.

Wegen zu hoher Nitratwerte wurde Deutschland kürzlich vom Europäischen Gerichtshof verklagt. Doch so lange die Fleischindustrie massenhaft billiges Fleisch produziert, wird sich an den Nitratwerten im Grundwasser kaum was ändern. Haltungsschäden, Knochen- und Gelenkentzündunge sind in der drangvollen Enge an der Tagesordnung.

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