Mehr Panzer für die Polizei

Der "Survivor R" auf der Verkaufsmesse "Europäischer Polizeikongress"

Nach den Spezialkräften erhalten jetzt auch Bereitschaftspolizeien der Länder und die Bundespolizei moderne gepanzerte Fahrzeuge. Rüstungskonzerne konkurrieren mit bis zu 15 Tonnen schweren Modellen

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Mehrere Dutzend Polizeistandorte in Deutschland werden mit neuen Radpanzern ausgestattet. Die Bereitschaftspolizeien der Länder erhalten erstmals 45 Fahrzeuge, die Bundespolizei erhöht ihren Bestand um zehn. Nach Auskunft des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind dies "geschützte" Geländewagen und Personentransportfahrzeuge. Der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Mayer bezeichnet sie als "Sonderwagen 5" (SW 5), die Bundespolizei will diesen Begriff jedoch nicht mehr verwenden.

Mit dem Großauftrag will das Ministerium den seit 1984 von Bund und Ländern genutzten "Sonderwagen 4" (SW 4) ersetzen. Ihr Hersteller, der inzwischen von Rheinmetall übernommene Kasseler Rüstungskonzern Thyssen Henschel, hat die Produktion längst eingestellt. Die Bundespolizei setzt die alten Radpanzer nur noch an Flughäfen ein, dort sind sie teilweise mit einem Maschinengewehr bewaffnet. Alle übrigen SW 4 wurden an die Bundeswehr und nach Mazedonien verkauft.

Finanzierung von Wasserwerfern und Spähfahrzeugen

Die Beschaffung der neuen "Sonderwagen" für die Bereitschaftspolizeien wird über das Verwaltungsabkommen der Länder mit der Bundesregierung umgesetzt. Der 1950 erstmals geschlossene und mehrmals erneuerte Vertrag regelt die Möglichkeiten, in denen der Bund den Ländern polizeiliche Weisungen erteilen kann. Als Gegenleistung finanziert das Bundesinnenministerium "Führungs- und Einsatzmittel" für die Bereitschaftspolizeien und kümmert sich um deren "Weiterentwicklung und Neukonzeption". Zuständig ist der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, der beim Bundesinnenministerium angesiedelt ist.

Über das Verwaltungsabkommen werden auch die 78 neuen Wasserwerfer für deutsche Polizeien beschafft, den Auftrag erhielt die österreichische Firma Rosenbauer. Ihr Stückpreis lag bei 900.000 Euro (Mit Auge und Ohr gegen den kommenden Aufstand). Ab 2011 hat die Bundesregierung außerdem die 52 neue "Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen" (BeDoKw) für die Länder finanziert. Weitere 24 Spähfahrzeuge wurden für die Bundespolizei gekauft.

Die jetzige Beschaffung der "Sonderwagen 5" bleibt hinter früheren Plänen zurück. Das Bundesinnenministerium wollte ursprünglich alle knapp 80 Standorte der Bundespolizei mit gepanzerten Fahrzeugen ausrüsten. Hierüber hatte der Spiegel vor zwei Jahren berichtet und aus einer internen Analyse für den Thomas de Maizière (CDU) zitiert. Demnach sollen die neuen Fahrzeuge dem Beschuss von Kalaschnikow-Gewehren standhalten, wie sie Attentäter bei mehreren Anschlägen in Europa genutzt hatten. Von besonderer Bedeutung ist der Transport von Spezialkräften zu einem Anschlagsort. Der alte "Sonderwagen 4" kann zwar bis zu neun Personen befördern, er ist den Polizisten jedoch zu eng.

Ganz schön eng: Der "Sonderwagen 4". Bild: M. Monroy

Einsätze beim G20-Gipfel

Welche Firmen mit der Lieferung des "Sonderwagen 5" beauftragt werden, ist noch offen. Eine Ausschreibung sollte nach Beschluss des Haushaltsgesetzes 2018 erfolgen, das den Bundestag im Juli passiert hat. Schon jetzt nutzt die Bundespolizei zehn leicht gepanzerte "Eagle IV" des Schweizer Herstellers General Dynamics European Land Systems an einigen Flughäfen, die in 2014 aus Afghanistan zurückgeflogen wurden. Mitunter werden die Fahrzeuge auch bei polizeilichen Großlagen wie dem G20-Gipfel eingesetzt.

Mit dem "ENOK 6.1" hat auch Mercedes-Benz ein gepanzertes Patrouillenfahrzeug im Angebot. Es wurde eigentlich für die Bundeswehr entwickelt und baut auf den Fahrzeugen der G-Klasse auf. Die Bundespolizei hat sieben "ENOK" für die Sicherung von Flughäfen beschafft und bewaffnet. Dort firmiert das Fahrzeug als "Geschütztes Einsatzfahrzeug 2 - Luftsicherheit" (GEF-2 LuSi).

Zu den möglichen Herstellern des neuen Radpanzers gehört auch die Firma Achleitner aus Österreich. Ihr "Survivor I" ist bereits für eine Million Euro bei der Polizei in Hamburg im Einsatz und wurde dort unter anderem zum G20-Gipfel zum Transport von Spezialeinsatzkräften aus der Garage geholt. Bei den Auseinandersetzungen im Schanzenviertel erwies sich das über zehn Tonnen schwere Gerät jedoch als wenig wendig und deshalb ungeeignet für städtische Demonstrationslagen.

Auch das Sondereinsatzkommando der Polizei Brandenburg hat einen "Survivor I" gekauft, der Preis liegt mit 1,4 Millionen Euro deutlich über jenem in Hamburg. Der Wagen verfügt über vergitterte Fenster, ein Räumschild, ein Feuerlöschsystem und eine Belüftungsanlage für Einsatzlagen mit atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen.

Der "Survivor I" beim G20-Gipfel in Hamburg. Bild: M. Monroy

Bewaffnung folgt

Schließlich hat auch Rheinmetall zusammen mit Achleitner einen "Survivor R" entwickelt. Das schwer gepanzerte Fahrzeug gehört zur Klasse der "Minen widerstehendes und Hinterhalt-geschützten Fahrzeuge"(MRAP). Mit rund 15 Tonnen ist der "Survivor R" der schwerste in Deutschland genutzte Radpanzer. In der Basisversion soll der "Survivor R" 500.000 Euro kosten, andere Quellen sprechen je nach Ausstattung von bis zu 1,5 Millionen. Auf Wunsch kommt das Fahrzeug mit Nachtsichtkamera und anderen Sensoren oder einem Räumschild.

Zu den Käufern des "Survivor R" gehört die Polizei Berlin, die noch in 2018 mit einem Fahrzeug beliefert werden soll. Zuerst hatte die Polizei Sachsen zwei "Survivor R" für seine Spezialeinsatzkommendos angeschafft. Das Gerät ist mit einer Abschussanlage für Nebelgranaten oder Tränengas ausgestattet und kann mit einem Maschinengewehr bewaffnet werden. Dies sei einem sächsischen Polizeisprecher zufolge aber "noch nicht ganz spruchreif". Abhilfe soll das neue Polizeigesetz schaffen, dessen Entwurf die Bestimmung zur Bewaffnung der "Allschutz-Transportfahrzeuge" enthält.

Die Bundespolizei war schneller und rüstet ihre Radpanzer an Flughäfen mit modernen Waffensystemen aus. Maschinengewehre können auf eine "Fernbedienbare Leichte Waffenstation" (FLW 100) montiert werden, die vom Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann stammt und für die Bundeswehr entwickelt wurde. Dort sind bereits 1.000 dieser "Waffenstationen" in Einsatz. Die Bedienung der Waffenstation erfolgt aus dem Innern des Fahrzeugs. Innerhalb eines Jahres werden 21 Bundespolizei-Fahrzeuge mit der FLW 100 bestückt. Nochmal so viele folgen, wenn die Bundespolizei ihre neuen "Sonderwagen 5" erhält.