"Zeckenbiss" oder Verfassungsschutz

Demonstration in Chemnitz, am 27.08.2018. Bild: Lord van Tasm / CC BY-SA 3.0

Im Fall Maaßen geht es auch um die Zurückdrängung der Antifa-Ideologie in der BRD

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"Zur Verstärkung unseres Teams an den Dienstorten Köln und Berlin suchen wir einen Präsident für das Bundesamt für Verfassungsschutz." Was sich wie die Suche nach einem Nachfolge für den in die Kritik geratenen VS-Präsidenten anhört, war eine Taz-Satire vom vergangenen Mittwoch. Dort wurde unter der Überschrift "Im Verborgenen Gutes tun" schon mal ein Maaßen-Nachfolger gesucht.

Wenn es nach den Grünen und Linken geht, wären seine Tage tatsächlich gezählt. Auch auf rechten Webseiten ging man von einem Rücktritt Maaßens aus. Sie hätten ihn gerne als "Opfer des Merkel-Systems" präsentiert, der seinen Job verliert, weil er angeblich nicht die politische Linie vertrat.

Gelbe Karte für Maaßen

Maaßen kann vorerst bleiben. Die Medien sprechen davon, dass er mit einem "blauen Auge" davon gekommen sei. Dass er noch bleiben kann, wird damit erklärt, dass er weiterhin das Vertrauen von Innenminister Seehofer hat. Da dessen Verbleib höchstens bis zur Bayern-Wahl gesichert ist, kann auch Maaßens Stuhl noch wackeln.

Doch nicht nur Seehofer, sondern die gesamte Union und auch die FDP sehen vorerst keinen Grund für den Rücktritt des VS-Präsidenten. Auch die Medienreaktionen sind durchaus nicht mehr so maaßenkritisch wie noch vor Tagen. So titelte der konservative Publizist Ansgar Graw: "Maaßen kommt mit dem blauen Auge davon, genau wie Merkel."

Nach dieser Lesart muss sich der Jurist Maaßen vor allem vorwerfen lassen, dass er vom Mord in Chemnitz sprach, während die Justiz wegen Totschlag ermittelt. Das habe er mittlerweile bedauert. Aber auch Merkel wird von Graw wegen angeblich falscher Wortwahl kritisiert. Seine Argumentation ist deshalb interessant, weil hier die klassische Argumentation der bürgerlichen Mitte verbreitet wird.

Dort wendet man sich natürlich gegen die extreme Rechte.

Das, was dort passierte, ist widerlich genug und bedarf daher nicht noch der Übertreibung. Rechtsextremisten und Neonazis zeigten den Hitlergruß, griffen ein jüdisches Restaurant an und waren gewaltbereit auch gegen zwei junge Ausländer, denen sie auf jenem Video kurz nachsetzten, das zunächst als Nachweis für die Hetzjagden gegolten hatte.

Ansgar Graw

Doch dann kommt gleich das "Aber":

Aber unklar bleibt der Zusammenhang, unbekannt ist, was dieser Attacke vorausging und was ihr folgte. Eine Menschenjagd, unter der man sich eine Hatz über weite Strecken vorstellt, ist auf dem Videoschnipsel jedenfalls nicht zu erkennen und wurde laut Lokaljournalisten, Polizei und Generalstaatsanwalt auch von niemandem bezeugt.

Ansgar Graw

Da wird also schon mal den Opfern einer auch von Graw eingeräumten Attacke eine Mitschuld unterstellt, vielleicht, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren?

Nun verteilt Graw Lob und Tadel an beide Richtungen des bürgerlichen Lagers.

Darum ist es beispielsweise wichtig, zu betonen, dass Daniel H. in Chemnitz nach jetzigem Ermittlungsstand durch Totschlag starb - und der Jurist Maaßen wird sich schämen, dass er im "Bild"-Interview gleichwohl von "dem Mord in Chemnitz" sprach (was er im Innenausschuss mit Bedauern korrigierte). (…)

Maaßen präsentierte sich am Mittwochabend den Innenpolitikern in einer Mischung aus Selbstkritik und Standfestigkeit: Er stehe inhaltlich zu seinen Zitaten, würde aber manches heute anders formulieren oder gar weglassen. Warum haben Seibert und Merkel nicht auch ihre Äußerungen über die Hetzjagd zurückgezogen, nachdem mehr Fakten bekannt waren?

Ansgar Graw

Zwischendrin formuliert er, was er Maaßen eigentlich vorwirft.

Und hätte er dem Video nicht verschwurbelt "gezielte Falschinformation" unterstellt (was einige Zeitgenossen offenkundig als Behauptung verstehen wollten, Maaßen halte den Film für eine Fälschung), sondern gesagt, die Bilder sollten in Kombination mit der Betitelung des Videos durch eine Antifa-Gruppe nach seiner Meinung eine falsche Fährte legen, wäre die Aufregung gering geblieben.

Ansgar Graw