Nach dem Juncker-Deal mit Donald Trump: Schleusen auf für Fracking-Gas

Flüssigerdgastank in Massachusetts. Bild: Fletcher6 / CC BY-SA 3.0

Die Bundesregierung unterstützt den Bau von LNG-Terminals in Deutschland und Kanada. Die sind weder klimapolitisch noch wirtschaftlich sinnvoll, aber nützlich im Handelskrieg mit der Trump-Regierung

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Bei seiner Rede zur Lage der Union versuchte Jean-Claude Juncker am Mittwoch alle negativen Entwicklungen der letzten Jahre auszublenden. Der Kommissionspräsident richtete sich in dieser Funktion ein letztes Mal an das Europäische Parlament. Währenddessen tagen in Brüssel die Experten und versuchen im Hintergrund, die grundsätzlichen transatlantischen Differenzen beizulegen.

Nach Junckers Besuch in Washington bleiben der EU nur 120 Tage, um etwa die von Trump angedrohten Auto-Strafzölle abzuwenden.

Ende Juli hatte Jean-Claude Juncker in den USA zugesagt, dass die EU-Staaten demnächst mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) aus Nordamerika einführen werde. Brisant ist diese Zusage vor allem deshalb, weil in den USA vor allem mithilfe von Fracking gefördert wird.

Wissenschaftler sind sich einig, dass die klimaschädlichen Emissionen bei der Fracking-Förderung und der LNG-Verflüssigung deutlich über denen der konventionellen Förderung und dem Pipeline-Transport liegen. Zu diesem Ergebnis kommen nicht zuletzt die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages.

Das Thema ist nun auch auf der deutschen Agenda

Der Trump-Juncker-Plan widerspricht also direkt den in Paris festgelegten Klimazielen der EU. Schon in den vergangenen Jahren nahm der Import von Fracking-Gas aus den USA nach Europa erkennbar zu.

Allerdings hofft die Trump-Regierung, dass die in den USA aktiven Unternehmen demnächst ganz groß in ein Wirtschaftssegment einsteigen, dass bisher von Katar dominiert wird. Dafür entstehen gegenwärtig an der gesamten Atlantik-Küste neue Verflüssigungsterminals, nicht nur in den USA, sondern auch in Kanada.

Bisher hatte die Bundesregierung behauptet, sie habe keinerlei Einfluss auf LNG-Importe nach Deutschland. Spätestens mit dem Juncker-Trump-Deal rückt das Thema jedoch in der deutschen Energiepolitik auf die Agenda. Verschiedene Energieunternehmen planen in Deutschland Import-Terminals aufzubauen, aber auch in Kanada unterstützt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Bau eines Export-Terminals in Goldboro. Dort, im unberührten Nordosten des Landes, will das Unternehmen Pieridae Energy einen riesigen Hafen für LNG-Exporte aufbauen.

Da Kanada inzwischen den Freihandelsvertrag CETA mit der Europäischen Union unterzeichnet hat, könnte sich der Export von Rohmaterialien wie Öl und Gas über Kanada wesentlich günstiger gestalten. Daher befindet sich eine große Gas-Pipeline vom größten Fracking-Feld im Nordosten Kanadas in Planung. Mithilfe der Maritimes & Northeast Pipeline wird Fracking-Gas aus der größten Förderfläche für Schiefergas der USA, der Marcellus-Formation, nach Kanada transportiert.

"Eine glatte Lüge"

Auf eine Anfrage des Linken-Politikers Andrej Hunko hatte die Bundesregierung noch im März versichert, sie wisse nichts von einer Verbindungsleitung zwischen der Marcellus-Formation und Kanada. Im Übrigen erhebe die Bundesregierung "keine Daten über die Beteiligung deutscher Unternehmen an LNG-Infrastruktur im Ausland". Zumindest die letzte Aussage steht inzwischen unter dem deutlichen Verdacht, eine glatte Lüge zu sein.

Auf Nachfrage der Grünen stellte sich heraus, dass die staatseigene KfW dem Goldboro-Projekt bereits im Jahr 2013 eine Kreditabsicherung in Höhe von 3 Milliarden Dollar zugesagt hatte. Im Juli beantragte der Investor Pieridae Energy, den Kreditrahmen noch einmal zu erhöhen.

Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass die Bundesregierung außerdem Lieferungen und Leistungen aus den Gasprojekten Yamal LNG in Russland und Ichtys LNG in Australien durch die Übernahme von Exportkreditgarantien fördert.

Kritik aus Kanada

Im kanadischen Goldboro fragen sich die Anwohner des geplanten LNG-Terminals, warum die Klimakanzlerin im fernen Deutschland ein Projekt unterstützt, das sie seit Jahren bekämpfen. Die Nova Scotia Fracking Resource and Action Coalition (NOFRAC) und zahlreiche Bürgerinitiativen richteten Ende August einen Brief an die Minister und die Bundestagsfraktionen, in dem sie fordern, dass die Bundesregierung keine Kreditgarantien für das Goldboro LNG-Terminal übernimmt.

Sie kritisieren, dass die Bundesregierung mit ihrer Kreditgarantie ein wirtschaftlich fragwürdiges und klimaschädliches Projekt erst ermöglicht.

Nova Scotia hat seine Treibhausgas-Reduktionsziele bisher erfolgreich erreicht. Aber wenn die Goldboro LNG-Anlage gebaut wird, wird sie allein die prognostizierten Treibhausgasemissionen von Nova Scotia im Jahr 2022 um mindestens 20% erhöhen. Dies wird zu einem deutlich stärkeren Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen insgesamt führen. (…) Angesichts der gesunkenen Preise für kanadische Erdgasförderanlagen und des chronischen strukturellen Überangebots an westkanadischem Gas ist dies für Deutschland transparent ein riskantes Finanzprojekt.

Brief an deutsche Minister und die Bundestagsfraktionen

"Neue Spielräume" für Deutschland

Eine Reaktion haben die Aktivisten bisher nur von den Bundestagsfraktionen der Linken und der Grünen erhalten. Das Bundeskanzleramt geht hingegen sehr viel offensiver mit seinen LNG-Plänen um. Nach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erklärt nun auch Angela Merkel, ein eigenes LNG-Terminal verschaffe Deutschland "neue Spielräume".

Das deutsche Gasnetz sei zwar bereits an die LNG-Importterminals in den Nachbarländern Niederlande, Belgien und Polen angeschlossen, aber die Bundesregierung arbeite daran, die LNG-Infrastruktur "selbst weiter voranzubringen".

Da das einzige polnische LNG-Terminal in Swinemünde bereits Fracking-Gas aus den USA entlädt, bedeutet diese Auskunft der Kanzlerin wohl, dass dieses Gas auch durch die deutschen Netze fließt. Dies führt zu der kuriosen Situation, dass in Deutschland zwar Fracking verboten ist, genauso wie in vielen US-Bundestaaten.