Irak: Regierungsbildung mit den USA, Iran und einem Ayatollah

Kämpfer der Hashd ash-Shaabi. Foto: Tasnim News Agency / CC BY 4.0

Al-Abadi ist nach der Eskalation in Basra, bei der die iranische Botschaft brannte, ohne Chancen. Muktada as-Sadr und der mit den iranischen Revolutionsgarden verbundene al-Amiri sind am Zug mit der Regierungsbildung

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Nirgends sonst treffen die USA und Iran auf so eigenartige Weise aufeinander wie im Irak. Die beiden "Achsen"-Gegner müssen zusammenarbeiten, ansonsten zerbricht das Land. Der IS ist noch immer eine Gefahr, Bombenleger, heimtückisch angreifende Zellen und Schläfer sind noch immer präsent. Die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten auch.

Iran verdankt dem US-amerikanischen Größenwahn, der mit Lügen, politischer Ahnungslosigkeit und militärischem Shock and Awe 2003 den Irak umstürzte, die grandiose Machtstellung, die man seit der Absetzung des Erzfeindes Saddam Hussein stetig ausbaute.

Die USA, die durch ihre Fehler dem konfessionellen Streit und dem Dschihad Gelegenheiten, Kampfzonen und Zündstoff geliefert haben, waren auf Irans Hilfe angewiesen, um das Monster, den IS, dem sie erst auf die Sprünge geholfen haben, wieder zurück in die Pandorabüchse zu stecken.

So kam es, dass die USA im Irak mit vom Iran geförderten schiitischen Milizen, den Hashd al-Shaabi, gemeinsam gegen den IS kämpften, während sie jenseits der Grenze zu Syrien, ein paar Hundert Kilometer weiter, Milizen, die auf der irakischen Seite zur Hashd al-Shabi gehören, mit ihren Flugzeugen angriffen. Über allem stand der verbale Schlagabtausch, der seit Trumps Einzug ins Weiße Haus noch viele Härtezacken zugelegt hat.

Die Zerreißprobe: Sanktionen gegen Iran

Wie vertrackt sich die geopolitisch zur ganz großen Konfrontation zwischen den Guten und den Schlechten ausgerufene US-Iran-Gegnerschaft im Irak gestaltet, war dann deutlich zu spüren, als man sich im Irak Gedanken darüber machen musste, wie mit den US-Sanktionen gegen Iran umzugehen sei.

Sie stellen das Land vor ein Dilemma, das als Zerreißprobe beschrieben wurde, da jede Entscheidung, ob gegen die US-Sanktionen oder Mitmachen, existentielle Konsequenzen haben kann (vgl. Irak und die Iran-Sanktionen: Der nächste Fehler der Nahostpolitik der USA?).

Der amtierende Premierminister Haider al-Abadi hatte sich Anfang August, wenn auch widerwillig, dafür ausgesprochen, die US-Sanktionsvorgaben zu befolgen, was nicht überall gut ankam. Danach gab es Versuche, Ausnahmen bei den USA zu erwirken.

Wie der Stand der Dinge bei den Ausnahmegenehmigungen aussieht, ist noch unklar. Aber wie es aussieht, wird das nicht mehr das Problem von Haider al-Abadi sein. Denn der nächste Premierminister wird anders heißen.

Der amerikanische Kandidat al-Abadi ohne Chance

Es ist nicht nur ein, übrigens sehr klarer, konziser und sachlicher, Artikel von der saudischen Arab News, der von der Bildung einer Koalition zwischen zwei bislang gegnerischen schiitischen Listen berichtet, die den amerikanischen Kandidaten al-Abadi geopfert haben; auch andere Quellen melden, dass al-Abadi keine Chance mehr hat, weiter Premierminister zu bleiben.

Al-Abadi selbst glaubt zwar noch an seine Chance, wie beim belgischen Journalisten Elijah J. Magnier zu erfahren ist. Aber dort wird selbst in der Kurzform auf die relevante Instanz verwiesen, die dagegen steht: Großayatollah Ali Sistani in Nadschaf, dessen Macht auf irakische Schiiten enorm ist. Er hatte 2014 mit einer Fatwa die Großmobilmachung der Hashd al-Shaabi (auch und korrekt: Haschd asch-Schabi, auf Deutsch: Volkseinheiten) initiiert.

Das Wort aus Nadschaf

Ali Sistani hatte sich vor einigen Tagen deutlich gegen jeden Premierminister ausgesprochen, der bereits in eine Führungsposition im Irak bekleidet hat. Das war eine deutliche Ansage gegen al-Abadi, aber auch gegen al-Maliki, der zuvor am Ruder war.

Das Wort des geistlichen Führers aus Nadschaf gilt. Die erwähnten Arab News schreiben von einem Macht-Dreieck im Irak: "Der neue Premierminister muss für Iran, die USA und Nadschaf akzeptabel sein."

Der Großayatollah zog die Konsequenzen aus einer Eskalation der Proteste in Basra am 7.September. Proteste gegen Unterversorgung mit dem Lebensnotwendigen, mit Wasser und Strom, aufgrund der Korruption im ölreichen irakischen Süden gibt es regelmäßig wiederkehrend in den unerträglich heißen Sommermonaten mit Temperaturen über 40 Grad (vgl. Hitze und Proteste).

Infiltration der Proteste?

Sie haben, wie es an dieser Stelle Mitte Juli in einem kurzen Beitrag festgehalten wurde, das Potenzial, um von außen politisch ausgenutzt zu werden. Wer möglicherweise die Strippenzieher waren, die hinter den Ereignissen am 7.September standen, in deren Folge 16 Menschen zu Tode kamen, beinahe 300 verletzt wurden, und Regierungsgebäude wie auch die iranische Botschaft in Brand gesetzt wurde, ist seither Gegenstand vieler Betrachtungen und Spekulationen.

Unterschiedliche politische Lager, vertreten etwa von Tamer El-Ghobashy, tätig für die Washington Post, und der bereits erwähnte, sehr US-kritische Autor außerhalb des konformistischen Mainstreams,Elijah Magnier, treffen aber in einem Punkt zusammen: Diese Ereignisse in Basra bedeuteten das Ende der Amtszeit für al-Abadi.

Nun läuft am heutigen Samstag die Frist für die Nominierung wichtiger Posten im irakischen Parlament ab. Laut Arab News gehört dazu auch die Benennung des irakischen Premierministers, der mit Bedacht nominiert werden sollte, wie 1001 Iraqi Thoughts mahnt, weil es sonst sehr übel aussieht mit dem Zusammenhalt im Irak und dem Funktionieren des Staates. Namen eines geeigneten Kandidaten werden nicht genannt.

Die neue Koalition

Gewählt wurde im Mai. Seither hat man verhandelt. Die Ereignisse in Basra, die Reaktion von Ali Sistani und das Wissen darum, dass Iran nicht die Macht hat, um den Kandidaten seines Lagers durchzusetzen, hat nach dem Bericht von Arab News dazu geführt, dass sich die beiden gegnerischen Lager, die Saairun-Allianz unter Führung von Muktada as-Sadr und die Fatah-Allianz von Hadi al-Amiri zusammengetan haben, um eine Regierung zu bilden.

Ausgerechnet der "Hitzkopf" as-Sadr, der kein Freund der USA ist (aber eben auch wegen Vorgeschichten nicht eng mit Iran), und al-Amiri, Chef der Badr-Brigaden mit engen Verbindungen zu den Revolutionswächtern in Iran, sind an der Regierung in Bagdad.

Es wird interessant, wie sich in dieser Verbindung bewerkstelligen wird, was die Arab News als Schluss aus den Verhandlungen der letzten Tage zieht:

Nun haben die Iraner beschlossen, ein wenig zurückzutreten, um as-Sadr und die Amerikaner die Verhandlungen führen zu lassen und eine neue Koalition zu bilden.

Arab News