In Spanien darf man nicht auf "Gott scheißen"

Der bekannte Schauspieler Willy Toledo wurde festgenommen und musste die Nacht hinter Gittern verbringen

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Der Schauspieler nimmt selten ein Blatt vor den Mund und bekommt das in seiner Karriere längst in Spanien zu spüren. Da es bekanntlich um die Meinungsfreiheit in Spanien alles andere als gut bestellt ist, wo Sänger und Twitterer zu langen Haftstrafen wegen Beleidigung der Monarchie verurteilt und ins Exil getrieben werden, hat es nun auch Willy Toledo erwischt. Der bekannte Schauspieler wurde festgenommen, weil er auf Facebook die religiösen Gefühle der Christen verletzt haben soll, dafür soll auch er nun abgeurteilt werden, geht es nach dem Willen fundamentalistischer Katholiken.

Über Facebook hatte sich "Guillermo" Toledo mit drei Feministinnen im andalusischen Sevilla solidarisiert, die vor Gericht gezerrt werden, weil sie satirisch die Oster-Prozessionen, die an Aufmärsche des rassistischen Ku Klux Klan erinnern, satirisch durch den Kakao gezogen haben. Die Anarcofradía del Santísimo Coño Insumiso - in etwa die "Anarchogemeinschaft der Heiligen Ungehorsamen Fotze - hatte statt des Schutzheiligen Sevillas eine riesige Vagina durch die Straßen der südspanischen Region getragen. Die Hauptverhandlung beginnt im März 2019. Der Staatsanwalt beschuldigt sie unter anderem, mit der "Prozession der aufmüpfigen Möse" die "Dogmen der katholischen Religion lächerlich machen zu wollen". Die Anzeige stammt wie im Falle Toledos auch von der "Vereinigung Christlicher Anwälte".

Und weil es dem linken Aktivist nicht gefiel, dass die drei Frauen im postfaschistischen Spanien, in dem der Klerikalfaschismus bis heute nicht aufgearbeitet wird, im kommenden März zur Hauptverhandlung erscheinen sollen, sprach er klare solidarische Worte, um die Diskussion darüber anzuschieben. "Ich scheiße auf Gott", schrieb er aus Solidarität mit den drei Feministinnen 2017: "Ich habe dann auch noch genug Kacke übrig für das Dogma der Heiligkeit und Jungfräulichkeit der Jungfrau Maria".

Da er aus "zivilem Ungehorsam" dagegen, dass es im heutigen Spanien Gesetze gibt, die die religiösen Gefühle schützen, handelt, war er auch Vorladungen der Polizei nicht nachgekommen. Am Donnerstag wurde der 48-Jährige dann in seiner Wohnung in Madrid festgenommen. Nach einer Nacht in der Zelle ließ ihn der Ermittlungsrichter aber frei.

Toledo hat Fragen des Ministeriums für Staatsanwaltschaft und der "Spanischen Vereinigung Christlicher Anwälte", die ihn angezeigt hatten, nicht beantwortet. Er erklärte, dass es sich um einen völlig unsinnigen Vorgang handelte. "Das ist wie in der Dritten Welt, dass hier im Strafrecht noch fünf Artikel die religiösen Gefühle schützen", erklärte er nach seiner Freilassung. Es sei absolut "empörend, dass die katholische römische Kirche der Päderasten noch so viel Macht hat, während sie tausende Kinderschänder und Vergewaltiger verbirgt". Ihn stört auch, dass die katholische Kirche, anders als die Menschen im Land, "alle Freiheit hat, ihre rückständige Ideologie zu verbreiten und auszukotzen".

Bisher droht ihm im Falle einer Verurteilung nur eine Geldstrafe bis zu 5.000 Euro. Doch das kann sich ändern, da die christlichen Anwälte ihm nun auch noch ein "Hassdelikt" vorwerfen. Doch auch die Christen-Anwältin Polonia Castellanos weiß, dass die ganze Geschichte eher schon jetzt ein Rohrkrepierer wegen der öffentlichen Bedeutung ist. Sie würde wohl noch negativer zum Bumerang für die Fundamentalisten, wenn der bekannte Toledo tatsächlich wie andere in den Knast gehen müsste.

Deshalb fordert Castellanos keine Knaststrafe für ihn, sondern nur eine Geldstrafe für die "gewalttätige Person". Man fragt sich nur, wann der Schauspieler, außer auf der Bühne oder im Film, tatsächlich Gewalt angewendet hat. Da es auch in der Justiz von Fundamentalisten nur so wimmelt, ist ein Knastgang nicht auszuschließen. Hassdelikte werden nach den Strafrechtsreformen und Maulkorbgesetzen der vorherigen PP-Regierung, wonach auch alles praktisch Terrorismus sein kann, mit einer Haftstrafe von einem bis vier Jahren plus Geldstrafe geahndet. Das gilt, wenn jemand "direkt oder indirekt in der Öffentlichkeit Hass, Feindschaft und Diskriminierung gegen eine Gruppe oder bestimmten Person", unter anderem gegen die "Religion oder Glauben", gegen eine "Ethnie, Rasse oder Nation oder sexuelle Orientierung, Krankheit oder Behinderung" schürt.

Man fragt sich dann aber, wie es möglich ist, dass in Spanien faschistische Gruppen Hass gegen Katalanen schüren, der sich auch gewalttätig immer wieder sogar gegen Journalisten entlädt. Während bekannte verurteilte Neonazis, die zur "Jagd auf Neger und Zecken" (Antifaschisten) blasen, Freisprüche bekommen, obwohl man bei ihnen Waffen findet (sogar einen Granatwerfer), gehen friedliche Veganer wegen Putzmitteln ins Gefängnis, weil sie im Internet ein paar radikalere Sprüche abgelassen hatten. Ein bekannter rechtsradikaler Radiomoderator dagegen kann sogar zur Bombardierung Barcelonas, zu Bomben in bayrischen Biergärten und zur Geiselnahme deutscher Touristen in Mallorca aufrufen, weil ihm Gerichtsentscheidungen von deutschen Gerichten in Bezug auf das Hassobjekt Katalonien nicht gefallen. Da wird von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht einmal ermittelt.