Mittelmeer: Die Aquarius hat ihre Rettungsarbeit wieder aufgenommen …

Aquarius. Foto von 2012: Ra Boe / CC BY-SA 3.0 DE

… und die EU hat noch immer keinen Plan, wie sie mit Migranten aus Afrika umgehen soll. Die jüngste Hoffnung ist die "vertiefte Zusammenarbeit" mit Ägypten

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Nach längerer Pause gibt es wieder ein NGO-Rettungsschiff vor der Küste Libyens. Die Aquarius hat sich von Marseille aus auf den Weg gemacht. An Bord ist eine Journalistin der Le Monde. Aktuell berichtet Julia Pascual davon, dass der Besatzung Schiffes der französischen Hilfsorganisationen SOS-Méditerranée und Ärzten ohne Grenzen (Médecins sans frontières, MSF) am Donnerstagmorgen gegen 7 Uhr morgens ein Boot aufgefallen ist, etwa 28 Seemeilen (52 Kilometer) von der libyschen Küsten entfernt.

An Bord des Glasfiberbootes mit einem Motor waren elf Männer dabei, Wasser aus dem Boot zu schöpfen. "Sie trugen Rettungswesten, aber solche schlechter Herstellung, die sich mit Wasser füllen. Das ist gefährlich", wird der Verantwortliche der SOS-Méditerranée für Such- und Rettungsaktionen zitiert.

Auf der Aquarius habe man versucht, das Koordinierungszentrum für Seerettungen in Tripolis (JRCC) sowie die Leitstelle in Rom und das RCC in Malta zu erreichen, aber - zunächst - keine Antwort erhalten. Zwei Einsatz-Boote des Rettungsschiffes haben die 11 Männer, zehn Pakistaner und ein Mann von der Elfenbeinküste, dann an Bord der Aquarius gebracht. Nach deren Aussage seien sie in der Nacht zuvor, gegen 23 Uhr, von der libyschen Hafenstadt Zuwara aufgebrochen.

Suche nach dem sicheren Hafen

Als die Männer an Bord waren, so der Bericht der Le-Monde-Journalistin, sei eine E-Mail des libyschen JRCC eingetroffen, ein Patrouillenboot zur Übernahme der Passagiere sei unterwegs. Die Verantwortlichen der Aquarius hätten daraufhin zu verstehen gegeben, dass sie keine der aufgenommenen Personen an die libyschen Behörden geben würden, solange diese keinen sicheren Hafen anbieten.

Die Antwort der Libyer lautete, dass die Aquarius ein anderes Koordinierungszentrum kontaktieren sollte. Damit kündige sich eine schwierige Etappe an, schließt der Bericht der französischen Zeitung.

Das ist auch der Stand der Dinge, wie er auf der Webseite onboard-aquarius und dem Twitter-Auftritt von SOS-Méditérrannée gegen 18 Uhr zu lesen war.

Die Wiederholung

Zu erwarten ist die Wiederholung bereits bekannter Vorgänge und Vorwürfe: Erstmal wird kein europäisches Land einen sicheren Hafen zur Verfügung anbieten. Nach einer gewissen Zeit wird aber der Druck, dass die Passagiere an Land gehen müssen, um mit dem Nötigen versorgt zu werden, wachsen, je nachdem, wie sich die Auseinandersetzung darüber in den Medien hochschaukelt.

Es wird sich erneut zeigen, dass die EU keinen Plan für diese Situation hat. Auch der informelle EU-Gipfel auf der Salzburger Bühne hat hier keine Fortschritte gebracht ( Stillstand auf höchstem Niveau).

"Ausschiffungszentren"

Solange es keine mit dem krampfigen Wort "Ausschiffungszentren" bezeichneten Anlandestellen in Ländern außerhalb der EU gibt - und auch keine Aussicht darauf, dass sie bald realisiert werden könnten - und keine "kontrollierte Zentren" in EU-Ländern, wie es der Migrationssteuerungsplan der EU vorsieht, solange laufen Rettungen, die nicht von der libyschen Küstenwache, sondern von anderen Schiffen unternommen werden, auf eine krampfige öffentliche Auseinandersetzung und wahrscheinlich immer längere Wartezeiten für die Aufgenommenen an Bord der Schiffe hinaus.

Einig sind sich die Länder der EU darin, dass sie zwar öffentlich irgendwie eine humanitäre Haltung oder Figur abgeben wollen - darauf legt auch Salvini Wert - , dass sie aber, wenn es darum geht, Migranten aufzunehmen, die niemand gerufen hat, ein großes Problem haben, egal, wie viele es sind. Denn immer gilt: Es könnten ja noch viel mehr kommen. Auch wenn es dieses Jahr wie auch schon das Jahr zuvor immer weniger wurden.

Zu einer praktischen Einigung reicht es nur, wenn es um Abschottung geht (die aber jedes Land so für sich regeln soll, dass es zu keiner Ausweitung der Frontex-Kompetenzen kommt, die den Ländern in die Souveränität funkt).

Die beim Sondergipfel in Salzburg angesprochene Rettungsmöglichkeit "Ägypten" ist bislang noch auf sehr dünne Bretter gebaut, was Beobachter spätestens bei der Formulierung, dass man die Möglichkeit einer "vertieften Zusammenarbeit" nutzen sollte (Sebastian Kurz), auffallen muss.

Al-Sisi: Die Grenzen der vertieften Zusammenarbeit

Davon abgesehen, dass der Ex-General al-Sisi, der Ägypten wie ein Junta-Chef führt und das legendäre Repressionsregime seines Vorgängers Mubarak amateurhaft aussehen lässt, sehr dankbar sein wird, dass er über eine vertiefte Zusammenarbeit mit der EU an Reputation, wirtschaftlichen Beziehungen und Touristen gewinnen wird, ist der ägyptische Präsident Profi genug, um zu wissen, wieweit er innenpolitischen Spannungen anreizen kann.

Sammellager für Migranten, die nach Europa wollen - und in Nordafrika wie auch dem Nahen Osten und in Ländern südlich der Sahara in anderem Licht gesehen werden als in Europa -, sind eine innenpolitische Herausforderung, die wohlüberlegt angegangen wird. Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen.

Gerald Knaus, vom Think Tank European Stability Initiative, hierzulande als Mitgestalter des Konzepts zum Flüchtlingspakt mit der Türkei bekannt, bewertet die ägyptische Lösung aus anderen Gründen als "Scheinlösung", wie der Standard berichtet:

Die EU schiebe damit nur auf der Hand liegende Probleme wie die ernste humanitäre Situation auf den griechischen Inseln weg, um eine Scheinlösung zu verkaufen, die keinerlei Auswirkungen haben werde. Das zeige nur einmal mehr, wie tief die EU sei. Ägypten spiele in der gesamten europäischen Asyldebatte eine marginale Rolle, so Knaus. In den letzten Jahren seien aus Ägypten keine Boote mehr gekommen. Es gebe auch kaum Anträge von Ägyptern auf Asyl. Gleichzeitig werde aber suggeriert, dass Menschen, die eben nicht aus Ägypten, sondern aus Nigeria, Mali oder anderen Staaten per Boot kämen, wieder nach Ägypten rückgeführt werden könnten. Das würde aber gegen jegliches internationales Recht verstoßen.

Der Standard