Sonntagsfrage: Fassungslose SPD wird von AfD überholt

Andrea Nahles auf dem SPD-Bundesparteitag 2018. Foto: Olaf Kosinsky/ CC BY-SA 3.0 DE

ARD-DeutschlandTrend: Der Regierungskoalition liegt bei 45 Prozent. Auch Seehofer schneidet nicht gut ab

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Die Koalition aus den Unionsparteien und der SPD, früher Große Koalition genannt, kommt im aktuellen ARD-DeutschlandTrend bei der Sonntagsfrage nur mehr auf 45 Prozent (Union 28 Prozent, SPD 17%). Aber nicht nur bei Infratest dimap, das den DeutschlandTrend durchführt, sondern auch bei anderen Meinungsforschungsinstituten liegt das Bündnis, das Anfang des Jahres so mühsam gezimmert wurde, unter der Mehrheit.

Einzig bei Allensbach wurde am 18. September die 50-Prozent-Marke noch um einen Prozentpunkt übertroffen, bei der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen am 14. September liegen CDU/CSU/SPD bei genau 50 Prozent. Bei den Sonntagsfragen der anderen fünf Meinungsforschungsinstituten, die hier aufgeführt sind, liegt die Regierungskoalition wie beim DeutschlandTrend deutlich unter der Mehrheitsmarke.

Der Regierung geht die Luft aus; es gibt kein gemeinsames Projekt, das einen Kurs einschlägt, der von Zuversicht bestimmt ist. Der täglichen Kritik kann sie nur das tägliche Brot der Regierungsarbeit entgegenhalten, nichts was sich darüber hinaus als Gestaltung bemerkbar macht.

Die Unzufriedenheit mit der Regierungsarbeit ist unübersehbar. Dass die AfD zulegt, und nun mit 18 Prozent bei der Sonntagsfrage im DeutschlandTrend zum ersten Mal vor der SPD (17 Prozent) liegt, wird zwar als Sensation der Umfrage hervorgehoben "AfD erstmals zweitstärkste Partei", dürfte aber niemanden überraschen, der die politischen Entwicklungen der letzten Wochen und Monate verfolgt hat.

Die klassische Frage dazu lautet, ob die AfD vor allem wegen der Unzufriedenheit mit den anderen Parteien zulegt? Wäre es zum Beispiel möglich, dass die Migration, das große Profilierungsthema der Partei, in der Bevölkerung gar nicht so wahrgenommen wird, wie es die Partei der Neuen Rechten, ihre Anhänger wie auch Kritiker der traditionellen Parteien darstellen?

Zwar kann man dem Integrationsbarometer, dessen Ergebnisse die vergangene Woche an dieser Stelle für eine lebhafte Diskussion gesorgt haben (vgl. Studie: Mehrheit in Deutschland sieht Zuwanderung als Bereicherung) eine spezielle Auswahl der Stichprobe entgegenhalten, die Fragestellung wie bei allen Studien unter die Lupe nehmen und das Interesse der Stiftungen, die sich beteiligen, wie z.B. Bertelsmann, als politischen Einflussfaktor deutlich machen, dennoch: es ist nicht die erste und einzige Studie, in der Mehrheiten eine andere Auffassung zur Migration zeigen, als sie die AfD vertritt.

Man könnte daraus folgern, dass zum Erfolg der rechten Partei vielleicht nicht einmal hauptsächlich die Kritik an der Migrationspolitik der Großen Koalition unter Merkel gehört, sondern Muster und Mechanismen der sie tragenden Parteien, an denen Überdruss besteht. Weil sie die Realität auf eine Weise zurechtlegen oder zurechtformatieren, wie sie von vielen im Alltag nicht vorgefunden wird.

Die Kluft zwischen der Realität, wie sie die CDU und die SPD und angeschlossene Rundfunkhäuser und Medien des gehobenen Mittelstands vermitteln wollen, und der Wirklichkeit, die als andere vorgefunden wird, zeigt sich wiederum aber eben eklatant in der Migrationspolitik - weil dort ideologische Vorgaben auf nicht zu verleugnende oder unübersehbare Phänomene geklebt werden.

Als deutliche Beispiel zu nennen wären da Haltungen oder Behauptungen, die kategorisch bestritten, dass Migration mit Möglichkeiten in Verbindungen zu bringen sei, IS-Kämpfer ins Land zu schleusen oder dass damit islamistische Radikale aus Ländern des Nahen Ostens nach Deutschland kommen könnten, dass die Kriminalität von der Migration beeinflusst wurde, dass es neue Konflikte geben könnte.

Von der SPD wurde das Thema, dass es durch die Migration zu einer schärferen Konkurrenz ärmerer Schichten kommen könnte, wenn es um Arbeit, Wohnung und Sozialleistungen geht, in der Öffentlichkeit nicht in einer Form behandelt, dass ihre Beiträge ider Positionen bei der Debatte eine wichtige Rolle gespielt hätten. Sie hat keine eigenständigen, wahrnehmbaren Punkte gesetzt, die sich ernsthaft mit den Schwierigkeiten des Themas auseinandergesetzt haben.

Übrig bleibt der Eindruck, dass die SPD-Politiker, bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Buschkowsky oder der frühere Münchner Bürgermeister Ude) es vor allem auf Beschwichtigen abgesehen haben - dass es der SPD um Weichspülen geht, um eine Trägheit in der Sache, wie man sie von Merkel kennt.

Da man in der SPD aber stolz auf das Erreichte bei den Mühen der Ebene ist, neulich der Mindestlohn, jetzt die "gute Kita", ist man völlig fassungslos, was so passiert. Nicht nur über das, was Seehofer in der Sache Maaßen mit der SPD gemacht hat, woran die SZ gestern die Fassungslosigkeit der SPD beschrieb.

Fassungslosigkeit dürfte in der Parteiführung auch darüber herrschen, dass sich Artikel über die SPD nun mehr vor allem mit ihrem Verschwinden beschäftigen. Im März dieses Jahres war man noch der Überzeugung, dass sich die SPD mitregieren könnte und sich gleichzeitig erneuern (vgl. Jetzt geht's daran, gut zu regieren und #SPDerneuern umzusetzen").

CSU-Chef Seehofer, der bei mäßigen politischen Erfolgen, die Koalition mit seinen Theaterstücken, bei denen man nicht mitmachen muss (Salvini hat die deutsch-italienische Flüchtlingsvereinbarung noch immer nicht unterschrieben), zwei Mal dorthin gebracht hat, wo ihre Bruchstellen erbarmungslos ausgestellt wurden, schneidet im ARD-DeutschlandTrend nicht gut ab, dem ist ein eigener Abschnitt gewidmet: "Zustimmung für Seehofer nimmt ab.

Für Innenminister Horst Seehofer gab es schlechte Noten: Nur jeder dritte Wahlberechtigte (28 Prozent) hält ihn für eine gute Besetzung als Minister für Inneres, Bau und Heimat. Im April 2018 waren es noch 39 Prozent der Befragten."

Das dürfte den CSU-Chef nicht groß kümmern. Die Wahl am 14. Oktober ist für die CSU entscheidend. Für den Rest Deutschlands ist sie ein Barometer für die Erfolgsaussichten der AfD.