Wir-sind-nicht-afd.de

(Bild: TP)

OLG Köln untersagt Blogger wir-sind-afd.de

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Ein Blogger, der ungebeten Zitate von AfD-Mitgliedern unter der Domain wir-sind-afd.de ins Netz gestellt hatte, war im Februar von der AfD vor dem Landgericht Köln auf Unterlassung in Anspruch genommen worden (Wir sind die AfD ./.wir-sind-afd.de). Es handele sich bei der Domain um eine unberechtigte Namensanmaßung. Die Domain beinhalte den Sinngehalt, dass der Betreiber der AfD zugehörig sei. Der Domainname werde vom Verkehr als Eigenbezeichnung wahrgenommen, sodass eine Zuordnungsverwirrung erfolge. Dies beeinträchtige die berechtigten Interessen der Namensinhaberin, der Beklagte habe kein etwa aus der Meinungsfreiheit ableitbares überwiegenderes Interesse an der Domain.

Der Blogger sammelte zur Weiterführung des Rechtsstreits binnen weniger Tage über 40.000,- €, inzwischen sogar 55.000,- €, via Crowdfunding. Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung jedoch nun zurück.

Verwirrend

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme es für das Vorliegen einer Zuordnungsverwirrung alleine auf die registrierte Domain an. Auf einen über die Domain hinausgehenden Kontext kommt es für die Annahme einer Zuordnungsverwirrung nicht an. Für die Annahme einer Zuordnungsverwirrung sei es bereits hinreichend, dass im Verkehr der falsche Eindruck entstehen könne, der Namensträger habe dem Benutzer ein Recht zur entsprechenden Verwendung des Namens erteilt.

Zwar folge die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Klägerin im vorliegenden Fall nicht schon daraus, dass Domains nur einmal vergeben werden könnten und die Klägerin die durch den Beklagten bereits belegte Domain nicht für eigene Zwecke nutzen könne. Ein schutzwürdiges Interesse aus diesem Grunde sei lediglich bei ausschließlich mit der Bezeichnung des Namensträgers gebildeten Domains zu bejahen, nicht hingegen im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin bereits über andere Domains unter ihrem Namen verfüge, die sie nutzen kann. Sie sei daher nicht auf die Nutzung der streitgegenständlichen Domain angewiesen.

Gleichwohl sei durch die Registrierung und Nutzung der Domain seitens des Beklagten besonders schutzwürdige Interessen der Klägerin erheblich verletzt, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin die Domain selbst nutzen möchte. So rufe die durch den Beklagten registrierte Domain selbst unter Berücksichtigung des Inhalts der Internetseite eine Zuordnungsverwirrung hervor, die im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr begründe. Denn es bestehe die Gefahr, dass die relevanten Verkehrskreise personelle oder organisatorische Zusammenhänge oder eine Zustimmung der Klägerin als Namensträgerin zu einer Verwendung der auf sie bezogenen Domain durch den Beklagten vermuteten.

Für die Annahme einer Verletzung schutzwürdiger Interessen genüge es bereits, dass die Klägerin es nicht wünsche, dass ihr Name zur Bezeichnung einer Domain verwendet werde, die den Anschein erwecke, der Inhaber handele in ihrem Einvernehmen, und unter der ihr Name ohne ihr Einverständnis zu politischen Zwecken benutzt wird. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, dass derjenige, der eine Internetseite aufruft, von der er annimmt, sie stamme von der Klägerin, dort nicht auf einen Internetauftritt des Beklagten stößt.

Erst recht habe die Klägerin ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihr Name nicht gebraucht werde, um gegen sie Propaganda zu machen. Sie brauche es sich nicht gefallen zu lassen, dass durch den Gebrauch ihres Namens in einer Domain zunächst der Irrtum hervorgerufen wird, die unter der Domain betriebene Homepage stamme von ihr, damit sie alsdann auf der unter dieser Domain betriebenen Webseite kritisiert werde.

Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die durch den Beklagten unter der Domain veröffentlichten Zitate von Mitgliedern der Klägerin tatsächlich so gefallen seien, wie der Beklagte sie wiedergibt, und ob diese mit dem Programm der Klägerin übereinstimmen oder nicht. Die Klägerin habe das Recht, selbst zu bestimmen, welche Inhalte zu welchem Zeitpunkt in welcher Form und Zusammenstellung als von ihr stammend oder von ihr legitimiert veröffentlicht werde.

Meinungsfreiheit tritt vorliegend hinter Namensrecht bzw. Parteienrecht zurück

Selbst, wenn die Bezeichnung der Domain unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fiele, so wäre sie im vorliegenden Fall durch § 12 BGB als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt. Das Gericht betonte, es verkenne nicht, dass die grundrechtsbeschränkenden Gesetze ihrerseits im Lichte des beschränkten Grundrechts ausgelegt und angewandt werden müssten, damit dessen wertsetzende Bedeutung für das Privatrecht auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommen könne.

Die Interessen des Bloggers, die von ihm vertretene kritische Meinung gegenüber der AfD unter der konkreten, von ihm gewählten, streitgegenständlichen Domain zu veröffentlichen, überragten indes nicht das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließende namensmäßige Identitätsinteresse der AfD, das im vorliegenden Fall durch ihren in Art. 21 Abs. 1 GG verankerten verfassungsrechtlichen Status noch verstärkt werde. Es sei kein Grund für die Schutzbedürftigkeit der Bezeichnung einer Domain zugunsten des Bloggers ersichtlich, in der er unzutreffend zum Ausdruck bringt, „er sei“ die AfD.

Keine Satire, da authentischer Selbstanspruch

Auch sei die Domain nicht als Satire schutzwürdig, da die Bezeichnung nun einmal nicht durch für Satire typische Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung gekennzeichnet sei.Im Gegenteil habe der Blogger selbst vorgetragen, wir-sind-afd.de beschreibe die Inhalte seiner Homepage zutreffend. Da er die Stimmen der Klägerin zu Worte kommen lasse, habe er diese gerade nicht in der übertrieben, verzerrt oder verfremdet, sondern lediglich über den Inhaber der Seite getäuscht. Eine auf ihren tatsächlich gemeinten Gehalt zurückführbare Rollenprosa lasse sich dem Domainnamen nicht entnehmen.

Durch das Verbot werde in die Meinungsfreiheit des Bloggers auch nicht in unverhältnismäßigem Umfang eingegriffen. Denn der Blogger habe die Möglichkeit, unter einer ebenfalls gut auffindbaren Domain unter Verwendung des Namens der AfD mit einem klarstellenden Zusatz seine Internetseite mit den dort vorhandenen Inhalten zu betreiben, ohne eine Zuordnungsverwirrung hervorzurufen und die rechtlich geschützten Interessen der Klägerin zu verletzen.

Derzeit funktioniert die Domain noch, was sich vermutlich während der Revisionsfrist von einem Monat nicht ändern und somit die Wahlen in Hessen und Bayern überdauern wird. Aktuell wird zusätzlich von wir-sind-nicht-afd.de auf wir-sind-afd.de umgeleitet, sodass offenbar schon eine neue Domain gefunden wurde. Die wäre dann aufgrund der doppelten Ironie juristisch nahezu unangreifbar.

UPDATE: Weiter geht's: das-ist-afd.de